Lucid Air Pure im Test: Das Traumschiff

Der erste Eindruck: Wow! Der zweite: Dieses Auto ist groß - und das nicht nur von außen. Das schicke schwarze Elektroauto von Lucid Motors ist zweifellos eine Limousine der Oberklasse.
Als erstes fallen ihre Dimensionen auf: 4,97 Meter ist das Auto lang, mit Spiegeln 2,2 Meter breit. Der Radstand von 2,96 Metern ermöglicht einen großen Innenraum. Vor allem hinten ist sehr viel Raum. Hier findet eine große Person selbst dann bequem Platz, wenn der vordere Sitz weit nach hinten gestellt ist.
Das Auto passt also auch für jemanden, der sich lieber kutschieren lässt, als selbst zu fahren. Dabei muss die Person nicht allein sein: Ohne den im Verbrenner üblichen Mitteltunnel ist auf der Rückbank Platz für Drei. Praktisch sind die hinteren Türen: Sie lassen sich bis zu einem Winkel von 90 Grad öffnen.
Der Kofferraum ist niedrig
Platz ist aber nicht nur für die Insassen, sondern auch für Gepäck: Der Kofferraum hat ein Volumen von 627 Litern, er kann aber durch Umklappen der Rücksitze vergrößert werden. Praktisch ist die gerade, nur 61 Zentimeter hohe Ladekante. Nachteil ist, dass der Kofferraum nicht sehr hoch ist, aber dafür weit ins Fahrzeug hineinreicht. Große Koffer sollten deswegen zuerst gestaut werden. Liegt ein kleines Gepäckstück am Ende, muss man schon lange Arme machen.

Ungewöhnlich groß ist auch der Frunk, also der Kofferraum vorne. Viele Hersteller verzichten ganz darauf, beim Lucid ist er fast so groß wie der Kofferraum eines Kleinwagens. 283,4 Liter beträgt laut Lucid Motors das Volumen. Hier sollten vier Getränkekästen hineinpassen.
Die Variante Air Pure verfügt über einen Hinterradantrieb mit einer Leistung von 325 Kilowatt. Das Drehmoment beträgt 600 Newtonmeter. Das Fahrzeug beschleunigt in 4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Der Akku hat eine nutzbare Kapazität von 92 Kilowattstunden. Dafür ist das Fahrzeug vergleichsweise leicht: Es wiegt 2.070 Kilogramm. Zum Vergleich: Der Audi E-Tron GT , der einen Akku mit einer Bruttokapazität von 93,4 Kilowattstunden hat, bringt knapp 300 Kilogramm mehr auf die Waage.
Der Kofferraum ist niedrig
Lucid Motors preist den Air Pure als das effizienteste Elektroauto an : Bei Tests nach dem Zyklus der US-Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) habe der Verbrauch bei 14,34 Kilowattstunden auf 100 Kilometer gelegen.


















So niedrig war er bei unserem Test nicht: Bei einer Autobahnfahrt von gut 70 Kilometern, bei wir den Tempomaten auf 135 km/h eingestellt hatten, verbrauchte das Fahrzeug knapp 18 Kilowattstunden auf 100 Kilometern. Auf einer kumulierten Fahrt mit Autobahn, Landstraße und Stadt von knapp 840 Kilometern lag der Wert bei rund 16 Kilowattstunden auf 100 Kilometern, wobei wir auch hier auf der Autobahn moderat unterwegs waren.
Die maximale Ladeleistung gibt Lucid mit 250 Kilowatt an. Das konnten wir nicht überprüfen - der einzige Schnelllader, den wir im Testzeitraum ansteuerten, war vom Betreiber auf 75 Kilowatt gedrosselt.
Und wie fährt sich der Lucid Air Pure?
Lucid Air Pure gleitet sanft dahin
Der Lucid Air ist eine Limousine, und so ist auch das Fahrgefühl. Mit ihren zwei Tonnen und dem niedrigen Schwerpunkt hat sie eine gute Straßenlage. Auch bei 150, 160 km/h gleitet sie auf der Autobahn sanfter dahin als andere Fahrzeuge mit 120 km/h. Der Motor ist als Sirren wahrnehmbar, bei 130 km/h auf Flüsterasphalt ist nur der Wind zu hören.
Das Auto bietet drei Fahrmodi: Smooth, Swift und Sprint. Die Aktivierung von Letzterem muss eigens bestätigt werden und wird von Lucid nur für erfahrene Lenker angeraten. Wir sind meist im Smooth-Mode gefahren, ein der Limousine angemessener Fahrstil mit nicht allzu giftiger Beschleunigung.
In den Modi Swift und Sprint ist der Antritt deutlich schneller. Allerdings stellten wir fest, dass auf feuchter Fahrbahn an der Ampel die Hinterräder auf der Fahrbahnmarkierung für einen Moment an Traktion verloren und durchdrehten.
Der Abstandsregeltempomat arbeitet bis 150 km/h
Das Fahrzeug verfügt über diverse Assistenzsysteme, darunter einen Spurhalteassistenten und einen Abstandsregeltempomat. Letzterer ist bis zu einer Geschwindigkeit von 150 km/h aktiv - das Auto fährt in der Spitze 200 km/h. Ein Spurwechselassistent fehlt.


















Da beim Lucid Air die Heckscheibe nicht sehr groß und der Blick nach hinten zusätzlich durch die drei Kopfstützen der Rückbank eingeschränkt ist, sind die Kameras beim Einparken des großen Autos praktisch. Je nach Fahrtrichtung wird im äußeren Bereich der Instrumententafel das Bild der Vorder- oder der Heckkamera eingeblendet. Auf dem großen Display erscheint das Bild aus der Vogelperspektive. Die Entfernung zu einem Hindernis wird in Zentimetern angegeben.
Einen Nachteil hat die Frontkamera: Sie befindet am Rückspiegel. Das Gehäuse ist relativ groß und versperrt den Blick auf Ampeln. Man muss also den Hals etwas verdrehen, um zu sehen, wann auf Grün umgeschaltet wird.
Wer partout nicht selbst einparken möchte, kann das dem Parkassistenten überlassen, sowohl bei Längs- als auch Querparklücken. Der Autor ist diesen Systemen gegenüber etwas misstrauisch - mancher Parkassistent musste im letzten Moment per Bremspedal gestoppt werden. Der Lucid erledigte seine Aufgabe hingegen souverän.
Eine Kamera zeigt den toten Winkel
Für Sicherheit sorgt auch der Tote-Winkel-Assistent: Im Spiegel wird angezeigt, wenn sich von hinten ein Fahrzeug nähert. Beim Spurwechsel oder Abbiegen erscheint auf der Instrumententafel ein Kamerabild auf der Seite, zu der geblinkt wird: Die Kamera sitzt am Rückspiegel, der Blickwinkel ist aber etwas anders als der des Spiegels. Allerdings ist das Bild durch das kleine Lenkrad nicht so gut zu sehen. An Einmündungen wird vor Querverkehr gewarnt.
Wie bei vielen modernen Autos nervt auch bei diesem der digitale Beifahrer . Auch ist die Verkehrszeichenerkennung fehlerhaft: Mal wird innerorts plötzlich Tempo 130 angezeigt, mal werden auf der Autobahn Schilder an Ausfahrten fehlinterpretiert. Auch wenn es praktisch wäre - in solchen Situationen ist es ein Glück, dass der Tempomat nicht mit der Verkehrsschilderkennung gekoppelt ist.
Auf Überschreitungen einer Geschwindigkeitsbegrenzung reagiert das System sofort, ohne etwa die übliche Tachotoleranz einzubeziehen. Dafür ist der Warner ja auch da - nur dass er eben falsche Tempolimits moniert oder auch Einschränkungen einer Geschwindigkeitsbegrenzung ignoriert, etwa nächtlichen Lärmschutz, Nässe oder temporäre Beschränkungen vor Kindergärten oder Schulen. Da kann es schon nervig sein, bis das System endlich Ruhe gibt.
Gut gefallen hat uns das Bedienkonzept.
Das Display verschwindet
Die Lucid-Designer konnten offensichtlich dem aktuellen Trend widerstehen, der ausschließlich auf eine Bedienung per Touch auf einem einzigen Display in der Mitte setzt. So gibt es verschiedene Tasten auf dem Lenkrad - für Musik rechts und für die Assistenzsysteme links. Zudem gibt es auf der Mittelkonsole Tasten für die Temperaturregelung für die beiden Vordersitze sowie einen Lautstärkeregler. So können zumindest wichtige Funktionen ausgeführt werden, ohne auf das Display in der Mitte schauen zu müssen.
Daneben gibt es hinter dem Lenkrad eine breite Instrumentenanzeige, die auch nicht mehr selbstverständlich ist. Sie geht links und rechts in Bedienfelder über: links zum Regeln von Licht und Scheibenwischer sowie zum Öffnen der Ladeklappe und des Frunks, rechts für Musik, Navigation und Telefon. Der Bereich ganz rechts außen ist für das Navigationssystem reserviert.
Ein Head-up-Display fehlt jedoch. In einem Fahrzeug dieser Klasse wäre das zu erwarten gewesen.
Die Bedienung des Infotainmentsystems ist ungewohnt
Die Bedienung der beiden Panels ist im ersten Moment etwas ungewohnt: Das große hängt sozusagen vom kleinen ab. Wird etwa auf dem kleinen das Navi aktiviert, erscheint eine große Karte mit Eingabefeld auf dem großen Bildschirm. Ein schönes Gimmick ist, dass das große Display eingefahren werden kann. Dann wird darunter ein Fach sichtbar, das sonst versteckt ist.


















Einige Funktionen sind redundant: So können etwa die Sitze mit physischen Reglern an der Seite verstellt werden. Es gibt aber auch im Infotainmentsystem ein Menü für die Sitzverstellung. Dort wird auch die Sitzheizung aktiviert. Für diese wünscht man sich allerdings ein schneller erreichbares Bedienelement.
Etwas albern ist, dass wie bei Teslas Model 3 das Handschuhfach per Touch auf das Display entriegelt wird. Das klappt dann einfach auf und muss anschließend per Hand geschlossen werden. Hier wünscht man sich etwas mehr Konsequenz von den Designern: entweder ein elektrisch zu öffnendes Handschuhfach - dann sollte die Klappe nicht einfach herunterfallen, sondern wie der Kofferraumdeckel sanft per Motor geöffnet und auch wieder geschlossen werden - oder eines, das per Hand geöffnet und geschlossen wird.
Wie auf den beiden Vordersitzen kann auch hinten die Temperatur geregelt werden. Das geschieht über ein kleines Touch-Display in der Mitte. Negativ fiel auf, dass die Touch-Bedienung nicht immer einwandfrei funktionierte. So musste etwa in einem Fall gleich dreimal die Stopp-Taste auf dem kleinen Display angetippt werden, damit die Musik aufhörte zu spielen.
Verfügbarkeit und Fazit
Verfügbarkeit
Der Lucid Air Pure kann seit Februar 2024 bestellt werden. Der Basispreis für das Fahrzeug liegt bei 85.000 Euro. Die von uns getestete Version verfügte über einige Extras, darunter eine Sonderlackierung, das Soundsystem mit 21 Lautsprechern sowie das umfangreichste Paket an Assistenzsystemen, und kostet 100.300 Euro.
Daneben gibt es noch die Varianten Touring, Grand Touring und das Topmodell Sapphire. Sie alle haben einen Allradantrieb, allerdings mit verschiedenen Leistungsstufen, sowie größere Akkus. Entsprechend sind sie auch teurer.
Fazit
Mit dem Air Pure hat Lucid Motors eine schicke und schnittige elektrische Limousine entwickelt. Für die Stadt ist das Fahrzeug wegen seiner Größe nicht so gut geeignet. Allerdings helfen die Kameras beim Einparken, zudem steht ja der Parkassistent zur Verfügung.


















Die Verkehrszeichenerkennung hat die üblichen Schwächen, sonst funktionieren die Assistenzsysteme gut. Allerdings hätten wir uns bei einem Fahrzeug dieser Preisklasse einen Spurwechselassistenten und ein Head-up-Display gewünscht.
Gut fanden wir den Warner vor dem Querverkehr und dass beim Abbiegen oder Spurwechsel in der Instrumentenanzeige ein Blick in den toten Winkel gezeigt wird. Schade ist, dass der Teil der Anzeige teilweise vom Lenkrad verdeckt ist.
Gut gefallen hat uns der für die Größe vergleichsweise geringe Stromverbrauch. Bei einem Akku mit einer nutzbaren Kapazität von 92 Kilowattstunden kommt keine Reichweitenangst auf.



