'Es gibt keine moralischen Prinzipien'
iRights.info: Facebooks Nutzungsbedingungen schreiben unter anderem vor, dass Nutzer keine "irreführenden" oder "bösartigen" Handlungen vornehmen. Irreführend und bösartig kann je nach Perspektive alles Mögliche sein. Ist Facebooks Löschpolitik letztlich willkürlich?
Geert Lovink: Facebooks Ziel ist die Gewinnmaximierung. Es ist ein ganz normales Unternehmen. Das bedeutet für die Zensurpolitik: Facebook wird Inhalte löschen, die Gewinne gefährden. Wenn zum Beispiel eine große Mehrheit der Nutzer dagegen ist, dass auf Facebook extremistische Inhalte sind, wird das Unternehmen sie löschen. Basta. Wenn nicht, dann nicht. Hinter dieser Zensur steckt keine Ethik, sondern nur ein marktorientiertes Kalkül. Deshalb ändert sich auch die Löschpolitik ständig und man kann die moralischen Prinzipien dahinter nicht verstehen, weil es keine gibt. Es ist eine Firma ohne Eigenschaften und in dem Sinne auch anders als Google, wo die Weltdominanz wenigstens im Zusammenhang mit Ideen steht.
"Sie beschwören das Gute und Positive"
iRights.info: Bisher zeigt sich Facebook recht prüde und löscht Nacktbilder selbst dann, wenn es sich um Kunst von 1940 handelt. Spricht das nicht gegen Ihre These der nicht vorhandenen Moral? Mit etwas mehr Freizügigkeit würde Facebook vielleicht noch eine größere Nutzungsintensität erreichen.
Geert Lovink: Das hat mit Facebooks Hintergrund als US-Firma zu tun. Die Regel "Keine Nacktheit" haben sie bestimmt nicht ganz freiwillig formuliert, das schreiben ihnen die Anwälte in den USA vor. Auch das zeigt, wie unkreativ und langweilig diese Leute im Grunde sind.
iRights.info: Manche Nutzer in den USA konnten Kommentare gar nicht erst auf Facebook posten. Es erschien die Meldung: "Dieser Kommentar erscheint irrelevant oder unangemessen und kann nicht veröffentlicht werden. Um zu vermeiden, dass Ihre Kommentare blockiert werden, stellen Sie bitte sicher, dass sie in einer positiven Art und Weise etwas zum Beitrag beisteuern." Die Formulierung klingt wie eine Satire auf die Internetzensur. Fehlt Facebook rein sprachlich das Feingefühl?
Geert Lovink: Nein, diese Formulierung ist ganz typisch für die großen Internetkonzerne. So denken und sprechen diese Unternehmen. Das sind New-Age-Menschen. Sie beschwören das Gute und Positive. Da ist für das Unangemessene und Negative kein Platz. Das ist die kalifornische Ideologie. In den USA kann vielleicht eine solche Meldung erscheinen. In den Niederlanden wären diese Sätze komplett lächerlich, genauso wie Facebooks pathetischer Entschuldigungstext im Fall Jürgen Domian.
"Wenn wir ein öffentliches Internet hätten "
iRights.info: Ein privates Unternehmen reguliert nun den Kommunikationsraum von rund einer Milliarde Menschen. Müssten die Regeln für diesen Raum gesamtgesellschaftlich diskutiert werden?
Geert Lovink: Ich bin eher dafür, gemeinsam dafür zu sorgen, dass Facebook verschwindet. Wir könnten es uncool machen und dafür sorgen, dass vor allem junge Leute es langweilig finden. Der Einfluss dieser Firma ist im Moment noch viel zu groß und führt zu allen möglichen Problemen. Es ist schade, dass das Internet so weit degeneriert ist, dass wir großen Unternehmen so viel Macht geben. Es ist allerdings dumm, sich darüber zu beschweren, wenn private Unternehmen ihre Gewinninteressen verfolgen. Wenn wir ein öffentliches Internet hätten, hätten wir diese Probleme nicht. Die Infrastruktur dürfte nicht einer privaten Firma gehören.
iRights.info: Soll der Staat soziale Netzwerke und Suchmaschinen finanzieren?
Geert Lovink: Der Staat ist in diesen neoliberalen Zeiten ja leider selbst eine Firma, der eng mit Privatinteressen verbunden ist und nicht unbedingt für das Allgemeinwohl eintritt. Der Staat kümmert sich nicht mehr um die Gestaltung und Verwaltung der - auch virtuellen - Öffentlichkeit. Das Internet ist doch das Paradebeispiel. Wir müssen uns selbst um den Aufbau der Commons kümmern, um das digitale Gemeingut.
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Löschpolitik: "Facebook ist eine Firma ohne Eigenschaften" |
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Die sind aber meistens beleidigend oder einfach nur bashing
Naja in der Praxis machts aber keinen Unterschied oder liest du jeden Tag aufm Bolzplatz...
Was ist das eigentlich für ne "Trollerei auf FB" von der ihr immer redet?
Und ich kenne einige Leute, die nichtmal Internet haben und froh und zufrieden leben...