LKA Hessen: Polizei nach rechten Chats betroffen
Hessens Innenminister Beuth setzt auf Selbstreinigungskräfte gegen Rechtsextreme in der Polizei. Manche Polizisten sehen jedoch kein Problem.

Nach rechtsextremen Chats bei der Polizei und den NSU-2.0-Drohschreiben mit Informationen aus Polizeidatenbanken setzt der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) auch auf die Selbstreinigungskräfte innerhalb der eigenen Reihen bei den Sicherheitskräften.
"Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission ist sehr wertvoll für uns", sagte Beuth der Deutschen Presse Agentur (dpa) in Wiesbaden. Die darin enthaltenen mehr als 100 Empfehlungen würden auch überwiegend umgesetzt. "Wichtig ist aber, dass der Prozess in der Polizei fortgesetzt wird", betonte der Innenminister. "Es ist wichtig, dass die Polizei diesen Auftrag nicht nur erfüllt, sondern sich zu eigen macht." Im Juni wurde das SEK Frankfurt aufgelöst, nachdem Ermittlungen zu Kinderpornografie rechtsextreme Chats aufgedeckt hatten.
Eine Forderung der Experten war, innerhalb der Polizeiorganisation offener über das Fehlverhalten in den eigenen Reihen zu berichten und dabei "Ross und Reiter" zu nennen. Das werde über eine Vielzahl von Transparenzveranstaltungen von der Stabsstelle im Innenministerium zur Umsetzung der Empfehlungen bereits sehr erfolgreich erfüllt, berichtete Beuth. "Es gibt in der Truppe gerade ganz viele wichtige Aha-Effekte. Nach meinem Eindruck sind wir auf einem guten Weg."
Wegen der laufenden Ermittlungsverfahren sei es zunächst nicht ganz einfach gewesen, Transparenz herzustellen, sagte der Leiter der Stabsstelle, Felix Paschek. Weil nur wenige genau wussten, um was es bei den Chats konkret geht, habe es in den Reihen der Polizei viele Gerüchte gegeben.
"Bei unseren Transparenzveranstaltungen geben wir den Kollegen wichtige Einblicke in die Ermittlungen und die konkreten Vorwurfslagen. Dies hat uns die Staatsanwaltschaft für diesen Zweck dankenswerterweise ermöglicht." Dort seien dann konkret die Inhalte und Bilder gezeigt worden, die sich die betroffenen Polizisten über einen längeren Zeitraum hin und her gesendet haben.
Große Betroffenheit innerhalb der Polizei
"Die Reaktionen waren dann meistens Stille, große Betroffenheit und Kopfschütteln", sagte der langjährige Polizist. "Das Unverständnis war teils richtig spürbar, dass sich Polizeibeamte, die mit beiden Füßen auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen müssen und aktiv dafür eintreten sollen, solche Dinge zugesendet haben."
Mehr als 5.000 Beschäftigte seien durch diese Treffen in teils großen Hallen mittlerweile erreicht worden, berichtete Paschek, der Vize-Präsident des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) ist. Alle Polizeibehörden im Land seien daran beteiligt gewesen. Ein Follow-up im Rahmen von Transparenzgesprächen in einem kleineren Rahmen mit jeweils bis zu 15 Kollegen seien der nächste Schritt. "Wir möchten allen Beschäftigten die Gelegenheit geben, über die Inhalte aus den Chats Kenntnis zu erlangen."
Bei den Veranstaltungen sei es gerade auch um eine Sensibilisierung für den Rechtsextremismus und dabei vor allem das Vorgehen der "Neuen Rechten" gegangen. Die in den Chats verbreiteten Inhalte seien Teil einer bewussten Kommunikationsstrategie von Rechtsextremisten. "Dessen muss man sich einfach bewusst sein", betonte Paschek. "Wenn man solche Dinge aufgreift und weiterschickt, macht man sich zum Handlanger von Rechtsextremisten. Da werden menschenverachtende Inhalte mit Smileys versehen und in einen pseudo-satirischen Kontext gestellt."
Nicht alle Polizisten finden rechtsextreme Inhalte schlimm
Das Feedback aus der Belegschaft zu den Veranstaltungen sei überwiegend positiv, erklärte der Leiter der Stabsstelle. Es gebe aber auch vereinzelte Stimmen, die infrage stellten, ob die verbreiteten Bilder, bei denen es zum Teil auch um Frauenfeindlichkeit und Sexismus sowie Beleidigungen und Diffamierungen von Menschen mit Behinderungen und Minderheiten geht, so furchtbar schlimm seien. "Deshalb ist das alles ein intensiver Prozess." Da aber alle Kollegen eine ausführliche Antwort auf ihre Rückmeldungen bekämen, sei in der gesamten Polizei ein breiter Diskussionsprozess angestoßen worden.
"Dieser Aha-Effekt ist genau die richtige Grundlage, um in einen selbstkritischen Diskurs einzusteigen: Wie wollen wir sein als Polizei? Wo sehen wir uns? Wo müssen wir uns selbst ändern?", sagte Paschek zu den Plänen für ein neues Leitbild bei der hessischen Polizei. Dabei sei entscheidend, dass alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die Möglichkeit bekommen, sich in diesen Prozess einzubringen. "Nur so kann es dann auch im Polizeialltag gelebt werden."
Das derzeitige Leitbild der hessischen Polizei sei zwanzig Jahre alt. Themen wie der Datenschutz oder die Diversität seien dabei noch wenig berücksichtigt worden. Das neue Leitbild solle ein "moralischer Kompass" sein, erklärte Paschek. "Das darf dann aber nicht gleich wieder in der Schublade verschwinden, sondern muss nachhaltig in der Organisation verankert werden."
Seehofer verhinderte Studie zu Rassismus in der Polizei
Auf Bundesebene hatte Innenminister Horst Seehofer im vergangenen Jahr eine geplante wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus und Rechtsextremismus bei der Polizei jedoch aktiv verhindert. Einer entsprechenden Studie erteilte Seehofer eine klare Absage: "Keine Rassismus-Studie in der Polizei". Statt eine Untersuchung in Auftrag zu geben, erklärte er, dass 99 Prozent der Polizistinnen und Polizisten auf dem Boden des Grundgesetztes stünden. Wissenschaftlich hinterfragt werden sollte die Aussage jedoch nicht.
Gestoppt wurde die Untersuchung aufgrund der Black-Lives-Matter-Bewegung und einer öffentlichen Diskussion um Rassismus bei der Polizei. Die Studie sei derzeit "politisch nicht opportun" heißt es in internen Dokumenten des Bundesinnenministeriums. Stattdessen wurde eine Studie zu "Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten" in Auftrag gegeben.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Ich bin ja selber regelmäßig fasziniert davon, dass in diesem Umfeld *so ein* Leitbild...
kwT
Sehe ich zu 100% auch so. Problem nur: wenn du mal siehst, was Polizisten so täglich an...
Oh, die Selbstreinigungskräfte innerhalb der Polizei funktionieren sehr gut wenn es um...