Flexibilität muss nicht immer sein
Selbst wenn sich keine unmittelbaren Kosteneinsparungen ergeben, bliebe immer noch das Argument der Flexibilität. So ermöglicht Open Networking schließlich die Ausführung weiterer Software auf dem Switch. Doch benötigt man das wirklich und ist das sinnvoll? Use-Cases sind schwierig zu finden und sehr individuell. Hier hängt es stark vom Unternehmen ab, ob sich aus dieser Möglichkeit auch tatsächlich ein Mehrwert ergibt. Des Weiteren kommt hinzu, dass mittlerweile auch immer mehr traditionelle Hersteller diese Möglichkeit bieten, beispielsweise Juniper mit Junos OS.
Auch der Aspekt des reduzierten Lock-ins gilt begrenzt, insbesondere bei Brite-Box-Geräten. Denn hier ist man auf eine gegenseitige Freigabe oder Zertifizierung durch die Hersteller von Hardware und Netzwerkbetriebssystem angewiesen - die reale Freiheit bewegt sich in engen Grenzen. Selbst ohne diese organisatorischen Fesseln stellt sie die Machbarkeitsfrage: Zwar ließe sich die Hardware noch relativ unbeschwert wechseln, ein Wechsel des Netzwerkbetriebssystems kann jedoch weitreichende Änderungen nach sich ziehen. Die angepriesene Flexibilität von Open Networking relativiert sich so sehr schnell.
Fazit
Eine abschließende Einschätzung fällt schwer. Open Networking ist zweifelsohne ein interessanter Ansatz. Die Entkopplung von Hard- und Software hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Bereichen bereits bewährt. Unternehmen wie Apple zeigen jedoch weiterhin sehr erfolgreich, dass sich auch Consumer-Geräte mit optimierten Bündeln aus Hard- und Software erfolgreich am Markt platzieren lassen. Ob sich das Konzept der Entkopplung auch auf Netzwerkhardware langfristig übertragen lässt, ist aber noch fraglich.
Die angesprochenen Chancen und Risiken sind außerdem immer relativ zu betrachten. Es kommt stark auf das Unternehmen an, ob Open Networking wirklich zu flexibleren und günstigeren Netzwerken führt. Ein vollwertiges Linux-Betriebssystem auf einem Switch hat sicherlich enormes Potenzial, dies gilt es jedoch sinnvoll zu nutzen. Der Betrieb eines Webservers auf dem Switch, "weil es eben geht", ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss.
Eine Entscheidung für oder gegen Open Networking sollte wohlüberlegt sein. Neben rein technischen Gesichtspunkten sollten ebenfalls Faktoren wie Support, Lizenzierung und auch die betriebliche Organisation berücksichtigt werden. Denn wenn der Switch mehr Linux-Server als traditionelles Netzwerkgerät ist, stellt sich schnell die Frage, wer die Administration dieser Geräte übernehmen soll.
Die zentrale Fragestellung sollte deshalb stets lauten, welche praktischen Vorteile man sich tatsächlich von Open Networking erhofft, wobei die Machbarkeit in Teststellungen hinreichend evaluiert werden sollte. Vor dem Hintergrund von regelmäßig gesprengten Projektbudgets (PDF) wäre eine rein monetäre Betrachtung sicherlich zu einseitig. Womöglich nimmt man, aufgrund der erhofften Vorteile, aber auch ganz bewusst höhere Kosten in Kauf.
Dennoch lässt sich von Open Networking auch indirekt profitieren. Immerhin nimmt der Druck auf die etablierten Hersteller zu. Langsam, aber stetig wächst deren Bereitschaft, ihre geschlossenen Systeme für die Bedürfnisse der Kunden etwas zu öffnen. Dies bietet unter Umständen ähnliche Möglichkeiten, wie Open Networking sie verspricht. So könnten am Ende auch jene profitieren, die weiterhin auf traditionelle Netzwerklösungen setzen.
Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts der Hochschule Weserbergland zum Thema "Open Networking". Die Autoren dieses Artikels bedanken sich herzlich für die Unterstützung durch die Kommilitonen Florian Dorenkamp, Mara Gaelings, Yannick Koch, Christian Rose und Jona Stubbe.
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Wahl zwischen White- und Brite-Boxes und beim Support |
Danke, dachte dafür macht man das im Endeffekt.
Nein, Open Networking hat mit OpenWRT, welches auf Soho-Geräte abzielt, nichts zu tun.
Das kann man so nicht sagen. Im normalen Unternehmenseinsatz sind die Netze eher simpel...
korrekt, aber das wird sich ändern.