Warum Zeitpuffer nötig sind
Einer ist das menschliche Bedürfnis nach Pausen, das nichts mit Faulheit zu tun hat. Die deutsche Gesetzgebung sieht bei Arbeit am Bildschirm Pausen als notwendig an. Im Anhang der Arbeitsstättenverordnung steht: "Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die Tätigkeiten der Beschäftigten an Bildschirmgeräten insbesondere durch andere Tätigkeiten oder regelmäßige Erholungszeiten unterbrochen werden."
Was im Großen gilt, gilt auch im kleineren Umfang: Terminketten ohne Zeitpuffer sind anstrengend. Nie darf einer dieser Termine überzogen werden und nichts darf dazwischenkommen, damit die Terminkette funktioniert. Doch Pausen sind nicht nur eine physische Notwendigkeit, sie machen uns diversen Studien zufolge auch produktiver. Bleibt zwischen einem Termin und dem nächsten nicht einmal mehr die Zeit, ein Glas Wasser zu holen, weil ich eh schon zu spät für den nächsten Termin bin, leidet das Arbeitsergebnis.
Natürlich zeigt sich das Fehlen von Zeitpuffern meist nicht so drastisch wie bei der Cerritos - es wirkt subtiler. Aber der Mangel wird bemerkbar werden, sei es durch Erschöpfung oder durch Unkreativität (auch für "einfach mal ausprobieren" braucht es schließlich Zeit) oder andere Symptome.
Der dritte Grund ist ein wirtschaftlicher: Werden Zeitpuffer nicht direkt mit eingeplant - offen oder versteckt -, können Abgabetermine nicht gehalten werden. Gerade unvorhergesehene Verzögerungen können viel Zeit in Anspruch nehmen: Kollisionen von unterschiedlichen Formaten, ungeplante Abstimmungsprozesse und vieles mehr habe ich schon erlebt. Auch ein Produktionsproblem, das gar nichts mit der aktuellen Aufgabe zu tun hat, kann die komplette Aufmerksamkeit binden und zu Verzögerungen führen.
Zeitpuffer sind also notwendig, entsprechend finden sich bei verschiedenen Arbeitsmodellen in meinen Augen Hinweise darauf. Ein Beispiel aus der agilen Szene, mit der ich mich seit mehr als zehn Jahren beschäftige: In den Prinzipien hinter dem Agilen Manifest steht der Satz "Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können." Ein "gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit" ist ohne Zeitpuffer nicht möglich - weil Schätzungen per se ungenau und wir Menschen sind.
Schon Scotty wusste um den Wert von Zeitpuffern
Im Kinofilm Star Trek: Auf der Suche nach Mr. Spock gibt Scotty übrigens ebenfalls zu, dass er seine Schätzungen für die notwendige Zeit zur Erledigung von Aufgaben bewusst übertreibt. Sein Motiv: "Sonst würde ich ja meinem Ruf verlieren, dass ich echte Wunder vollbringen kann." Im Arbeitsleben der Gegenwart dienen Zeitpuffer aber weniger dazu, als Held dazustehen oder wie die Cerritos-Crew noch Zeit für ein paar Drinks zu haben. Sie sind sinnvoll und gut und helfen uns am Ende, unsere Arbeit besser zu machen.
Wir sollten den Zeitpuffer als notwendigen Teil der Arbeit betrachten. Die Frage "Und wie lange brauchst du dafür?" bliebe, aber die zweite Frage, wie lange etwas wirklich dauert, würde für einige wegfallen. Und für andere Menschen entfiele das schlechte Gewissen für den addierten Aufschlag. Das klingt utopisch? Ja, das kann sein - und genau für solche utopischen Ideen gibt es Science-Fiction wie eben Star Trek.
Emanuel Kessler hat als Teenager die linearen Erstausstrahlungen der Serien Star Trek: Deep Space Nine und Star Trek: Voyager mitverfolgt. Seit Anfang des Jahrtausends ist er in der IT tätig. Seit einigen Jahren ist er auch als Dozent und Autor aktiv.
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Lernen von Star Trek Lower Decks: Kein Zeitpuffer, kein Problem? |
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Hier ein direkter Link zu dem Dokument: Global Trends 2040 Bildung geht hoch...
Wurde auch in der TNG Episode Relics (6.4) aufgegriffen https://www.youtube.com/watch?v...
Genau das sage ich ja. Die Frage ist nur, ob man damit langfristig wirklich besser...
Man kann doch aber auch nicht zum Metzger gehen und ein Lachssteak bestellen und der...
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