Leistungsschutzrecht: Vernichtende Kritik an Oettingers Urheberrechtsplänen
"Unbegreiflich", "halbherzig", "hochproblematisch": Die Pläne der EU-Kommission für eine Reform des Urheberrechts stoßen bei der IT-Wirtschaft auf starke Ablehnung. Auch die Verbraucherschützer warnen vor einem EU-weiten Leistungsschutzrecht.

Noch bevor EU-Digitalkommissar Günther Oettinger seine Pläne für ein EU-weites Leistungsschutzrecht vorgestellt hat, hagelt es von verschiedenen Seiten heftige Kritik. Der IT-Branchenverband Bitkom bezeichnete die am Mittwoch veröffentlichten Pläne (PDF) als "halbherzig" und "unzureichend". So sei es nicht sinnvoll, "das in Deutschland gescheiterte Leistungsschutzrecht für Presseverlage zu verschärfen und auf die gesamte EU zu übertragen". Der Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) nannte die Pläne eine "große Enttäuschung". Auch der IT-Verband Eco kritisierte den Entwurf scharf.
Der Entwurf Oettingers sieht vor, dass die Inhalte von Online-Medien 20 Jahre lang geschützt werden sollen. Demnach ist sogar die Verwendung kürzester Textausschnitte (Snippets) oder das Indexieren der Inhalte lizenzpflichtig. Das Leistungsschutzrecht werde die Informationsvielfalt im Internet verringern, "wenn innovative Dienste und Start-ups für die Verbreitung von Online-Nachrichten durch hohe Lizenzkosten und rechtliche Unsicherheiten ausgebremst werden", kritisierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder und fügte hinzu: "Es besteht die Gefahr, dass Suchmaschinen journalistische Texte aus ihrer Suche komplett entfernen. Das Web würde ärmer."
Vorgehen Oettingers "unbegreiflich"
Ähnlich äußerten sich die Verbraucherschützer. "Es kann nicht sein, dass bei jedem Posten, Verlinken, Teilen oder Erstellen eines Bildes, Videos oder Textes die Gefahr besteht, abgemahnt zu werden. Diese massive Rechtsunsicherheit muss dringend abgeschafft werden", sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Kein Verständnis für Oettingers Pläne zeigte auch Eco-Vorstand Oliver Süme: "Es ist unbegreiflich, dass nach der deutschen Bundesregierung nun auch die Europäische Kommission diesen Irrweg beschreiten möchte. Es ist noch untertrieben zu sagen, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger habe sich in den vergangenen drei Jahren in Deutschland nicht bewährt."
Darüber hinaus kritisierten die Branchenverbände weitere Punkte des Entwurfs. Laut Eco ist es "hochproblematisch", dass Hostprovider verpflichtet werden sollen, Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern abzuschließen und Content-ID-Systeme zu installieren. Dadurch würden kleine, innovative Firmen oder Startups benachteiligt. Anders als große Anbieter wie Youtube verfügten sie nicht über ausreichende Verhandlungsmacht gegenüber Anbietern oder über finanzielle Mittel, um Content-ID-Systeme zu entwickeln.
Text- und Data-Mining nicht nur für Forschung
Nach Ansicht des Bitkom ist es unzureichend, künftig lediglich die Anbieter von IPTV beim Einkauf von Ausstrahlungsrechten den Kabelnetzbetreibern gleichzustellen. Andere Anbieter wie Zattoo, Magine oder TV-Spielfilm würden davon nicht profitieren. "Alle Fernsehanbieter im Internet sollten gleichbehandelt werden und von einem zentralen Rechteeinkauf profitieren", sagte Rohleder.
Unzufrieden ist der Branchenverband mit den vorgesehenen Einschränkungen für Text- und Data-Mining. So erlaube der Entwurf solche Datenanalysen ausdrücklich nur Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung. "Eine spezielle Regelung für bestimmte Anwendungen kann im Umkehrschluss heißen, dass alle anderen Datenanalysen im Web einer Einwilligung durch die Urheber bedürfen", sagte Rohleder. Das würde zum Beispiel viele Unternehmen und vor allem Start-ups treffen, die innovative Big-Data-Anwendungen oder Suchtechnologien anböten.
Themen werden vermisst
Sowohl die IT-Wirtschaft als auch die Verbraucherschützer vermissen darüber hinaus bestimmte Themen in Oettingers Entwurf. "Anders als versprochen, soll das Geoblocking bei digitalen Inhalten offenbar nicht gänzlich abgeschafft werden", monierte vzbv-Vorstand Müller. Nach Ansicht des Bitkom hat es die EU-Kommission "vollständig versäumt", einheitliche Regelungen zu urheberrechtlichen Abgaben vorzuschlagen. "Für Verbraucher ist das System völlig intransparent", sagte Rohleder. Die Urheberrechtsabgaben stammten aus den 1960er Jahren und seien für die digitale Welt völlig ungeeignet.
Nach Ansicht des Eco verpasst die Kommission mit ihrem Vorschlag "eine große Chance", das Urheberrecht zukunftstauglich zu machen. "Das neue Urheberrecht verfehlt seinen Sinn und Zweck. Es soll Schutzlücken schließen, die nicht existieren und Probleme lösen, die Rechteinhaber durch ihre träge Reaktion auf die digitale Revolution selbst verursacht haben", sagt Süme. Der Bitkom hofft darauf, dass die kritisierten Punkte in den anstehenden Beratungen im EU-Parlament "im Sinne innovationsfreundlicher Lösungen korrigiert werden".
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Passend wäre, wenn das LG Hamburg vorsorglich eine Baugenehmigung für 2 zusätzliche...
Wieso Rechtsunsicherheit? Wenn ein derartiges Leistungsschutzrecht aktiv wird, gibt es...
Hast Du den Artikel nicht gelesen oder nicht verstanden? Oettinger arbeitet ja FÜR die...
ok muss mich wiederholen es ist kein leistungschutzrecht, es sind keine...