Der Google-Masochismus der Verlage
Gerade die Argumentation in den Wettbewerbsklagen führt das Argument der Verlage ad absurdum, von den Suchmaschinen wie Google "ausgebeutet" zu werden. Sobald Google die angebliche Ausbeutung nur ein bisschen reduzierte, schrien sie Zeter und Mordio und sahen darin eine Diskriminierung. Aus Wettbewerbsgründen wäre es Google gar nicht möglich, die "Ausbeutung" zu vermeiden.
Die Verlage verhalten sich daher wie ein Masochist, der sich öffentlich über die Schläge seines Peinigers beschwert, gleichzeitig aber verlangt, dass der Peiniger weitermacht und gesetzlich verpflichtet wird, ihm auch noch Geld dafür zu bezahlen. Das ist kein Fall für den Urheberrecht, sondern für den Psychiater. Mit Hilfe des Leistungsschutzrecht lässt sich das Grundproblem für die Verlage, die Marktmacht Googles bei Suchmaschinen und Anzeigen, nicht lösen.
Mögliche andere Ziele, wie die generelle Verdrängung von Newsaggregatoren oder der Aufbau einer europäischen Google-Konkurrenz á la Qwant, werden von den Verlagen nicht offiziell genannt. Dabei würden sie zumindest rational verständlich machen, worum es eigentlich geht.
Diese ganzen Implikationen stehen selbstredend nicht im Gesetzestext, über den am Donnerstag abgestimmt wird. Sie könnten aber in einer Evaluierung des deutschen Leistungsschutzrechts durch das Bundesjustizministerium stehen, die Union und SPD im Koalitionsvertrag 2013 vereinbart hatten. Weil das Ministerium diese Evaluierung schlichtweg verweigert, können die negativen Erfahrungen aus Deutschland von Verlegern einfacher weggewischt werden. Doch die Europaabgeordneten sollten schon wissen, worauf sie sich da einlassen.
Artikel 13, Uploadfilter
Erfahrungen auf Länderebene mit den Vorschlägen des Artikels 13 gibt es nicht. Mit dem Artikel soll die sogenannte Wertschöpfungslücke (Value Gap) zwischen Rechteinhabern und Plattformen geschlossen werden. Nach Ansicht von Rechteinhabern und Verwertern werden sie nicht ausreichend für die Nutzung ihrer Inhalte auf Plattformen entschädigt. Voss schlägt daher vor, dass alle Online-Plattformen, auf denen Nutzer Inhalte teilen können, Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern abschließen müssen - vorausgesetzt, dass der Rechteinhaber dies verlangt und Lizenzen verfügbar sind. Ohne solche Vereinbarungen müssen die Plattformen sicherstellen, dass die nichtlizenzierten Inhalte nicht beabsichtigt oder unbeabsichtigt von Nutzern hochgeladen werden. Ausnahmen sind beispielsweise für Online-Enzyklopädien wie Wikipedia vorgesehen, aber möglicherweise nicht für Datensammlungen wie Wikimedia Commons.
Es ist aber völlig utopisch, dass alle Plattformen, die unter Artikel 13 fallen, mit allen relevanten Rechteinhabern Lizenzvereinbarungen abschließen. Schließlich wollen die Plattformen wie Flickr, Instagram oder Pinterest in der Regel gar nicht, dass Nutzer fremde und urheberrechtlich geschützte Fotos hochladen. Die neue Regelung würde aber bedeuten, dass die Plattformen für jeden Verstoß sofort haftbar gemacht würden, wenn sie keine Infrastruktur bereitstellen, die das Hochladen verhindert.
Für kleine Plattformen kaum zu leisten
Was für große Anbieter finanziell oder technisch vielleicht noch zu leisten wäre, stellt kleinere Anbieter vor unlösbare Probleme. Sie können weder pauschale Nutzungsverträge mit allen Lizenzinhabern abschließen noch die Filtersysteme installieren und pflegen. Zumal bezweifelt werden darf, dass solche Systeme zuverlässig funktionieren und nicht Inhalte blockieren, die rechtlich zulässig sind.
Kleinere Anbieter stehen künftig vor der Wahl: Entweder sie riskieren eine sofortige Abmahnung, sobald ein Nutzer einen geschützten Inhalt hochlädt, oder sie müssen die erforderliche Filtertechnik bei einem größeren Anbieter einkaufen und sämtliche Inhalte ihrer Nutzer zunächst von einem Drittanbieter durchleuchten lassen. Der Chaos Computer Club (CCC) warnte daher: "Für die datenhungrigen Dauerwerbe-Plattformen wären die Filter also ein Geschenk des Himmels: Ihnen würden die wenigen verbliebenen Konkurrenten aus Angst vor der Rechtsunsicherheit schon in den Upload-Formularen sämtliche hochzuladenden Inhalte zur Kontrolle weiterleiten. Ein Leben ohne Google und Facebook würde damit unmöglich."
Nur Parlament kann Pläne wohl noch stoppen
Dies alles steht am Donnerstag zur Abstimmung. Das Parlament hat die Möglichkeit, dem ganzen Text zuzustimmen oder ihn komplett abzulehnen. Ein positives Votum würde nicht bedeuten, dass die Pläne eins zu eins umgesetzt würden. Sie wären nur die Basis des Europaparlaments für die anstehenden Trilog-Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Da sich diese beiden Institutionen bereits für das Leistungsschutzrecht und Uploadfilter ausgesprochen haben, dürften beide Konzepte nicht mehr infrage stehen. Da es sich bei der Urheberrechtsreform jedoch nur um eine Richtlinie handelt, müssen die Mitgliedstaaten deren Umsetzung selbst ausgestalten. Italiens Vizeregierungschef Luigi Di Maio hat bereits angekündigt, die Pläne so nicht umsetzen zu wollen, was ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich ziehen würde.
Nur bei einem ablehnenden Votum könnten beide Konzepte zumindest im Europaparlament noch einmal neu diskutiert werden. Sollten dann andere Konzepte beschlossen werden, müsste das Parlament diese in den Trilog-Verhandlungen durchsetzen. Die Lobbyschlacht der vergangenen Tage hat gezeigt, dass der unschöne und häufig unsachliche Streit dann vermutlich über Wochen und Monate weitergehen wird.
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Leistungsschutzrecht/Uploadfilter: Worüber das Europaparlament wirklich abstimmt |
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Der Vergleich wäre richtiger, wenn die Videoplattform, die eine Abogebühr verlangt, nur...
Das wärs eigentlich noch: die Uploadfilter dann mit einer automatischen Abmahn-Maschine...
Es gibt Berichte von Leuten die bei Youtube in dem Musikpool sind und erlauben, dass...
Bester Teil: "Die Verlage verhalten sich daher wie ein Masochist, der sich öffentlich...