Google warnt vor Zwei-Klassen-Internet
Die größte Sorge, die die Verlage nach einer erfolgreichen Einführung des Leistungsschutzrechtes noch umtreiben dürfte, wäre daher die Frage, ob sich Google nach jahrelanger Weigerung doch noch dafür entscheidet, Lizenzen zu bezahlen. Google-News-Chef Richard Gingras schloss kürzlich in einem Interview mit der FAZ (Paywall) nicht aus, den Dienst - nach dem Vorbild Spaniens - in weiteren Ländern zu schließen. Ähnlich äußerte er sich in der vergangenen Woche in einem Blogbeitrag.
Zudem sprach Gingras etwas wolkig von einem drohenden Zwei-Klassen-Internet. Dieses könnte dadurch entstehen, dass Internetdienste nur für ausgewählte Medien eine Lizenz bezahlen wollten. "Unser Bedenken in Bezug auf den Artikel 11 in seiner jetzigen Fassung ist, dass Nachrichtenplattformen und Suchmaschinen Lizenzen einführen und so darüber entscheiden müssen, ob Inhalte in die Suchergebnisse aufgenommen werden oder nicht", sagte Gingras. Sollte die Urheberrechtsrichtlinie in der vom Europaparlament beschlossenen Fassung umgesetzt werden, "wären wir in der unangenehmen Lage zu entscheiden, was wir einbeziehen und was nicht, was wir lizenzieren und was nicht; wir denken, dass damit ein Zwei-Klassen-Internet geschaffen würde, in dem einige Teilnehmer benachteiligt werden".
Google will Ranking nicht ändern
Diese benachteiligten Medien wären nach Ansicht von Gingras kleine Verlage und neue Anbieter, während große, etablierte Verlage begünstigt würden. Wozu sicherlich auch die interviewende FAZ gehören dürfte. Diese stellte Gingras später eine etwas missverständliche und gleichzeitig entlarvende Frage: "Würden Sie denn zum Beispiel die Art des Rankings bezahlter Artikel im Gegensatz zu unbezahlten Artikeln ändern, falls Sie sich mit den Gesetzgebern auf eine Version des Artikel 11 einigen könnten?"
Zunächst fällt auf, dass mit "bezahlten Artikeln" offenbar nicht solche gemeint sind, die sich hinter einer Leser-Paywall befinden. "Bezahlte Artikel" sind nach dieser Logik solche, für deren Indexierung Google eine kostenpflichtige Lizenz bezahlt. Nun scheint die FAZ insgeheim zu hoffen, dass Google die teuer bezahlten "Qualitätsartikel" möglicherweise im Ranking ein bisschen nach oben schiebt und die billigen Gratislizenzen auf die zweite Seite verbannt. Am besten natürlich bei Leser-Bezahlartikeln, die Medien einen weiteren Vorteil vom Leistungsschutzrecht böten.
Komplette Auslistung schwierig
Gingras gibt sich anschließend alle Mühe, solche Überlegungen von sich zu weisen: "Nein, auf gar keinen Fall. Das Ranking basiert immer auf den Merkmalen Qualität und Relevanz. Wir haben unsere Rankings nie zum Vorteil einer bestimmten Kategorie von Publishern oder Publishern mit einer Beziehung zu Google ausgerichtet."
Allerdings ist Gingras' Annahme sehr optimistisch, dass sich Google künftig die lizenzierten Verlage aussuchen könnte. Gerade bei einer harten Variante des Leistungsschutzrechts, das jegliche "digitale" Nutzung lizenzpflichtig macht, müsste Google im Zweifelsfall die nicht lizenzierten Medien komplett auslisten. Hierzu hatte aber das Bundeskartellamt in einem Beschluss festgestellt: "Als kartellrechtlich relevantes Verhalten komme insoweit eventuell eine vollständige Auslistung von Webseiten deutscher Presseverlage aus den Ergebnissen der allgemeinen Suche von Google als Reaktion gerade auf die konkrete Einforderung von Leistungsschutzrechts-Entgelten durch einen oder mehrere Verlage in Betracht - an Stelle der Auslotung und des Rückgriffs auf eine leistungsschutzrechtsfreie und damit unentgeltliche Nutzung. " Wegen seiner Marktmacht könnte Google juristisch dazu gezwungen werden, alle Medien in die Suche aufzunehmen.
VG Media-Zahlungen nicht kürzbar
Außerdem dürfte Google dann kaum daran vorbeikommen, beispielsweise in Deutschland die Lizenzgebühren an die VG Media zu zahlen. Hierbei ist es aber völlig irrelevant, ob eine Suchmaschine sämtliche Verlage überhaupt nutzen will, die von der Verwertungsgesellschaft vertreten werden. Der vom Umsatz abhängige Tarif müsse trotzdem voll gezahlt werden, teilte die VG Media auf Anfrage von Golem.de mit. Google hofft nun darauf, dass zumindest die in Deutschland möglichen Gratislizenzen auch auf EU-Ebene erlaubt werden. Werden nicht gleichzeitig "kleinste Textausschnitte" sowie die digitale Nutzung ebenfalls freigegeben, wie es die Mitgliedstaaten vorschlagen, dürfte das Google wenig nützen.
Möglicherweise kommt es schon am (morgigen) Donnerstag zur letzten Verhandlungsrunde im Trilog-Verfahren zwischen Europaparlament, EU-Kommission und Mitgliedstaaten. Deren Ausgang ist kaum abzusehen, da gerade beim Leistungsschutzrecht (Artikel 11) und bei den Uploadfiltern (Artikel 13) noch kein Kompromiss gefunden wurde. Der IT-Branchenverband Bitkom hält die gesamte Richtlinie derzeit "nicht für entscheidungsreif". Darüber hinaus müssen am Donnerstag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Schlussanträge in dem Verfahren vorgelegt werden, das über die Rechtmäßigkeit des deutschen Leistungsschutzrechts entscheidet (Rechtssache C-299/17).
Wie das Internet nach Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts aussehen wird, ist daher noch völlig unklar. Das liegt auch daran, dass viele Betroffene sich der Diskussion verweigern und behaupten: Wir können noch nichts sagen, solange nichts final beschlossen ist. Doch dann dürfte es vermutlich zu spät sein, um noch Änderungen durchzusetzen und negative Folgen zu verhindern.
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Der Verbraucher zahlt es und es wird vom Einkommen derjenigen abgezogen, die die...
Interessanterweise fallen die Urheber (bzw. die Masse derer) dabei regelmaessig hinten...
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Diese Paywalls sind ja ein eindeutiges Zeichen, dass man den Leser nicht mehr erreichen...