Leistungsschutzrecht: Memes sollen nur noch 128 mal 128 Pixel groß sein
Die Bundesregierung hat einen ersten "Diskussionsentwurf" für das neue Leistungsschutzrecht veröffentlicht. Dieses schränkt nun auch die Nutzung von Pressefotos und Videos für Memes und Vorschaubilder deutlich ein.

Die Bundesregierung will die lizenzfreie Nutzung von Pressematerialien nur noch in sehr eingeschränktem Umfang erlauben. Das sieht ein Diskussionsentwurf des novellierten Leistungsschutzrechts für Presseverleger vor (PDF), der am 15. Januar 2020 vom Bundesjustizministerium veröffentlicht wurde. Der neu formulierte Paragraf 87g des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) schreibt demnach vor, dass die Überschrift einer Presseveröffentlichung, "ein kleinformatiges Vorschaubild mit einer Auflösung von bis zu 128 mal 128 Pixeln" und eine "Tonfolge, Bildfolge oder Bild- und Tonfolge mit einer Dauer von bis zu drei Sekunden" lizenzfrei genutzt werden dürfen.
Nachdem die EU im Frühjahr 2019 ein europaweites Leistungsschutzrecht für Presseverleger beschlossen hatte, müssen die Mitgliedstaaten die Urheberrechtsrichtlinie bis Mitte 2021 umsetzen. Die Bundesregierung will dabei "Teilbereiche dieses Rechtssetzungsprogramms frühzeitig in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren adressieren". Dazu gehören neben dem Leistungsschutzrecht die Regelungen zum Text- und Data-Mining sowie die Wiedereinführung der Verlegerbeteiligung bei Einnahmen aus Verwertungsgesellschaften.
Dabei unterscheidet sich die neue Regelung zum Leistungsschutzrecht in einigen Punkten vom bisherigen deutschen Leistungsschutzrecht, das im vergangenen September vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) für nicht anwendbar erklärt worden war.
Private Nutzung bleibt frei
So gilt das neue Leistungsschutzrecht nicht nur für Suchmaschinen und News-Aggregatoren, sondern für alle "Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft". Zudem wird präzisiert, dass die lizenzfreie Nutzung "einzelner Wörter und sehr kurzer Auszüge einer Presseveröffentlichung" auf jeden Fall die Überschrift umfasst. Eine genaue Zahl von Wörtern wird weiter nicht genannt. Neu sind die genauen Angaben für Vorschaubilder und kurze Ton- und Videoauszüge. Lizenzfrei ist zudem "die private und nicht-kommerzielle Nutzung" durch einzelne Nutzer sowie "das Setzen von Hyperlinks".
Das bedeutet, dass Suchmaschinen wie Google weiterhin in der Lage sein werden, lizenzfrei Presseartikel zu indizieren und deren Überschriften sowie Vorschaubilder anzuzeigen. Die zulässige Größe von 128 mal 128 Pixeln geht sogar über die derzeit von Google genutzte Größe von 100 mal 100 Pixeln auf Google-News hinaus.
Was gilt auf Twitter und Facebook?
Allerdings dürfte es schwierig werden, mit den Einschränkungen beispielsweise Memes auf der Basis von Pressefotos oder Pressevideo zu kreieren. "Die Ausnahmen für kleine Ausschnitte sind absolut weltfremd definiert. 128 x 128 Pixel? Wie zu Atari-Zeiten!", twitterte die frühere Europaabgeordnete und Urheberrechtsexpertin Julia Reda.
Ob diese Einschränkungen auch für Bild- und Tonmaterial gelten werden, das von anderen Urhebern wie Filmproduzenten stammt, ist unklar. Dies müsste im Zusammenhang mit den sogenannten Uploadfiltern geregelt werden. So hatte die CDU vorgeschlagen, dass alle Uploads "unterhalb einer zeitlichen Grenze" von Lizenzgebühren ausgenommen sein sollen.
Nicht von der Regelung betroffen sind hingegen Nutzungen von Presseinhalten, die durch das Zitatrecht gedeckt sind. Allerdings gelten diese Ausnahmen nicht für Dienste wie Suchmaschinen oder Newsaggregatoren. Unklar ist jedoch, ob beispielsweise die "private und nicht-kommerzielle Nutzung" durch einzelne Nutzer eine Veröffentlichung auf Diensten wie Twitter oder Facebook umfasst. Laut Gesetzesbegründung erlaubt ist die "öffentliche Zugänglichmachung einer Presseveröffentlichung im Internet und die Vervielfältigung einer Presseveröffentlichung zu diesem Zweck, soweit sie zu privaten oder nicht kommerziellen Zwecken durch einzelne Nutzer erfolgt". Als "private" Nutzung könnte beispielsweise eine Veröffentlichung in einer geschlossenen Facebook-Gruppe mit wenigen Mitgliedern gelten.
Beschwerden gegen Google zu erwarten
Die geplante Regelung dürfte darauf hinauslaufen, dass Google ebenso wie in Frankreich bei den Suchergebnissen von Verlagen nur noch die Überschriften darstellt, solange die Medien nicht ausdrücklich eine umfassendere Anzeige der Artikelinhalte wünschen. In Frankreich führte das gesetzeskonforme Vorgehen von Google dazu, dass die Verlage eine Beschwerde bei der nationalen Wettbewerbsbehörde einreichten.
Es ist davon auszugehen, dass die deutschen Verlage ebenfalls wieder versuchen werden, kartellrechtlich gegen Google vorzugehen. Allerdings hatte das Bundeskartellamt sich auf die Seite der Suchmaschine gestellt. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: "Im Übrigen wird für eine zulässige Ausübung des Leistungsschutzrechts zu berücksichtigen sein, inwieweit Presseverleger ihr Online-Angebot insbesondere für Suchmaschinen spezifisch aufbereiten (Suchmaschinen-Optimierung)." Die Webseitenbetreiber erlaubten "Suchmaschinen auf diesem Wege die spezifische Nutzung der geschützten Inhalte und sorgen dafür, dass diese Inhalte - einschließlich bestimmter Textauszüge - in hervorgehobener Form möglichst prominent bei der Anzeige der Suchergebnisse erscheinen".
Darüber hinaus fordert das Leistungsschutzrecht wie bisher, die Urheber "angemessen" an einer möglichen Vergütung zu beteiligen. Genauer präzisiert wird die Beteiligung jedoch nicht. Dabei hatte die SPD-Bundestagsfraktion im vergangenen September in einer Stellungnahme gefordert, "dass Defizite des jetzt nicht mehr anwendbaren deutschen Leistungsschutzrechts ausgeglichen werden". Daher müssten Journalisten angemessen an den Erlösen beteiligt werden. "Auch muss dafür Sorge getragen werden, dass ein solches Leistungsschutzrecht nicht dazu führt, dass die großen Monopolanbieter weiter gestärkt werden", sagen die Abgeordneten Florian Post, Marianne Schieder und Jens Zimmermann.
Sie verweisen dabei auf die umstrittene Gratislizenz, die die Verwertungsgesellschaft (VG) Media zwar dem Marktführer Google, aber nicht kleineren Suchmaschinenanbietern erteilt hatte. Zwar hatte die zuständige Aufsichtsbehörde diese Praxis der VG Media für unzulässig erklärt, doch das Verwaltungsgericht München hatte auf ein Urteil verzichtet und stattdessen die EuGH-Entscheidung abgewartet.
Der Diskussionsentwurf sieht jedoch keine Vorkehrungen vor, die es Verwertungsgesellschaften wie der VG Media ausdrücklich untersagt, einzelnen Suchmaschinenanbietern wie Google Gratislizenzen zu erteilen und sie der Konkurrenz zu verwehren. Auch Presseverlagen werden keine entsprechenden Vorgaben für eine Gleichbehandlung gemacht.
Nachtrag vom 16. Januar 2020, 15:13 Uhr
Wir haben den Artikel durchgängig auf Basis des veröffentlichten Diskussionsentwurfs ergänzt.
Nachtrag vom 16. Januar 2020, 18:21 Uhr
Kritik an den Plänen kam umgehend von der Opposition. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner kommentierte auf Twitter den Entwurf mit den Worten: " Ein denkbar unglücklicher Start für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform, ausgerechnet das umstrittene Leistungsschutzrecht vorzuziehen. Das schafft sicher kein Vertrauen für den gesamten Prozess. Etwa ein Geschenk an die Verlegerlobby?"
Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken, ein vehementer Kritiker der Urheberrechtsreform, schrieb: "Besonders absurd ist natürlich, dass Vorschaubilder nur 128 x 128 Pixel groß sein dürfen", und fügte hinzu: "Das, was jetzt vorliegt, ist aber ein schlechter Start."
Die Öffentlichkeit hat zunächst bis zum 31. Januar 2020 die Möglichkeit, den Entwurf zu kommentieren. Details dazu nennt das Justizministerium in einem gesonderten Dokument (PDF).
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ja, das wäre sinnvoll, so hat sich das aber nicht angehört: "Sachen packen, raus hier...
Hat man ja gesehen, wieviel das deutsche Leistungsschutzrecht eingebracht hat. Ich gehe...
Tjaja.. Früher war alles besser. Nehmen wir mal Dezember 2012. Wir hatten noch nicht...
@golem: Ihr braucht unbedingt eine +1 Funktion.