Leistungsschutzrecht: Google soll 900 Millionen Euro an Verlage zahlen
Die Verwertungsgesellschaft Corint Media beharrt auf ihren hohen Forderungen beim Leistungsschutzrecht. Doch Google dürfte kaum darauf eingehen.

Nach Ansicht der Verwertungsgesellschaft Corint Media soll Google bis zu 900 Millionen Euro im Jahr den Verlagen für die Anzeige von Suchergebnissen überweisen. Das sagte der neue Geschäftsführer von Corint Media, Christoph Schwennicke, in einem Interview mit dem Magazin Clap. Schwennicke bezieht sich dabei auf den aktuellen Tarif von Corint Media, der einen Anteil von elf Prozent des Umsatzes für "die öffentliche Zugänglichmachung von Ausschnitten aus Online-Presseerzeugnissen zu gewerblichen Zwecken" vorsieht.
Auf die Frage, welche Umsatzzahlen Googles für die Berechnung zugrunde gelegt werden müssten, sagte Schwennicke: "Das Geschäftsgebaren von Google ist nicht so transparent, dass es genaue Angaben darüber gibt, um welche Summe es genau geht. Wir schätzen: Es geht um bis zu neun Milliarden Euro Umsatz, den Google in Deutschland pro Jahr erwirtschaftet. Wenn das stimmt, dann sprechen wir also von 900 Millionen Euro, die hier für das Leistungsschutzrecht in Rede stehen." Von diesem Geld müssten die Verlage dann ein Drittel an die Urheber weiterreichen.
Elf Prozent kaum durchsetzbar
Der volle Vergütungssatz von elf Prozent darf von Corint Media allerdings nur dann gefordert werden, wenn die Verwertungsgesellschaft sämtliche verlegerischen Online-Angebote in Deutschland vertreten würde. Das ist noch längst nicht der Fall. Zudem müsste Corint Media den Vergütungssatz wohl erst in einem langwierigen Verfahren vor Gericht durchsetzen. Im Streit um das gescheiterte deutsche Leistungsschutzrecht hatte die zuständige Schiedsstelle für Verwertungsgesellschaften beim Deutschen Patent- und Markenamt den Tarif im September 2015 "in seiner gegenwärtigen Form als nicht angemessen" eingeschätzt.
Der Streit konnte nie abschließend geklärt werden, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) das deutsche Leistungsschutzrecht für nicht anwendbar erklärt hatte.
Neuer Hebel durch Kartellrecht
Anders als noch vor mehreren Jahren ist Google aber inzwischen durchaus bereit, mit den Verlagen über Zahlungen zu verhandeln. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Suchmaschinenkonzern tatsächlich elf Prozent seines Jahresumsatzes in Deutschland den Verlagen überweisen möchte. Seit dem Inkrafttreten der neuen Regelung am 7. Juni 2021 hat Google die Darstellung der Suchergebnisse nicht verkürzt, obwohl noch keinerlei Lizenzverträge vereinbart wurden. Das dürfte bedeuten, dass der Konzern auch rückwirkend entsprechende Zahlungen leisten müsste.
Corint Media setzt dabei auch auf das Anfang Januar 2021 beschlossene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Dieses stärkt die Befugnisse der Kartellbehörden bei der Kontrolle marktbeherrschender Digitalunternehmen. Auf Basis dieses Gesetzes untersucht das Bundeskartellamt nach einer Beschwerde von Corint Media bereits das Google-Angebot News Showcase.
Laut Schwennicke hat sich unmittelbar nach Bekanntwerden der Untersuchung Anfang Juni die Gesprächsbereitschaft bei Google geändert. Inwieweit das zutrifft, ist unklar. Denn Google hatte schon Wochen vorher in einem Blogbeitrag seine Verhandlungsbereitschaft erklärt.
Facebook soll Suchmaschine sein
Inwieweit das soziale Netzwerk Facebook bereit ist, die Verlage für die Darstellung von Inhalten durch deren Nutzer zu bezahlen, ist noch unklar. Das Unternehmen hat zumindest angekündigt, lizenzfrei nur noch Überschriften anzeigen zu wollen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob es angemessen ist, von anderen Internetdiensten denselben Tarif wie von Suchmaschinen oder Newsaggregatoren zu verlangen. Schließlich basiert das Geschäftsmodell deutlich weniger auf der Auswertung von Presseartikeln. Laut Schwennicke setzt Corint Media das Angebot von Facebook dem einer Suchmaschine gleich.
Wie das Beispiel Australien gezeigt hat, war Facebook zwischenzeitlich sogar bereit, sämtliche Nachrichtenangebote von seiner Seite zu verbannen. Möglicherweise müssten die Verlage daher wohl kartellrechtlich gegen Facebook vorgehen, um einen sogenannten Kontrahierungszwang durchzusetzen. Auf die Anfrage von Golem.de, ob ein solches Vorgehen geplant ist, hat Corint Media bislang nicht geantwortet.
Nachtrag vom 23. Juni 2021, 16:28 Uhr
Auf Anfrage von Golem.de räumte Corint Media ein, dass der Vergütungssatz in sozialen Netzwerken niedriger ausfallen solle als bei Suchmaschinen. Die genaue Höhe sei aber noch nicht kommunikationsreif. Ebenfalls stehe noch nicht fest, wann der neue Tarif erscheinen solle, der auf Anbieter wie Facebook oder alle anderen Internetdienste angewandt werden solle. "Da dies ein recht komplexes Vorgehen ist, können wir zu diesem Zeitpunkt noch keine zeitliche Schätzung vornehmen", hieß es weiter.
Das Vorgehen Facebooks wird von der Verwertungsgesellschaft als wettbewerbswidrig eingeschätzt. "Beim Vorgehen gegen das Verhalten von Facebook ist zunächst das Bundeskartellamt zuständig. Dieses hat ein Aufgreifermessen und entscheidet selbst, welche Fälle es untersucht", teilte Corint Media mit.
Ein Sprecher von Google sagte auf Anfrage von Golem.de zu den Forderungen: "Wir haben die Gespräche mit deutschen Verlagen in der festen Absicht aufgenommen, eine für alle Seiten gute Lösung und einen angemessenen Preis zu finden. Die bisherigen Treffen sind entsprechend konstruktiv und zielführend. Wir hoffen, dass unser proaktives Gesprächsangebot an die Verwertungsgesellschaft ähnlich aufgenommen wird und sich an dem Gesetz und den angemessenen Realitäten orientiert."
Generell seien Nachrichteninhalte für Google "von sehr begrenztem kommerziellem Wert", nur zwei Prozent der Suchanfragen weltweit bezögen sich auf Nachrichten, und nur ein kleiner Teil davon werde monetarisiert.
"Außerdem schaffen wir mit unseren Produkten einen erheblichen Wert für Verlage. So leitet Google unter anderem jeden Tag Millionen von Nutzer an die Webseiten deutscher Verlage weiter", sagte der Sprecher. Google wolle auch in den Verhandlungen mit Corint Media anstreben, "dass alle Verlage ein für sie angemessenes Angebot erhalten"
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
.. also frage ich mich was die Verlage da wollen. Wenn man auf die News klickt landet man...
Na du vergisst, dass du dir ja auch kein Gesetz gekauft hast, damit Bild dich für die...
Es geht um Google News. Dafür haben sich die Verlage explizit angemeldet. Die Verlage...
"unser veraltetes Geschäftsmodell reicht nicht mehr um unsre gierigen Hälse passend zu...