Zum Hauptinhalt Zur Navigation

Leistungsaufnahme: Effizienz muss man auch wollen

Neue Hardware wird immer effizienter. Auch High-End- Prozessoren und Grafikkarten können sehr sparsam sein. Leider ist das nicht Standard.
/ Martin Böckmann
62 Kommentare News folgen (öffnet im neuen Fenster)
Die Leistungsaufnahme zu reduzieren, ist auch ohne radikale Maßnahmen möglich. (Bild: Martin Böckmann / Golem.de)
Die Leistungsaufnahme zu reduzieren, ist auch ohne radikale Maßnahmen möglich. Bild: Martin Böckmann / Golem.de

Mit jeder neuen Hardwaregeneration ist die Kritik an der Leistungsaufnahme schon vorprogrammiert. Hohe TDP und hohe Temperaturen werden heiß diskutiert, Grafikkarten gerne einfach direkt als Heizlüfter deklariert. Kurz: Es wird mehr Effizienz gewünscht. Doch die ist längst da!

Die Leistung pro Watt steigt sowohl bei den Prozessoren als auch bei den Grafikkarten über die Jahre gesehen stetig an. Durch kleinere Nodes in der Fertigung sowie stetig mehr Transistoren in den Chips ist zwar auch wachsende Leistungsaufnahme bei den High-End-Modellen zu sehen, jedoch steigt die Performance in vielen Fällen mehr, als es die Leistungsaufnahme tut.

Für jeden Chip lässt sich zudem messen, bei welcher Spannung welcher Takt erreicht werden kann und wie viel Strom dabei fließt. Ab einem bestimmten Punkt benötigt man für noch höhere Schaltgeschwindigkeit unverhältnismäßig viel Spannung und damit auch Strom. Das sind dann die berühmten letzten Prozentpunkte , die gerade von Overclockern gerne mal mit einer erheblich höheren Leistungsaufnahme erkauft werden.

Bisher ist der Eco-Modus die Option, nicht die Standardeinstellung

Interessant ist jedoch, was Hersteller daraus machen. Man könnte vermuten, dass gerade in Zeiten von hohen Energiepreisen und gestiegenem Umweltbewusstsein stets die beste Effizienz gewählt wird, statt das Optimum an Performance in den Vordergrund zu stellen. Das ist jedoch nicht der Fall. Flagschiffe sind häufig etwas jenseits der besten Effizienz zu finden, um stattdessen optimale Leistung herauszuholen. Und Sondermodelle wie eine Geforce-Ti oder AMD XT treiben es noch etwas weiter.

Offenbar ist eine höhere Positionierung bei Benchmarks wichtiger als maximale Effizienz. An zwei Beispielen möchte ich jedoch zeigen, dass diese kein Mythos ist und sich problemfrei erreichen lässt. Auch bei vermeintlichen Stromfressern wie High-End-Grafikkarten. In fast allen Fällen lässt sich die Leistungsaufnahme fast halbieren, ohne auf wesentliche Features oder einen Großteil der Performance verzichten zu müssen. Ein breites Speicherinterface, viele Recheneinheiten und auch AI-Beschleuniger lösen sich nicht in Luft auf, nur weil sie etwas weniger Strom zur Verfügung haben.

Als die AMD-Ryzen-7000-Prozessoren am 27. September vorgestellt wurden, waren die auf 170 Watt gestiegene TDP sowie ein PPT (Package Power Target) bis zu 230 Watt ein großer Kritikpunkt. Die Temperaturen mit häufig bis zu 95° C nähren die Kritik weiter. Dass AMD jedoch explizit einen Eco-Modus anbietet, der die TDP auf 65 Watt begrenzt, ist offenbar entweder unbekannt oder nicht gewünscht. Mittlerweile muss dabei nicht mal mehr der Umweg über das UEFI gegangen werden.

Sofern das UEFI aktuell und die Prozessorfirmware aktuell ist (AMD ComboPI 1.0.0.3A), kann der Eco-Modus auch unter Windows im Ryzenmaster mit einem Klick aktiviert werden. Schon sind sowohl 95° C unter Last als auch 170 Watt TDP Vergangenheit. Dabei ist der Prozessor weiterhin schneller als sein direkter Vorgänger mit gleicher Kernzahl.

Gleiche Performance, halbe Leistungsaufnahme

In unserem Test zum AMD-Ryzen-9-7950X haben wir alle Anwendungsbenchmarks testweise auch einmal mit einem von 230 auf 142 Watt reduzierten PPT durchgeführt. Dabei lag der Performanceverlust selbst bei Last auf allen Kernen im einstelligen Prozentbereich. Wohlgemerkt bei einer Einschränkung der maximalen Leistungsaufnahme von rund 62 Prozent. Bei Intel-Prozessoren lassen im UEFI ebenfalls solche Einstellungen vornehmen, auch hier steigt die Effizienz deutlich, während gerade die für Spiele wichtige Single-Thread-Performance kaum darunter leidet.

Mit solchen Einstellungen lässt sich bei trotzdem gestiegener Performance die Steigerung der Leistungsaufnahme im Vergleich zu vergangenen Generationen komplett zurückschrauben.

Kommen wir zum nächsten Stromfresser, den Grafikkarten: In meinem privaten Gamingsystem hat im vergangenen Sommer eine Nvidia Geforce RTX 2080 Ti ihren Dienst verrichtet. Um den Rechner auch bei Raumtemperaturen jenseits der 40° C leise und nicht allzu warm zu betreiben, habe ich das Powerlimit per MSI-Afterburner so eingestellt, dass im Gamingbetrieb nur noch etwa 170 Watt maximal aufgenommen wurden.

Die Performance in Spielen habe ich dabei einfach mit dem Ingame-Frame-Counter im Auge behalten. Wo vorher etwa 85 fps im Microsoft Flight Simulator erreicht wurden, waren es nun noch etwa 70, also eine Reduktion der Performance um 21 Prozent. Wohlgemerkt gerade in einer solchen Simulation beides sehr spielbare Bildraten. Auch bei den Grafikkarten zeigt sich also, je nach Titel lässt sich die Effizienz mit wenigen Handgriffen erheblich steigern.

Wir sollten die Optionen zur Effizienzsteigerung zukünftig stärker nutzen, wo immer dies möglich ist. Außerdem sollte die Kritik an den Herstellern wieder konstruktiver werden. Der Eco-Modus könnte durchaus die Standardeinstellung werden, wenn dieser Wunsch von der Mehrheit der Anwender getragen wird. Wer dennoch maximale Leistung benötigt, kann diese schließlich jederzeit aktivieren.

Auch wir als Journalisten können den Fokus mehr auf diesen Bereich richten. Falls sich Performance pro Watt in Benchmarks als wichtiger Faktor etabliert, wird auch der Fokus der Hersteller dem folgen.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).


Relevante Themen