Kult-Anime startet bei Netflix: Realversion von Cowboy Bebop ist ein wilder Genre-Mix

Wie alle Streamingdienste versucht auch Netflix, auf bekannte Marken zu bauen. Anders als viele Konkurrenten hat man bei Netflix jedoch keinen Pool an popkulturellen Hits, aus dem man auswählen könnte. Vielmehr muss man entweder Popkultur selbst erschaffen (wie mit Stranger Things) oder Neues erwerben. Da man bei Netflix mit Animes großen Erfolg hatte, kam so die Idee zustande, Cowboy Bebop als Realserie umzusetzen. Start ist am 19. November.
Der originale Anime debütierte im Jahr 1998 und brachte es auf eine Staffel mit 26 Folgen, die 2003 auch nach Deutschland kam und seinerzeit bei MTV lief. Nach dem Ende der Serie gab es 2001 noch einen Zeichentrickfilm, der ins Kino kam. Seitdem hat sich Cowboy Bebop echten Kultstatus erarbeitet und weltweit eine große Fangemeinde gewonnen(öffnet im neuen Fenster) .
Was ist Cowboy Bebop?
Der Titel ist ungewöhnlich. In der Welt der Serie ist "Cowboy" der gebräuchliche Begriff für einen Kopfgeldjäger. Bebop wiederum ist der Name des Schiffs der beiden Hauptfiguren. Abgeleitet ist er von der Musikrichtung, die Anfang der 1940er Jahre im Jazz den Swing als Hauptstilrichtung ablöste und somit den Ursprung des Modern Jazz darstellt.
Die Serie spielt im Jahr 2071. Im Mittelpunkt stehen Spike Spiegel (John Cho) und Jet Black (Mustafa Shakir). Der eine war früher Auftragskiller eines Syndikats, was sein Partner nicht weiß. Der andere ist ein Ex-Polizist, dem man etwas angehängt hat und der ein paar Jahre im Knast verbracht hat.
Beide sind fähige Cowboys, die im Lauf der Geschichte Unterstützung durch Faye Valentine (Daniella Pineda) erhalten. Sie wurde erst vor zwei Jahren aus dem Cryo-Schlaf geholt und kann sich nicht erinnern, wer sie früher war oder wie ihr Leben aussah. Bis zum Ende der ersten Staffel versucht sie, das herauszufinden.
Während die drei Cowboys ihrem Job nachgehen, muss Spike immer wieder Auftragskiller des Syndikats abwehren. Denn sein ehedem bester Freund Vicious (Alex Hassell) will ihn tot sehen.
Schon im Jahr 2008 versuchte 20th Century Fox, einen Realfilm aus dem Stoff zu machen. Den Segen der Anime-Schöpfer hatte man, mit Keanu Reeves hatte man einen Star, der Spike Spiegel spielen sollte. Aber das Projekt kam nicht vom Fleck. Die Kosten für den Film erschienen dem Studio damals zu hoch.
Der Weg zur Realverfilmung
Ein gutes Jahrzehnt später kündigt nun Netflix an, eine Realverfilmung zu produzieren. Über das Budget ließ man sich nicht aus, die Serie sieht aber teuer aus - und das nicht nur wegen der Weltraumszenen und der Raumschiffe, sondern auch wegen der sehr unterschiedlichen Settings. Sie sind zum Teil vom Anime, zum Teil von großen Kinofilmen inspiriert, aber immer sehr eigen und sehr detailverliebt.
Das Alter von Spike Spiegel und Jet Black wurde für die Realverfilmung nach oben gesetzt. Im Anime sind sie Ende 20, in der Realverfilmung Ende 40. Showrunner André Nemec begründete das bei Syfy Channels so(öffnet im neuen Fenster) : "Wenn man einen Cowboy mit einem gebrochenen Herzen spielt, ist das typischerweise nicht die Geschichte eines Mannes in seinen 20ern. Man ist nicht alt genug, um all den Schmerz in seinem Leben angesammelt zu haben. Mir wurde schnell klar, dass diese Figuren echte Tiefe und Lebenserfahrung benötigten."
Zudem musste man auf das Originalkostüm von Faye Valentine verzichten. Man testete es zwar, es erwies sich aber als unpraktisch(öffnet im neuen Fenster) . Man konnte darin kaum Rückenplatten, Stunt- und Gel-Pads verstecken, die bei Stunts vonnöten sind, in denen man kämpft und stürzt.
Die Schauspieler sind durch die Bank gut. John Cho transportiert die Essenz von Spike Spiegel, Mustafa Shakir hat die bärbeißig-coole Art drauf und Daniella Pineda überzeugt als knallharte Frau, die nach ihrer Vergangenheit sucht.
Die Anime-Folgen haben eine Laufzeit von 24 Minuten, die Episoden der Realverfilmung zwischen 40 und 50 Minuten. Man hat sich dennoch auch von der Vorlage inspirieren lassen. Die erste Geschichte adaptiert die erste Folge der Zeichentrickserie, baut sie aber zugleich aus, indem hier schon Faye Valentine auftaucht. Auch im weiteren Verlauf der neuen Serie werden Anime-Kenner Elemente der Vorlage erkennen - nicht zuletzt den süßen Corgi, der mehr ist, als er zu sein scheint.
Der Hund ist aber längst nicht der einzige Punkt, an dem die neue Serie mit der alten korreliert. Eine Figur, die Fans des Animes vermissen, ist nicht vergessen. Auch mit der VHS-Kassette, die Hinweise zu Fayes Vergangenheit enthält, wird in der Realverfilmung gearbeitet. Besonders cool ist auch der Vorspann. Denn der orientiert sich an der Anime-Serie und ist genauso gestaltet, nur eben mit den realen Figuren. Zudem benutzt man die eingängige Titelmusik des Animes.
Formal und tonal einzigartig
Für den originalen Anime ließen sich die Macher von allerhand Filmen inspirieren. Das haben die Macher der Realverfilmung noch gesteigert, denn Cowboy Bebop ist nicht nur Hard-Sci-Fi mit Raumschiffen und Weltraumtoren, sondern ein Mix unterschiedlichster Einflüsse.
Die Martial-Arts-Einlagen erinnern an Bruce Lee (und Abdul Hakim aus der zweiten Folge an seinen Gegner in seinem Film Mein letzter Kampf), während andere Episoden mit Elementen des Westerns spielen, vor allem des Italo-Westerns. Ebenso gibt es Folgen, die vom Film Noir inspiriert sind. Andere nehmen starke Anleihen beim japanischen Samurai-Film. Die Szenerie ist dabei oftmals in Neonfarben getaucht.
Dazu kommt eine musikalische Bandbreite, die enorm ist. Jazzklänge unterstreichen das Geschehen, einige Passagen erinnern aber auch an das Werk von Ennio Morricone. Russische Volksmusik ist die Inspiration für eine knallharte Passage in der zehnten und letzten Folge der Staffel. Die Einflüsse erscheinen nicht immer homogen, im Rahmen von Cowboy Bebop funktionieren sie jedoch. Sie werden hier zu einem stilistisch variablen Potpourri, das erstaunlicherweise perfekt miteinander harmoniert.
Cowboy Bebop zeigt, wie man einen Anime gelungen als Realversion adaptiert. Damit lässt sich auch ein Publikum erreichen, das grundsätzlich keine Zeichentrickserien anschaut. Bleibt nur die Frage, ob diesem Publikum Cowboy Bebop nicht immer noch viel zu schräg ist. Mainstream ist die Serie in jedem Fall nicht.



