Künstliche Intelligenz: Und der Oscar geht an ...

Wenn eine künstliche Intelligenz ein Drehbuch schreibt, kommt ein Film wie Sunspring dabei heraus. Sein Protagonist: ein Mann, der Augäpfel spuckt.

Artikel von Eike Kühl/Zeit Online veröffentlicht am
Schauspieler Thomas Middleditch in Sunspring
Schauspieler Thomas Middleditch in Sunspring (Bild: End Cue Production)

Die Zukunft ist düster. Massenarbeitslosigkeit ist ein Problem. Junge Menschen müssen Blut verkaufen. So beginnt der Kurzfilm Sunspring. Angesichts der Tatsache, dass es sich um einen Science-Fiction-Film handelt, ist das eigentlich gar kein so schlechter Anfang. Die Idee könnte einem zweitklassigen Drehbuchautor während der Morgentoilette eingefallen sein, als er mal wieder in den Abfluss seiner Hollywood-Existenz geblickt hat.

Aber Sunspring ist kein gewöhnlicher Sci-Fi-Streifen und sein Schöpfer Benjamin auch kein blutspendender Drehbuchautor am Existenzminimum, sondern eine künstliche Intelligenz (KI) - der angeblich "erste automatische Drehbuchschreiber der Welt".

Erfunden haben ihn der Filmemacher Oscar Sharp und der KI-Experte Ross Goodwin für das diesjährige Filmfestival Sci-Fi-London. Anstatt auf ein traditionelles Drehbuch zurückzugreifen, fütterten sie ein neuronales Netzwerk mit den Skripten bekannter Science-Fiction- und Superheldenfilme wie Prometheus, Spider-Man oder Terminator. Der Algorithmus, der sich später selbst Benjamin taufte, analysierte die Dialoge und lernte somit, welche Wörter häufig aufeinanderfolgen und wie Regieanweisungen aussehen. Anschließend spuckte Benjamin sein eigenes Drehbuch für Sunspring aus.

Dreiecksbeziehung im Weltall - oder auch nicht

"Als wir es zum ersten Mal lasen, haben wir uns fast totgelacht", sagt Sharp im Gespräch mit dem IT-Portal Ars Technica, das den fertigen Film auf seiner Website zeigt. Kein Wunder: Benjamins Dialoge sind so zusammenhängend wie die Wahlkampfreden von Donald Trump, also mehr eine lose Abfolge zufälliger Äußerungen als kohärente Konversation.

Sunspring scheint in der Zukunft zu spielen, möglicherweise auf einem Raumschiff, wo drei Personen (eine gespielt von Silicon-Valley-Star Thomas Middleditch) eine seltsame Dreiecksbeziehung führen. Es geht um verlorene Kinder, Menschen, die auf Tischen stehen, und wer möchte, kann auch noch die eine oder andere sexuelle Anspielung erkennen. Die Regieanweisungen bestehen aus Segmenten wie "er steht in den Sternen und sitzt auf dem Boden".

Das klingt bizarr und ist es auch: Selbst wenn Sunspring an einigen Stellen surreal komisch ist, würde den abgehackten und bisweilen auch grammatikalisch falschen Dialogfetzen wohl kaum jemand eine ernste Qualität zusprechen. Dass es der Film auf dem Sci-Fi-London Festival am Ende in die Top 10 geschafft hat, ist dann auch eher der ungewöhnlichen Herangehensweise geschuldet: "Ich gebe ihnen die Bestwertung, solange sie versprechen, dass sie so etwas nie wieder machen", sagte die Jurorin Pat Cadigan, wenn auch vermutlich nicht ganz ernst gemeint.

Die Suche nach der kreativen KI

Überhaupt ließe sich Sunspring leicht als intellektueller Scherz abtun. Aber das Projekt passt in die Zeit, in der das Thema künstliche Intelligenz nicht nur die großen Technikunternehmen beschäftigt und in der Philosophen wie Nick Bostrom vor den kommenden 'Superintelligenzen' warnen.

Vor einigen Wochen schlug ein neuronales Netzwerk von Google zum ersten Mal einen Profispieler im Brettspiel Go, was für ein großes Medienecho sorgte. Schließlich galt Go als ein Spiel, dessen Erfolg sich nicht ausschließlich errechnen lässt, sondern auch auf Intuition basiert. Der Bereich der Sprach- und Musterkennung macht dank KI große Fortschritte und immer mehr Apps und Onlinedienste nutzen die Technik im Hintergrund, um aus großen Datenbanken und den Eingaben der Nutzer zu lernen.

Gleichzeitig gibt es eine wachsende Szene, die versucht, künstliche Intelligenz in erster Linie kreativ einzusetzen. Etwa indem man sie Kunst im Stil der großen Meister malen oder gleich ihren eigenen Stil entfalten lässt. Anderswo dürfen sie neue Drehbücher für die Sitcom Friends schreiben - mit teils lustigen Ergebnissen. Wieder andere lassen sie Rap-Texte verfassen. Und vor kurzem hieß es, der Roman einer KI habe beinahe einen japanischen Literaturpreis gewonnen.

Auch Sunspring ist eine Demonstration kreativer KI. Allerdings eine, die keinem Drehbuchautor, ob nun erst- oder zweitklassig, Angst machen müsste. Wie Jacob Brogan vom Onlineportal Slate richtig schreibt, bleiben nämlich am Ende des zehnminütigen Kurzfilms nicht die verhackstückelten Dialoge in Erinnerung, sondern immer noch deren Interpretation durch die Schauspieler. Erst durch ihre Gestik und Mimik, durch ihre Stimmen bekommt Sunspring überhaupt den Hauch einer Story. Es dürfte deshalb noch dauern, bis eine KI den Oscar für das beste Drehbuch erhält. Für einige Minuten absurden Spaß mit augäpfelspuckenden Menschen aber taugt sie schon ganz gut.

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Menplant 22. Jun 2016

Ohne jetzt ein Beispiel nennen zu können bezweifel ich dass diese Aussage stimmt. Bücher...

Menplant 22. Jun 2016

Wäre Jaden Smith die Messlatte für den Turing Test hätte diese KI wohl bestanden.

Flufflepuff 21. Jun 2016

Oder FunnyBot der Witze generiert :)

v2nc 21. Jun 2016

Was hat das jetzt mit dem Artikel zu tun, hast du den gelesen ? Warum der Script ? Wei...



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