Kryptominer in Anti-Virensoftware: Norton 360 jetzt noch sinnloser
Als wäre Antiviren-Software wie Norton 360 nicht schon sinnlos genug, preist diese nun auch Kryptomining an. Sicherheit bringt das nicht.
Unter Sicherheitsexperten haben Antiviren-Programme keinen besonders guten Ruf, häufig werden sie mit Schlangenöl verglichen: Eine wirkungslose Substanz, mit der Ahnungslosen durch geschicktes Marketing Geld aus der Tasche gezogen wird. Oft genug verhindert derartige Software auch, dass Nutzer das auf ihrem Rechner ausführen können, was sie eigentlich wollen. Abhilfe bei all dem will Norton Antivirus 360 bieten.
Statt ausschließlich auf Marketing und umstrittene Sicherheitsfunktionen zu setzen, ergänzt das Unternehmen seine Software um eine angeblich sichere Kryptomining-Funktion, so zumindest verspricht es das Norton seinen Nutzern. Mit der Neuerung sollen die geneigten Nutzer selbst Ether, die sogenannte Währung der Ethereum-Blockchain, schürfen können.
Nachdem die Anti-Virensoftware also jahrelang durch OEMs ungefragt auf Rechnern vorinstalliert wurde und damit Nutzer einfach nur genervt hat, kommt nun endlich eine Funktion, die sich Kunden gewünscht haben. Oder vielleicht etwa doch nicht? Tatsächlich haben die Antiviren-Systeme von Norton bisher Mining-Software und -Skripte blockiert.
Blockchain ist auch nur Schlangenöl
Angesichts der fragwürdigen Geschäftsmodelle, Schneeballsysteme und Spekulationen ohne jeden realen Gegenwert in der Kryptowährungsszene ist das durchaus nachvollziehbar. Immerhin sind diese Kryptominer oft schlicht Malware, die sich fremde Rechenkapazität aneignet, teilweise sogar in Clouddiensten.
Im Unterschied zu beispielsweise Bitcoin lässt sich Ether aber auf Grafikkarten effektiv minen, wodurch auch Privatpersonen am Mining teilnehmen können. Das macht das System für einige Norton-Nutzer wohl attraktiv.
Nur waren diese teilweise schon mit den Firewall-Einstellungen von Norton überfordert und wollten sich dubiose Mining-Skripte aus dem Internet laden, wie etwa zahlreiche Nachfragen auf Diensten wie Reddit zeigen. Und noch besser: Für alle diejenigen, denen schon mal die Festplatte mit dem vielen schönen Fantasiegeld ohne Backup abgeraucht ist, speichert Norton das nun auch noch direkt in der Cloud.
Aber diesen mit den absoluten Grundlagen von Computersicherheit überforderten Menschen genau das in die Hand zu geben, was sie wollen, zeigt eigentlich nur, dass Norton selbst ein ähnlich dubioses Geschäftsmodell verfolgt wie ein Großteil der Kryptowährungsszene. Das Unternehmen verdient schlicht Geld mit Menschen, die es nicht besser wissen. Schlangenöl eben.
Nichts als leere Versprechungen
Das große Geld werden die Norton-Nutzer mit Mining auf ihren Acer-Plastebombern wohl auch eher nicht machen. Schon gar nicht, wenn die Software nicht bereits als Dreingabe auf einem gekauften Rechner vorinstalliert ist, denn laut der Herstellerwebseite schlägt das Programm Norton 360 in seiner Standardversion mit stolzen 75 Euro pro Jahr zu Buche. Die müssen erst mal wieder herausgeminet werden.
Dabei dürfte die angekündigte Umstellung von Proof-of-Work zu Proof-of-Stake bei Ethereum dem Ether-Mining mit Grafikkarten sowieso schon bald einen Riegel vorschieben. Statt auf stumpfe Rechenleistung setzt Ethereum dann zur Auswahl der Teilnehmer in der Blockchain auf den bereits vorhandenen Anteil daran (Stake).
Im Prinzip ist die Funktion der Mining-Software von Norton also bald schon wieder obsolet - zumindest was Ether angeht. In Zukunft sollen jedoch auch andere Kryptowährungen mit Norton 360 geschürft werden können.
Doch das Mining ist eben nicht umsonst, immerhin fallen dafür Stromkosten an. Und die komplizierten Berechnungen des Proof-of-Work verbrauchen jede Menge Energie. Das ist insbesondere in Ländern mit hohen Strompreisen teuer, sorgt aber vor allem für einen desaströse Umweltbilanz der Kryptowährungen. Damit wird die vermeintliche Sicherheitssoftware auch noch völlig unnötig zum Klimakiller.
Gleichzeitig holt man sich mit Antiviren-Produkten wie Norton 360 nicht selten etliche Probleme auf den Rechner. So blockierte die Software beispielsweise 2019 Windows-Updates, die mit dem sichereren SHA-2-Verfahren signiert wurden.
Ohnehin reißt sogenannte Sicherheitssoftware oft selbst Sicherheitslücken ins System und sorgt so aktiv für Unsicherheit. Allein im vergangenen Jahr gab es etliche Fälle. Und nun folgt mit dem Mining auch noch zuvor eigentlich blockierte Malware als angebliches Feature auf die Rechner unbedarfter Nutzer, die das für nichts brauchen. Denn selbst beim Spekulieren mit Tulpenzwiebeln bleiben am Ende immer noch Tulpenzwiebeln. Bei sogenannten Kryptowährungen bleibt nichts außer der Klimakatastrophe - und Geld für den Schlangenölverkäufer.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).