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Krisenkommunikation: Wenn aus Hektik Ohnmacht und Wut wird

Wenn nichts mehr geht, wollen alle mitreden. Mittendrin: die IT-Fachkraft, die Ruhe zur Problemlösung braucht. Dabei geht es auch anders.
/ Peter Leitner
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Wenn es brennt, muss es schnell gehen. Hektisch sollten Feuerwehrleute aber besser nicht werden. (Bild: Pixabay)
Wenn es brennt, muss es schnell gehen. Hektisch sollten Feuerwehrleute aber besser nicht werden. Bild: Pixabay

So manche (wenn nicht jede) IT-Fachkraft hat es schon erlebt: Ein wichtiges System ist ausgefallen, nichts geht mehr und es gibt nur einen, der helfen kann: man selbst. Eine Lösung muss her, und zwar am besten gestern. Doch der Weg dorthin ist gepflastert mit Problemen - die zu vermeiden wären, wenn drei wichtige Tipps beachtet würden.

Nehmen wir als Beispiel den Ausfall des zentralen Benutzerverzeichnisses einer mittelständischen Firma. Wer das schon einmal erlebt hat, weiß, dass ohne Active Directory oder LDAP firmenweit einfach nichts mehr funktioniert: Kein Mensch kann sich mehr anmelden, Computer können keine zentral abgelegten Einstellungen mehr übernehmen und geben schaurige Meldungen aus wie: "Die Vertrauensstellung zwischen dieser Arbeitsstation und der primären Domäne konnte nicht wiederhergestellt werden."

Vom Zugriff auf E-Mail-Postfächer oder dem Aufbau einer VPN-Verbindung ganz zu schweigen. Das Problem betrifft sofort alles und jeden, der zur Erledigung seiner Arbeit einen vernetzten Arbeitsplatz benötigt.

Der Administrator steht noch nichts Böses ahnend an der Kaffeemaschine, in der Erwartung eines ganz normalen Arbeitstages. Im Support klingelt unterdessen verdächtig oft das Telefon.

Idealfall: Der eine spricht, der andere kümmert sich um die Technik

Hier kommen wir schon zum ersten Punkt, der beachtet werden sollte, wenn etwas ausfällt: Kommunikation und Ausführung sollten unbedingt getrennt voneinander stattfinden. In den besser organisierten Firmen gibt es diese Unterscheidung zwischen dem, der ans Telefon gehen muss, und dem, der sich fokussiert um den Sachverhalt kümmern soll.

Eine mehrschichtige ("Multi-Level") Supportstruktur sorgt dafür, dass die technisch versiertesten Admins mit ihrem Know-how das technische Problem lösen können, während die kommunikativ geschulteren First-Level-Supporter sich um die besorgten Anrufe der Anwender kümmern.

In kleineren, unstrukturierten Teams muss der Umgang mit der Anwenderkommunikation nicht zwingend im Team bleiben - ein firmenintern gut vernetztes und kommunikationsstarkes Pendant aus einer anderen Abteilung zur Verstärkung zu rufen, kann ebenso die gewünschte Erleichterung bringen und dazu beitragen, den Umgang mit der Situation in der Außenwirkung zu professionalisieren.

Die Trennung von Kommunikation und Ausführung ist hierbei auch räumlich zu verstehen: Eine geschlossene Tür gehört unbedingt dazu. Das senkt die Fehleranfälligkeit und schafft die nötige Arbeitsruhe für den Ausführenden.

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Praxis: Überall schrillen Alarmglocken ...

Die Praxis sieht leider meist anders aus. Auch außerhalb der Abteilung schrillen sämtliche Alarmglocken. Schnell ist auch die Geschäftsleitung involviert und jeder möchte mitreden. Alle schauen auf den ausführenden Techniker, der jetzt mit einem geradezu elektrischen Kitzeln unter den Fingern sein Werkzeug dort ansetzt, von wo er es sonst mit größter Vorsicht fernhält: Direkt im Produktivsystem muss er aktiv Befehle ausführen, die sich unmittelbar auf alle Benutzer und alle mit dem Verzeichnis verbundenen Systeme auswirken.

Auch ich habe in meiner Karriere schon öfters in solchem Rampenlicht gestanden, wenn es mal richtig ungemütlich wurde. Ob als externer Techniker des Backupsoftware-Herstellers, als Serviceperson der betreibenden Dienstleisterfirma oder auch als interner Betriebsplaner im Rechenzentrum.

Als was ich aufgetreten bin, war dabei selten wichtig, denn die Leute, die in einer solchen Situation plötzlich mitreden, sind zumeist die gleichen: reihum Menschen, die technisch wie inhaltlich keine Ahnung haben (müssen), da sie einige organisatorische Ebenen über der ausgefallenen Applikation und deren Betreuung sitzen. Und die sich in Zeiten jenseits der Krise kaum für die IT-Fachleute interessieren, in der irrigen Annahme: Erhalten kann jeder.

Die IT-Krise kommt und alle wollen mitreden

In Krisenmomenten sitzen diese Leute noch einem zweiten Trugschluss auf: Alle brauchen im Fehlerfall den Finger am Puls der Techniker und es muss von jedem etwas getan werden, damit alles schnell wieder in Ordnung kommt. Denn natürlich ist in solchen Momenten bei allen der Wunsch groß, möglichst unmittelbaren Einfluss auf das Geschehen auszuüben.

Meiner Erfahrung nach kommen die motivierteren der vorhin erwähnten aufgescheuchten Kollegen im Krisenmodus auf die eindrucksvollsten Ideen, um die Kontrolle an sich zu reißen und sich in der Krise vor dem Management zu profilieren.

Im konkreten Beispiel könnte das etwa der selbstbewusste Wunsch nach dem Aufbau eines neu aufgesetzten AD oder LDAP sein, um ein provisorisches Arbeiten mit einer neuen, provisorischen Verzeichnisstruktur zu ermöglichen.

Käme der Techniker dieser eindringlichen Bitte nach, hätte er im Nachgang noch lange mit den Auswirkungen des Provisoriums zu kämpfen: Wer schon einmal Probleme mit Berechtigungen im Dateisystem (Access Control Lists, kurz ACLs) beheben musste, wird ahnen, dass das spontane Einführen einer Parallelstruktur keine gute Idee ist und schon gar nicht die Problembehebung beschleunigt.

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Das Management will ständig informiert sein

Die Kollegenschaft spaltet sich unterdessen in eine Schar an Wartenden, deren Terminsachen sich unweigerlich verzögern, und engagierte und im Zweifel nicht unbedingt weisungsbefugte Mitleidende, die nur im Aktionismus ihren Frieden finden.

Dazu kommt noch das Management, das seine Ressourcen nutzlos verbrennen sieht und dem Ziel Nachdruck verleiht, dass die Notlage auch ökonomisch verstanden, der Schaden minimiert und der Ausfall rasch behoben wird.

Und das zusätzlich dem Irrtum aufsitzt, es müsse zu jedem Zeitpunkt fürs Management transparent sein, was das technische Problem ist, wie der aktuelle Stand der Bearbeitung ist und bis wann die Funktion, gerne auch erst in Teilen, wiederhergestellt ist. Mittendrin: die versierten Techniker, die jetzt dringend in Ruhe ihren Job machen müssen.

Das alles ist vermeidbar, wenn schon vorher jeder auf seine Rolle im Krisenfall vorbereitet wird.

Vorbereitung ist Trumpf, unabhängig vom Fehlerfall

Dabei empfiehlt es sich wärmstens, Menschen auf Basis ihrer individuellen Fähigkeiten so zu fördern, dass im Fehlerfall jeder in seiner Kompetenz voll aufgehen kann und zugleich das Team gut funktioniert, wenn es drauf ankommt. Wer gut kommunizieren kann, übernimmt die Kommunikation. Und die Techniker können ungestört arbeiten.

Konkret lässt sich das mit einer Kombination aus Teambuilding, Kommunikationstrainings und simulierten Problemstellungen (in einer gut isolierten Testumgebung) erreichen. Entsprechende Angebote für Trainings gibt es bei darauf spezialisierten Firmen oder auch online.

Das lohnt sich auch für die Teammitglieder, denn in der Regel gibt es am Ende solcher Kurse ein Zertifikat, das als Nachweis der Teilnahme auch einen persönlichen Zukunftswert besitzt. Um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen wirklich umgesetzt werden, sollte die Förderung der Teammitglieder vom IT-Leiter wie ein Projekt in den Jahres- und Investitionsplan integriert und auch ähnlich ernst genommen werden. Dazu gehört dann auch, standhaft zu bleiben, wenn - wie es häufig geschieht - anstelle der Fortbildung ein anderes Spontan-Projekt eingeschoben werden soll.

Feste Zeiten für Abgleiche zwischen Technik und Kommunikation

Während die Ausführenden den Fehler beheben können, sind die Kommunikatoren gleich auf mehreren Ebenen gefragt. In allen Katastrophenfällen, die ich bislang miterlebt habe, wurde aus Hektik irgendwann Ohnmacht und aus Ohnmacht wurde Wut. Das ist nicht unbedingt nur als chronologischer Verlauf zu sehen, sondern auch hierarchisch.

Hektik bei den Technikern, Ohnmacht bei den Benutzern und Wut unter jenen Vorgesetzten, die eigentlich gerade ganz andere Dinge geplant hatten. Ganz verhindern lässt sich das nicht, doch die Folgen lassen sich durch geschickte und strukturierte Kommunikation abmildern.

Die Abmilderung ist effektiver, je besser geschult die Kommunizierenden auftreten können. Etabliert man also die vorhin erwähnte Trennung zwischen Ausführung und Kommunikation, ist ein regelmäßiger Abgleich zwischen den beiden Parteien nötig: Hier bietet es sich beispielsweise an, einmal stündlich zu einer festen Minutenzeit ein fünf- bis zehnminütiges Update-Gespräch außerhalb des Büros zu vereinbaren. Das verschafft den Kämpfenden eine kleine Auszeit, spendet dem Ausführenden Kraft und hilft dem Kommunizierenden, in den darauffolgenden Gesprächen wieder einen aktuelleren Stand als Grundlage bieten zu können.

Die Praxis zeigt leider, dass für Katastrophen selten bis gar nicht vorgesorgt wird. Es mag sich komisch anfühlen, sich einen fiktiven Notfall auszumalen - doch es lohnt sich und steigert im Gegenzug die Außenwahrnehmung der IT enorm, sollte es wirklich einmal zum kritischen Ausfall kommen.

Ein Bonus: Fehlermöglichkeiten werden bei sauberer Ausarbeitung des Konzeptes im Voraus begrenzt. Frei nach Murphy(öffnet im neuen Fenster) : Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonstwie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, wird es jemand genau so machen.

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Nach dem Problem ist vor der Aufarbeitung

Ist die Funktion wiederhergestellt, gilt es schon den nächsten Fehler zu vermeiden: Die Rückkehr zur Normalität, als wäre nichts passiert. In manchen - insbesondere technologielastigen - Betrieben hat es sich bewährt, sogenannte Post Mortems zu verfassen, in denen das technische Problem möglichst ausführlich aufgearbeitet wird.

Dabei werden technische Ursachen festgehalten, der Weg der Analyse durch den Techniker genau beschrieben und schlussendlich die Lösung mit möglichen Alternativen und Gründen für die Entscheidung zugunsten der getroffenen Maßnahmen aufgezeigt. Optional können Fallstricke in der Kommunikation aufgezeigt werden.

Natürlich setzt das voraus, dass auf dem Weg durch die Misere ausreichend mitgeschrieben wird. Doch auch das lohnt sich: Mit einem ordentlichen Post Mortem kann der Verantwortliche ans Management herantreten und aufzeigen, dass sich intensiv gekümmert wurde und zumindest aus der Situation gelernt werden konnte.

Wird dann noch ausgearbeitet, wie sich derartige Situationen künftig vermeiden oder abmildern lassen, sollten am Ende alle zufrieden sein.

Peter Leitner(öffnet im neuen Fenster) ist IT-Consultant im Bereich der Infrastruktur und beruflich durch verschiedenste Unternehmen und Kulturen dieser Welt gegangen. Sein Augenmerk liegt - neben der technischen IT - auf der angenehmen Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Menschen mit verschiedenen Perspektiven.

Individuelle Unterstützung zu Themen rund um Job & Karriere gibt Golem Shifoo, ein Service von der Golem Karrierewelt - in 1:1-Videosessions für IT-Profis von IT-erfahrenen Coaches und Beratern.


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