Trauer kreieren, ohne traurig zu sein

Psychologen und Kognitionswissenschaftler versuchen etwa seit den 1960er Jahren, das Phänomen Kreativität zu definieren und messbar zu machen - in jüngerer Zeit sind zudem Hirnforscher auf der Suche nach den biologischen Grundlagen des kreativen Impulses.

Man weiß, dass unter anderem Aufmerksamkeit und Gedächtnis wesentliche Bestandteile des komplexen Vorgangs sind, an dessen Ende ein origineller Gedanke entsteht. Dass die Fähigkeit eine Rolle spielt, vorhandenes Wissen neu zu kombinieren. Oder dass Übung, Stress und sogar die Stimmung beeinflussen, ob und in welchem Umfang jemand kreative Leistungen erbringen kann. Dennoch: Eine umfassende, präzise Antwort auf die Frage, was Kreativität ist, worin sie wurzelt und wie kreatives Denken funktioniert, kann die Wissenschaft bis heute noch nicht liefern. Wie also soll es dann möglich sein, Kreativität oder kreatives Denken in Maschinen nachzubauen?

Auch Colton wird, seit er seinen Painting Fool das erste Mal öffentlich präsentierte, immer wieder gefragt, was genau eigentlich die Kreativität des Programms ausmache. Anhand welcher Kriterien er festmache, warum der Painting Fool kreativ sei. Seine Antwort: Darüber nachzudenken, interessiere ihn nicht. "Ich gehe den indirekten Weg. Ich möchte, dass die Leute kein Argument mehr finden, um zu behaupten, der Painting Fool sei nicht kreativ."

Fähigkeit, Verständnis, Vorstellungskraft

Um das zu erreichen, so Colton, müsse das Programm aber nicht in irgendeiner Weise wirklich kreativ sein. Es müsse in erster Linie drei Aspekten gerecht werden: "Es muss etwas können, es muss eine Art Verständnis vom eigenen Tun und von der Arbeit anderer haben, und es muss so etwas wie Vorstellungskraft entwickeln. Solange diese Dinge nicht vorliegen, ist es unwahrscheinlich, dass der Painting Fool als kreativ anerkannt wird."

Die Philosophin und Informatikerin Margaret Boden vertrat in ihrem Buch The Creative Mind bereits 1990 die Ansicht, es sei weniger relevant, dass Computer wirklich kreativ sind. Die Frage sei eher, ob sie Dinge kreieren können, die Menschen als kreativ anerkennen. Häufig, sagt Colton, höre er beispielsweise, seine Malsoftware sei nicht kreativ, weil ihr die Fähigkeit fehle, Fantasie zu entwickeln und in ihren Bildern Gefühle auszudrücken.

Also programmierte er den Painting Fool so um, dass die Software in der Lage ist, Emotionen zu erkennen und wiederzugeben. Ergebnis war unter anderem das inzwischen recht bekannte Bild Sad (traurig): Es zeigt ein Männergesicht mit grau-verwischten Konturen, die Augen dunkel und ins Leere blickend. Um Mund und Nase zerfließen grau-grüne Linien, wie Tränenbahnen, von einer erschöpften, zitternden Hand gezogen.

Maschinen fehlt die Einschätzung

Colton und sein Team hatten dafür zuvor kurze Videos von Menschen aufgenommen, deren Gesichter deutliche Emotionen zeigten: Freude und Angst, Ekel und Erschrecken, Trauer und Verärgerung. "Die Software sollte die Gesichter nachzeichnen und wir sagten ihr, welche Emotionen sie gerade darstellte. Danach sind es dann recht einfache Modelle, die der Painting Fool nutzt, um selbst Bilder zu malen, die diese Gefühle wiedergeben: Er malt mit leuchtenden Farben und leichten Strichen, wenn er Freude ausdrücken will. Schaut jemand schwermütig, wählt er dagegen Kohle, Pastell- und Grautöne. Es ist gut möglich, dass er sein Spektrum an Emotionen auch noch erweitern kann."

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 Kreative Maschinen: Kunst, ausgerechnet!Wenn Maschinen Menschen mit Kunst berühren 
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GodsBoss 01. Sep 2013

Es bisher keinen einzigen stichhaltigen Beleg dafür, dass Menschen nichts weiter sind als...

Yeeeeeeeeha 30. Aug 2013

Eigentlich meinte ich, dass man beides auch zu einem von einem Menschen geschaffenen...

mimimi 29. Aug 2013

Darüber kann man wohl lange philosophieren. Du hast recht, Kunst interpretiert jeder...

redwolf 28. Aug 2013

Sehr guter, interessanter Artikel http://youtu.be/dqYEp4OQUBI



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