Krankenkassen und Datenschutz: Streit um barrierefreien Zugang zur E-Patientenakte
Die E-Patientenakte soll auch für Menschen ohne Smartphone zugänglich sein, fordert der Datenschutzbeauftragte. Für die Kassen bedeutet das extra Kosten, fünf von ihnen klagen nun.

Der Corona-Expertenrat fordert die Einführung der Elektronischen Patientenakte "mit höchster Priorität". Doch weil fünf Krankenkassen jetzt gegen eine Weisung des Bundesdatenschutzbeauftragten klagen, könnte sich die Einführung weiter verzögern.
Bereits seit letztem Jahr können Versicherte mit ihren mobilen Endgeräten auf ihre Elektronische Patientenakte (ePA) zugreifen und von ihren Arztpraxen bestücken lassen. Das klappt allerdings erst bei einigen Praxen. Nach dem Willen des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber soll letztlich jeder Patient die Akte nutzen können, auch wenn er über kein eigenes mobiles Endgerät verfügt.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte daher im September 2021 in einem Bescheid die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer, die DAK Gesundheit sowie die IKK Classic angewiesen, bis zum 1. Januar 2022 einen barrierefreien und feingranularen Zugriff auf ihre Elektronische Patientenakte zu ermöglichen. Feingranular bedeutet, dass die Versicherten darüber bestimmen können, was sich in ihrer Akte befindet und wer was lesen darf.
Falls Patienten über kein mobiles Endgerät verfügen, könnte ihnen über Gesundheitsterminals in Krankenhäusern oder den Geschäftsräumen der Krankenkassen ein Zugriff ermöglicht werden. Kelber verweist auf die europäische Datenschutz-Grundverordnung, die "gleiches Recht für alle Versicherten" herstellen soll.
Bundesamt sieht keine gesetzliche Grundlage
Das Bundesamt für Soziale Sicherung, die Aufsichtsbehörde für die bundeseinheitlichen Krankenkassen, teilt diese Rechtsauffassung jedoch ausdrücklich nicht. In einem Rundschreiben an die Kassen, das Golem.de vorliegt, schrieb sie: "Wir halten es daher für zwingend erforderlich, dass Sie - schon aus Gründen der eigenen Rechtssicherheit - gegen diese Anweisung gerichtlich vorgehen werden."
Das Bundesamt kann "keine Hinweise erkennen, dass ein Angebot der elektronischen Patientenakte in der gesetzlich normierten Spezifikation gegen geltendes Recht verstößt." Es gebe keine Verpflichtung zu einem barrierefreien Zugang über Gesundheitsterminals. Die Behörde werde die Kassen daher "gerne im weiteren gerichtlichen Verfahren" gegen die Weisung des Bundesdatenschutzbeauftragten unterstützen.
Die Kassen beschreiten nun den Rechtsweg mit einer Klage. Neben den vier angeschriebenen Kassen beteiligt sich auch die Siemens Betriebskrankenkasse (SBK) an der Klage. Bereits im vergangenen Jahr hatten Kassenvertreter behauptet, ein Zugriff für alle sei technisch nicht möglich und rechtlich nicht nötig. Welche Argumentation sie nun in ihrer Klage verfolgen, ist unklar. Mit Hinweis auf das "laufende Verfahren" wollen weder die Kassen, noch der Bundesdatenschutzbeauftragte weitere Angaben machen.
Datenschutzbeauftragter findet Klage "bemerkenswert"
Das Projekt der Elektronischen Patientenakte ist für die Kassen mit erheblichen Kosten verbunden. Die Barmer etwa schätzt, dass das Betreiben der Elektronischen Patientenakte sie jährlich rund 40 Millionen Euro kostet. Ein barrierefreier Zugang wäre mit noch höheren Kosten verbunden.
Ein Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten teilte Golem.de mit, dass den Krankenkassen "selbstverständlich der Weg offen" stehe, sich gegen die Anweisung gerichtlich zu wehren: "Es bleibt allerdings bemerkenswert, dass die Krankenkassen das Geld ihrer Versicherten für ein Gerichtsverfahren einsetzen, um zu verhindern, dass sie eben diese Versicherten gleich behandeln müssen."
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