Ameisen auf dem Gummiband
Wir stellen uns den expandierenden Raum als ein langes eindimensionales Gummiband vor, welches an seinen Enden mit konstanter Geschwindigkeit auseinandergezogen wird. Auf dem Gummiband sitzen zu Anfang des Experiments zwei Ameisen in nur wenigen Millimetern Abstand Kopf an Kopf. Sobald sich das Gummiband zu dehnen beginnt, krabbeln beide Ameisen mit einer konstanten Geschwindigkeit aufeinander zu.
Wenn das Gummiband schnell genug gestreckt wird, werden sich die Ameisen zunächst voneinander entfernen, obwohl sie doch aufeinander zulaufen. Zwar bewegt sich jede Ameise relativ zu ihrem jeweiligen Abschnitt des Gummibandes nach vorne, doch entsteht zwischen ihnen so schnell neuer Raum, dass sich beide Ameisen im Ergebnis voneinander entfernen.
Man kann jedoch nachrechnen, dass der zurücktreibende Effekt des Gummibandes mit der Zeit an Bedeutung verliert und sich die Ameisen doch irgendwann aufeinander zubewegen, bis sie sich schließlich treffen.
Vier gewinnt
Mit diesen vier Konzepten - Blick in die Vergangenheit, Lichtkegel, Urknall und Raumexpansion - haben wir alle Zutaten, um ein einfaches, aber realitätsnahes Modell des Universums aufzubauen.
Da das Universum anscheinend isotrop ist, also in alle Richtungen ungefähr gleich aussieht, werden wir zwei der drei Raumdimensionen ignorieren. Unser Universum besteht also nur aus einer langen Geraden, die den Raum darstellt, und der Zeit.
Zum Zeitpunkt null, direkt nach dem Urknall, ist der gesamte und möglicherweise unendliche Raum mit einem extrem heißen und dichten Plasma gefüllt. Der Urknall findet also nicht an einem Punkt statt, sondern überall gleichzeitig. Woher dieses heiße Gas kommt, wissen wir nicht, da die gesicherten wissenschaftlichen Theorien dazu keine Aussagen treffen. Die Existenz des Urplasmas ist schlichtweg der Ausgangspunkt, den wir als Randbedingung für unser Modell des Universums annehmen müssen.
Mit dem Urknall beginnt der Raum sofort, sich sehr schnell auszudehnen, und das heiße Plasma kann dabei expandieren. Wohlgemerkt ist es nicht so, dass ein kleiner Feuerball aus heißem Gas immer größer wird und dabei irgendeinen leeren Raum auffüllt. Vielmehr ist das Plasma von Anfang an schon überall im Raum verteilt und es kann dadurch expandieren, dass dieser Raum sich gleichmäßig dehnt und folglich dem Plasma an jeder Stelle immer mehr Volumen bietet.
Durch die Expansion kann sich das heiße Plasma des Urknalls abkühlen, so dass der Weg frei wird für die Bildung chemischer Elemente wie Wasserstoff oder Helium. Die Expansion geht auch weiter, nachdem sich schon Sterne und Galaxien aus dem Gas gebildet haben, und sie treibt diese auseinander.
Das beobachtbare Universum
Um zu verstehen, was wir heute beim Blick weit hinaus ins Universum sehen, betrachten wir den Weg zweier Lichtstrahlen, die aus dem frühen Universum zu uns kommen. Diese beiden Lichtstrahlen sind in Bild 5 als orangefarbene Linien dargestellt.
Analog zu den Ameisen auf dem Gummiband beginnen die Lichtstrahlen ihren Weg kurz nach dem Urknall recht nah beieinander und laufen aufeinander zu. Doch zunächst ist die Raumexpansion stärker: Obwohl die Lichtstrahlen sich aufeinander zubewegen, steigt ihr gegenseitiger Abstand immer weiter an, da zwischen ihnen rasant neuer Raum aufquillt.
Erst nach Milliarden von Jahren überwiegt die Eigenbewegung der Lichtstrahlen den Effekt des expandierenden Raumes. Dies gelingt dem Licht, das sich ja mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, interessanterweise auch dann, wenn sich der Raum immer gleich schnell ausdehnt. Für ein intuitives Verständnis dieses Effektes hilft die Beobachtung, dass die relative Entfernung der beiden Lichtsignale verglichen mit der Entfernung ihrer Ursprungsorte stets sinkt, da ja sowohl vor ihnen als auch hinter ihnen gleichermaßen neuer Raum entsteht. Für einen echten Nachweis muss man jedoch ein kleines Mathematikproblem lösen.
So wird allmählich die räumliche Entfernung zwischen beiden Lichtstrahlen wieder kleiner, bis sie schließlich nach einer Reise von über 13 Milliarden Jahren gleichzeitig, aber aus entgegengesetzten Richtungen kommend, auf der Erde eintreffen und von Teleskopen aufgefangen werden.
Von der Erde aus betrachtet passiert hier also etwas äußerst Kurioses: Wenn wir sehr, sehr tief ins All blicken, sehen wir am Ende immer wieder dieselbe kleine Region uralten Weltraums, aus der unser beobachtbares Universum beim Urknall entstanden ist. Oder, aus der umgekehrten Perspektive formuliert: Obwohl der Urknall überall im Raum gleichzeitig stattgefunden hat, hat sich nur aus einer sehr kleinen Region dieses Raumes unser beobachtbares Universum entwickelt.
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Grundkonzept 4: Die Expansion des Raumes | Die ganz großen Fragen |
Und woher weisst du dass das nicht aus einem falschen/unvollstaendigen Verstaendnis...
Die Sache hat ein, zwei Haken: zB. dass sich Galaxien, die sich aus unserer Perspektive...
Sehe ich auch so. Gucke und lese Beiträge zu dem Thema auch seit Jahren wöchentlich...
Interessanter Beitrag und vor allem sehr bildhaft für Deppen wie mich beschrieben, vielen...
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