Grundkonzept 4: Die Expansion des Raumes

Bei der Entstehung und Entwicklung des Universums waren Raum und Zeit nicht einfach eine unveränderliche Bühne, auf der sich das Drama der Materie abspielte. Sie haben vielmehr eine äußerst wichtige aktive Rolle, die von der allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben wird. Gemäß Einsteins Theorie können Materie und Energie die Raumzeit krümmen, was wiederum Auswirkungen auf die Bewegung von Objekten und Strahlung durch den Raum hat. Zur Veranschaulichung wird dies gelegentlich mit einem aufgespannten Gummituch verglichen, welches von schweren Gegenständen verformt wird.

Aus den Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie lässt sich ableiten, dass sich der Raum im Universum nicht nur krümmen, sondern auch ausdehnen kann - ähnlich wie ein Gummituch, das man gleichmäßig an allen Seiten auseinanderzieht.

Sich eine solche Expansion des Raumes vorzustellen, ist nicht einfach, weil das Phänomen in unserer Alltagserfahrung nicht vorkommt. Eine hypothetische, lokal begrenzte Raumdehnung könnte sich beispielsweise so zeigen, dass das Innere eines Hauses viel größer wäre als sein äußeres Erscheinungsbild. Man kann diesen Effekt in einigen Filmen der Harry-Potter-Reihe bestaunen, wobei er dort allerdings durch Zauberei und nicht mit der allgemeinen Relativitätstheorie erklärt wird.

Alternativ kann man die lokale Dehnung eines zweidimensionalen Raumes gut mit einer gekrümmten Oberfläche wie in Bild 3 veranschaulichen.

  • Je tiefer wir ins Weltall blicken, desto weiter schauen wir auch zurück in seine Vergangenheit. Den Mond sehen wir so, wie er vor etwas mehr als einer Sekunde war. Licht von der Kleinen Magellanschen Wolke erreicht uns nach 200.000 Jahren und wir sehen daher immer nur ein entsprechend altes Bild dieser Nachbargalaxie. (Bild: Helmut Linde)
  • Der orangefarbene Bereich wird Lichtkegel genannt. Er enthält alle Punkt in Raum und Zeit, die mit dem Hier und Jetzt prinzipiell eine physikalische Wirkung austauschen können. Die Steigung seiner Begrenzungslinien entspricht der Lichtgeschwindigkeit und damit der höchsten physikalisch möglichen Geschwindigkeit, mit der sich Materie, Energie oder Information fortbewegen können. (Bild: Helmut Linde)
  • Beispiel für lokale Expansion des Raumes: Im flachen Raum links passt nur ein Flachländer in das Haus (schwarzes Rechteck). Rechts krümmt sich der Raum innerhalb des Hauses und expandiert. Obwohl das Haus von außen unverändert erscheint, passen nun viel mehr Flachländer hinein. Dass sich die Blase in die dritte Dimension wölbt, macht es unserer Vorstellung leichter, die Expansion zu verstehen. Die Flachländer können diese dritte Dimension jedoch nicht wahrnehmen.  (Bild: Helmut Linde)
  • Ameisenmodell für das beobachtbare Universum: Zwei Ameisen sitzen nah zusammen auf einem Gummiband (ganz unten) und krabbeln aufeinander zu. Das Gummiband wird im Laufe der Zeit (im Bild nach oben hin) immer weiter gestreckt. Obwohl sich die Ameisen relativ zu ihrer Position auf dem Band ständig vorwärts bewegen, werden sie zu Anfang zunächst ein Stück nach hinten mitgerissen. Je mehr Distanz sie auf dem Band zurücklegen, um so langsamer werden sie nach hinten versetzt, bis sie sich einander tat
  • Der orangefarbene Bereich im Raum-Zeit-Diagramm stellt unseren Vergangenheits-Lichtkegel und damit alle von uns beobachtbaren Ereignisse im Universum dar. Aufgrund der Expansion des Raumes verlaufen die Ränder nicht geradlinig, sondern sie entsprechen den gedachten Kurven durch die Ameisen in Bild 4. (Bild: Helmut Linde)
  • Alle Galaxien bewegen sich von uns weg (gestrichelte Linien). Galaxie A liegt in den äußersten Bereichen des beobachtbaren Universums und wir empfangen Licht, welches sie recht früh nach dem Urknall emittierte. Galaxie B sehen wir so. wie sie 10 Mrd. Jahre nach dem Urknall aussah (Schnittpunkt ihrer gestrichelten Linie mit dem Lichtkegel) und Galaxie C können wir gar nicht beobachten.  (Bild: Helmut Linde)
Beispiel für lokale Expansion des Raumes: Im flachen Raum links passt nur ein Flachländer in das Haus (schwarzes Rechteck). Rechts krümmt sich der Raum innerhalb des Hauses und expandiert. Obwohl das Haus von außen unverändert erscheint, passen nun viel mehr Flachländer hinein. Dass sich die Blase in die dritte Dimension wölbt, macht es unserer Vorstellung leichter, die Expansion zu verstehen. Die Flachländer können diese dritte Dimension jedoch nicht wahrnehmen. (Bild: Helmut Linde)

Flachländer, die in der zweidimensionalen Welt dieser Fläche leben, können den umgebenden dreidimensionalen Raum nicht erkennen, da all ihre Sinneswahrnehmungen, Bewegungen und Interaktionen entlang der Fläche verlaufen. Was wir als eine Blase sehen, die sich in den dreidimensionalen Raum erstreckt, können die Flachländer nur als eine lokale Raumdehnung wahrnehmen.

Wenn wir die Perspektive der Flachländer einnehmen, gelangen wir zu der wichtigen Erkenntnis, dass sich Raum nicht "irgendwohin" ausdehnt. Der zusätzliche Raum ist einfach da und sorgt dafür, dass in einem begrenzten Gebiet mehr Platz ist als vorher. Die Flachländer können ihre gedehnte Oberfläche betreten, vermessen und vielleicht auch mathematisch beschreiben. Aber da sie den umgebenden dreidimensionalen Raum nicht direkt beobachten oder beeinflussen können, ist es für sie keine wirklich relevante Frage, ob und wie sich ihre Blasenfläche in diesen Raum hinein ausdehnt.

Das Weltall dehnt sich aus

In unserem echten Universum findet tatsächlich seit dem Urknall ständig eine Raumexpansion statt - so als würde die Blase in Bild 3 immer größer werden. Doch zum Glück ist die Realität etwas einfacher, als es das Bild mit der Blase vermuten lässt: Für unsere Zwecke können wir uns den gesamten Raum als flach und ohne Krümmung vorstellen. Die lokalen Krümmungen, die durch Sterne und andere massive Objekte hervorgerufen werden, können beim Blick auf das große Ganze vernachlässigt werden.

Außerdem findet die Ausdehnung des Raumes überall gleichzeitig und gleichmäßig statt. Sie ist es, die die Galaxien seit Milliarden von Jahren auseinandertreibt: Der leere Raum zwischen ihnen dehnt sich kontinuierlich aus und so nehmen die Abstände zwischen den Galaxien immer weiter zu.

In gewissem Sinne setzt diese Raumexpansion sogar das physikalische Tempolimit der Lichtgeschwindigkeit außer Kraft: Lokal kann sich an einem Beobachter zwar nie etwas schneller als mit 300.000 km/s vorbeibewegen. Wenn der räumliche Abstand zweier Objekte jedoch sehr groß ist, dann kann dazwischen durchaus so schnell so viel neuer Raum produziert werden, dass sich dieser Abstand in jeder Sekunde um mehr als 300.000 km erhöht.

Und tatsächlich werden Galaxien beobachtet, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit von der Erde entfernen, auch wenn diese Tatsache selbst bei Experten gelegentlich zu Missverständnissen (PDF) führt. Um dieses Phänomen zu verstehen, ist das folgende Gedankenexperiment hilfreich.

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 Grundkonzept 3: Der UrknallAmeisen auf dem Gummiband 
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amagol 22. Mai 2022

Und woher weisst du dass das nicht aus einem falschen/unvollstaendigen Verstaendnis...

Trollversteher 18. Mai 2022

Die Sache hat ein, zwei Haken: zB. dass sich Galaxien, die sich aus unserer Perspektive...

TarikVaineTree 17. Mai 2022

Sehe ich auch so. Gucke und lese Beiträge zu dem Thema auch seit Jahren wöchentlich...

Sportstudent 15. Mai 2022

Interessanter Beitrag und vor allem sehr bildhaft für Deppen wie mich beschrieben, vielen...



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