Paypal zahlt das Geld nicht immer vollständig aus
Golem.de: In den USA klagen Händler auch über den Einbehalt des Geldes nach den 180 Tagen - ist das in Deutschland auch der Fall?
Fritsch: Bei der Kontosperrung schreibt Paypal, dass die Gelder im Rahmen der Sperre einbehalten und die Aktivitäten geprüft werden. Nach spätestens 180 Tagen will Paypal dann eine Entscheidung über die ganze oder teilweise Auszahlung des einbehaltenen Geldes fällen. Eine teilweise Auszahlung bedeutet aber nichts anderes als: Den Rest behalten wir.
Golem.de: Darf Paypal das Geld einfach so behalten?
Fritsch: Das ist eine Rechtsfrage, die man im Einzelfall beantworten muss. Man kann jedoch nicht sagen, dass Paypal das generell nicht tun darf. Wenn Haftungsansprüche im Raum stehen, beispielsweise wenn jemand wirklich Waffen angeboten und dadurch tatsächlich ein Verstoß stattgefunden hat, kann Paypal unter Nennung der konkreten Zuwiderhandlung Geld in der Höhe des voraussichtlichen Schadens einbehalten. Das muss dann aber auch rechnerisch nachvollziehbar dargelegt werden, beispielsweise wenn Ermittlungen stattgefunden haben und im Rahmen dessen Auslagen entstanden sind.
Tatsächlich korrelieren die 180 Tage mit der Zeitspanne, in der Kunden Beschwerden einreichen können. Das heißt, wenn ich heute etwas bestelle und mit Paypal bezahle, kann ich nach 180 Tagen noch ankommen und sagen, der Händler habe falsch oder gar nicht geliefert. In der Zeitspanne besteht also die Gefahr, dass Kunden noch Geld zurückfordern. Dafür soll der Einbehalt nach Aussagen von Paypal bestimmt sein.
Das könnte man zwar grundsätzlich einsehen, aber auch hier muss man im Einzelfall entscheiden und begründen. Beispielsweise wird ein Händler, der seit vielen Jahren ein Paypal-Konto führt und mit wenigen Beschwerden konfrontiert war, wohl eher nicht plötzlich tausende Beschwerden bekommen, die einen Einbehalt sechsstelliger Summen rechtfertigen.
Golem.de: Und nach den 180 Tagen?
Fritsch: Da fällt jedweder Grund für die Einbehaltungen grundsätzlich komplett weg. Nach unserer Auffassung darf dann kein Geld mehr einbehalten werden, ohne dass darüber hinaus ein konkreter Schaden geltend gemacht wird. Also gerade nicht pauschal oder mit dem Argument: Ja, wir dürfen das.
Paypal begründet den Einbehalt ja mit Verweis auf die Geschäftsbedingungen, nach denen es pro begangenem Verstoß gegen die AGB 2.500 Euro behalten darf, als sogenannten pauschalen Schadensersatz. Das halten wir aber für rechtlich unwirksam.
Golem.de: Neben ihrem Geld verlieren die Händler teilweise auch den Zugang zur Zahlungsplattform?
Fritsch: Ja, das ist für sich schon ein großes Problem. Für viele Onlinehändler ist Paypal existenziell notwendig. Der Dienst wird oftmals für 70 Prozent der eingegangenen Bestellungen von Onlinekunden zur Zahlungsabwicklung bei den Händlern genutzt, teilweise sogar zu über 90 Prozent, wenn Paypal-Plus zum Einsatz kommt. Paypal weiß aus unserer Sicht um seine Stellung im Onlinehandel. Entsprechend wird der eine oder andere Händler die Reserven aus Angst durch teure Kredite finanzieren, statt gegen Paypal vorzugehen.
Golem.de: Was können die Händler tun?
Fritsch: In beiden Fällen - Kündigung oder Reserven - können Händler klagen oder eine einstweilige Verfügung erwirken. Die einstweilige Verfügung muss innerhalb eines Monats gestellt werden und hat den Vorteil, dass eine Entscheidung binnen weniger Wochen vorliegen kann. Je nach Entscheidung muss Paypal dann die Sperre oder Reserve wieder aufheben und die Gelder freigeben. Darüber kann dann beispielsweise eine Insolvenz abgewendet werden.
Eine endgültige Entscheidung ist das allerdings nicht, weil Paypal in aller Regel gegen die einstweilige Verfügung vorgehen und dann der normale Klageweg beschritten wird, der im schnellsten Fall sechs bis neun Monate, mitunter aber auch einige Jahre dauern kann. Eine Klage kann man als Händler natürlich auch selbst jederzeit erheben.
Golem.de: Dieser Klageweg ist neu?
Fritsch: Tatsächlich ist teilweise umstritten, ob man in Deutschland gegen die Sperre beziehungsweise die Reserve vorgehen kann. Paypal hat seinen europäischen Sitz in Luxemburg und die AGB so ausgestaltet, dass Klagen außerhalb von Luxemburg nicht möglich sein sollen.
Die Zuständigkeitsproblematik war bisher das wohl schärfste Schwert von Paypal, weil sich ein deutscher Händler natürlich schon generell scheut, juristisch gegen Paypal vorzugehen, aber gleich zweimal davor, dies in einer anderen Jurisdiktion zu tun. Das war bisher für die meisten Händler von den Kosten und dem Aufwand her schlicht nicht durchführbar.
Dieser Ansicht haben mehrere Gerichtsentscheidungen, die von uns und anderen Kanzleien erwirkt wurden, jedoch eine klare Absage erteilt: Man kann und darf in Deutschland gegen Paypal klagen oder eine einstweilige Verfügung erwirken, der Paypal dann auch Folge leisten muss und dies auch tut. Zuständig ist das Gericht am Sitz des Händlers beziehungsweise der Firma.
Golem.de: Wie ist die Aussicht auf Erfolg?
Fritsch: Das hängt vom Einzelfall ab, mehrheitlich aber stehen die Chancen gut. Daher haben wir bereits mehrere erfolgreiche einstweilige Verfügungen erwirkt, mit denen die Händler wieder an ihr Geld gelangen konnten. Die Hauptsacheverfahren laufen allerdings noch.
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Kontosperren: Auch Händler aus Deutschland verklagen Paypal - mit Erfolg |
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Was ist eigentlich aus paysafecard geworden?
Paypal ist eben nur ein Briefkasten in Luxemburg. Bei der Pleite der Anglo Irish Bank in...
Dann wollen wir mal: +1
Gibts da eine Quelle, dass PayPal einen Zustellnachweis haben will?