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Koalitionsvertrag: Ampel verzichtet auf ein Digitalministerium

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich SPD, Grüne und FDP auf ihren Koalitionsvertrag geeinigt. Es gibt einige positive Überraschungen beim Thema IT-Sicherheit .
/ Friedhelm Greis
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Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP bei der Vorstellung des Koalitonsvertrags (Bild: Phoenix.de/Screenshot: Golem.de)
Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP bei der Vorstellung des Koalitonsvertrags Bild: Phoenix.de/Screenshot: Golem.de

Auch unter der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wird es kein eigenständiges Digitalministerium geben. Das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor, den die Vertreter der Ampelkoalition am 24. November in Berlin vorstellten. Demnach wird das Thema Digitalisierung weiterhin dem Verkehrsministerium zugeordnet, das von der FDP geführt werden soll. Die Koalition will bereits in der kommenden Woche den bisherigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zum Bundeskanzler wählen.

Dem 178-seitigen Koalitionsvertrag (PDF)(öffnet im neuen Fenster) zufolge erhält die SPD neben dem Kanzleramt die sechs Ministerien für Innen und Heimat, Arbeit und Soziales, Verteidigung, Gesundheit, Bauen sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Grünen verantworten demnach das Auswärtige Amt sowie die vier Ressorts für Wirtschaft und Klimaschutz, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie Ernährung und Landwirtschaft. Zudem stellen sie den Vizekanzler.

Die Liberalen sind in den nächsten Jahren für die vier Ministerien Finanzen, Justiz, Verkehr und Digitales sowie Bildung und Forschung zuständig.

Flächendeckender FTTH-Ausbau

Dem Thema Digitalisierung wird dennoch ein hoher Stellenwert beigemessen. So heißt zu Beginn des entsprechenden Kapitels: "Kompetenzen in der Bundesregierung werden neu geordnet und gebündelt, ein zentrales zusätzliches Digitalbudget eingeführt und Gesetze einem Digitalisierungscheck unterzogen. Die Verwaltung wird digitaler und konsequent bürgerorientiert."

Dabei setzt sich die Koalition eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser (Fiber To The Home, FTTH) und dem neuesten Mobilfunkstandard als Ziel. In der Umsetzung bedeute das: "Der eigenwirtschaftliche Ausbau hat Vorrang. Insbesondere dort, wo der Nachholbedarf am größten ist, allen voran weiße Flecken, investieren wir. Unter Wahrung des Investitionsschutzes ermöglichen wir Open Access zu fairen Bedingungen, wo nötig regulatorisch."

Recht auf Verschlüsselung

Zudem will die Ampel digitale Bürgerrechte und die IT-Sicherheit stärken. "Wir führen ein Recht auf Verschlüsselung, ein wirksames Schwachstellenmanagement, mit dem Ziel, Sicherheitslücken zu schließen, und die Vorgaben 'security-by-design/default' ein. Auch der Staat muss verpflichtend die Möglichkeit echter verschlüsselter Kommunikation anbieten" , heißt es.

Darüber hinaus will die Koalition die digitale Souveränität durch das Recht auf Interoperabilität und Portabilität sowie das Setzen auf offene Standards, Open Source und europäische Ökosysteme, etwa bei 5G oder KI, sichern. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll unabhängiger werden. "Wir verpflichten alle staatlichen Stellen, ihnen bekannte Sicherheitslücken beim BSI zu melden und sich regelmäßig einer externen Überprüfung ihrer IT-Systeme zu unterziehen. Das Identifizieren, Melden und Schließen von Sicherheitslücken in einem verantwortlichen Verfahren, z. B. in der IT-Sicherheitsforschung, soll legal durchführbar sein. Hackbacks lehnen wir als Mittel der Cyberabwehr grundsätzlich ab."

Bei der inneren Sicherheit lehnt die Ampel flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken ab. "Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten" , heißt es. Die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung sollen so ausgestaltet werden, "dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können" . Die Bundespolizei soll künftig keine Staatstrojaner mehr einsetzen können.

Beim Thema Elektromobilität will die Koalition die bisherige Förderung überarbeiten und auslaufen lassen.

15 Millionen Elektroautos bis 2030

"Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren und beschleunigen massiv den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur." Das Ziel seien mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030. Die Innovationsprämie für die Anschaffung elektrischer Autos wird unverändert bis Ende 2022 fortgeführt.

Anschließend soll es jedoch Änderungen geben: "Wir wollen die Förderung für elektrische Fahrzeuge und Plugin-Hybride degressiv und grundsätzlich so reformieren, dass sie ab 1. Januar 2023 nur für Kfz ausgegeben wird, die nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben, der nur über einen elektrischen Fahranteil und eine elektrische Mindestreichweite definiert wird." Die elektrische Mindestreichweite der Fahrzeuge müsse bereits ab dem 1. August 2023 80 Kilometer betragen. Über das Ende des Jahres 2025 hinaus sei die Innovationsprämie nicht mehr erforderlich.

Kein generelles Tempolimit

Hybridfahrzeuge sollen bei der Dienstwagenbesteuerung nur noch privilegiert werden (Entnahmewert 0,5 Prozent), wenn das Fahrzeug überwiegend (mehr als 50 Prozent) auch im rein elektrischen Fahrantrieb betrieben wird. "Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben" , heißt es zudem im Vertrag.

Geeinigt haben sich die Ampel-Koalitionspartner auf einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung, "idealerweise gelingt das schon bis 2030" . Erdgas sei hingegen "für eine Übergangszeit unverzichtbar" . Allerdings heißt es: "Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können."

80 Prozent erneuerbare Energien bis 2030

Alle geeigneten Dachflächen sollen nach dem Willen der Koalition künftig für die Solarenergie genutzt werden. "Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden" , heißt es. Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. Die Koalition richtet sich auf einen höheren Bruttostrombedarf von 680 bis 750 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2030 aus. Davon sollen 80 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen.

Der Koalitionsvertrag muss bei SPD und FDP jeweils durch Parteitage und bei den Grünen in einer Mitgliederbefragung gebilligt werden. Die rund 125.000 Grünen-Mitglieder sollen nach Parteiangaben ab diesem Donnerstag in einer digitalen Urabstimmung über den Vertrag befinden. Auch über das Personaltableau der Grünen, also etwa die Besetzung von Ministerämtern, sollen sie entscheiden.


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