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Klimawandel: Warum Recycling nach hinten losgeht

Menschen fühlen sich gut, wenn sie ihren Müll in die richtige Recycling -Tonne entsorgen. Das verhindert, dass das Problem an der Wurzel gepackt wird, sagen Wissenschaftler.
/ Michaela Barnett , Leidy Klotz , Patrick I. Hancock
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Recyceln ist nach Vermeiden und Wiederverwenden nur die drittbeste Option. (Bild: Ishara S. KODIKARA / AFP)
Recyceln ist nach Vermeiden und Wiederverwenden nur die drittbeste Option. Bild: Ishara S. KODIKARA / AFP

Viele würden sich für die Recyclingtonne entscheiden - aber das ist oft die falsche Wahl(öffnet im neuen Fenster) . Damit nichts ausläuft, sind die meisten Kaffeebecher aus Papier mit einer dünnen Kunststoffschicht versehen, was es schwerer macht, diese Materialien zu trennen und zu recyceln.

Die nachhaltigste Option hat aber nichts mit der Entscheidung für den richtigen Mülleimer zu tun. Sie kommt ins Spiel, bevor man den Einwegbecher in die Hand nimmt.

In unserer Forschung zu Wegwerfverhalten(öffnet im neuen Fenster) , Nachhaltigkeit(öffnet im neuen Fenster) , technischem Design(öffnet im neuen Fenster) und Entscheidungsfindung(öffnet im neuen Fenster) haben wir untersucht, was die Einwohner der USA über die verschiedenen Abfallmanagementstrategien wissen und welche sie bevorzugen.

In zwei landesweiten Umfragen in den USA, die wir im Oktober 2019 und März 2022 durchführten, haben wir festgestellt, dass die Menschen Recycling vor Abfallverringerung und Wiederverwendung stellen(öffnet im neuen Fenster) . Wir bezeichnen das als "Recycling Bias" und "Reduction Neglect" .

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die jahrzehntelangen Bemühungen, die Öffentlichkeit in den USA über das Recycling aufzuklären, in mancher Hinsicht erfolgreich waren - in anderer jedoch gescheitert sind. Sie haben dazu geführt, dass die Verbraucher Recycling als eine wichtige Option ansehen - allerdings zum Nachteil von nachhaltigeren Optionen. Und sie haben die Menschen nicht zu effektiveren Recyclern gemacht.

Eine globale Abfallkrise

Fachleute sind sich weitgehend einig, dass der Mensch Müll in einem Ausmaß erzeugt, das nicht zu bewältigen und nicht nachhaltig ist(öffnet im neuen Fenster) . Mikroplastik verschmutzt die entlegensten Regionen(öffnet im neuen Fenster) der Erde und sammelt sich in den Körpern von Menschen und Tieren an(öffnet im neuen Fenster) .

Das Herstellen und Entsorgen von Gütern ist für einen großen Teil der Treibhausgasemissionen verantwortlich und ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit, insbesondere für jene Gebiete, in denen viel Abfall landet(öffnet im neuen Fenster) . Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass, selbst wenn Plastik recycelt wird, die Verschmutzung durch Mikroplastik enorm ist(öffnet im neuen Fenster) .

Angesichts des Ausmaßes und der Dringlichkeit des Problems beriefen die Vereinten Nationen im Juni 2023 Gespräche mit Regierungsvertretern aus der ganzen Welt ein, um mit der Ausarbeitung eines rechtsverbindlichen Pakts zur Eindämmung des schädlichen Plastikmülls zu beginnen(öffnet im neuen Fenster) .

In der Zwischenzeit verbieten viele Städte und Bundesstaaten in den USA Einwegplastikprodukte(öffnet im neuen Fenster) oder schränken deren Verwendung ein(öffnet im neuen Fenster) .

Der Müll darf gar nicht erst entstehen

Fachleute empfehlen seit langem, bei der Lösung des Abfallproblems Strategien einzusetzen, die den Abfall verringern. Die also verhindern, dass überhaupt erst so viel Müll entsteht, statt zu versuchen, die Auswirkungen zu bewältigen und zu mindern. Die US-Umweltschutzbehörde und andere prominente Umweltorganisationen wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen verwenden ein Rahmenwerk, die so genannte Abfallbewirtschaftungshierarchie, in der die Strategien gerankt werden - von der höchsten bis zur geringsten Umweltbelastung.

Die Abfallbewirtschaftungshierarchie fordert die Menschen auf, "zu reduzieren, wiederzuverwenden und zu recyceln" (Englisch: Reduce, Reuse, Recycle) - in dieser Reihenfolge. Klar: Dinge herzustellen, die recycelt werden können, ist immerhin nachhaltiger, als sie in einer Anlage zu verbrennen oder auf einer Deponie zu vergraben. Es verbraucht aber dennoch Energie und Ressourcen. Wenn insgesamt weniger Müll entsteht, schont das hingegen die natürlichen Ressourcen und vermeidet andere negative Umweltauswirkungen während der gesamten Lebensdauer eines Produkts.

Befragte sehen Recycling zu weit vorne

In unseren Umfragen füllten die Teilnehmer einen Fragebogen aus, der ihre Ansichten zu verschiedenen Abfallstrategien ermitteln sollte. Danach gefragt, welcher wohl der wirksamste Weg ist, um Deponieabfälle zu reduzieren oder Umweltprobleme zu lösen, die mit dem Abfall zusammenhängen, nannten die Teilnehmer mit überwältigender Mehrheit Recycling und andere nachgelagerte Strategien.

Wir baten die Befragten auch, die vier Strategien der Abfallbewirtschaftungshierarchie(öffnet im neuen Fenster) der Environmental Protection Agency in eine Rangfolge nach Umweltfreundlichkeit zu bringen.

Die richtige Reihenfolge ist: Reduzieren und Wiederverwenden, Recyceln und Kompostieren, Energierückgewinnung, zum Beispiel durch das Verbrennen von Abfall, sowie Behandlung und Entsorgung, in der Regel auf einer Deponie. Mehr als drei von vier Teilnehmern (78 Prozent) ordneten die Strategien falsch ein.

Gebeten, die Optionen Reduzieren/Wiederverwenden/Recyceln auf die gleiche Weise zu ordnen, schnitten die Teilnehmer etwas besser ab, aber fast die Hälfte (46 Prozent) wählte immer noch eine falsche Reihenfolge.

Schließlich baten wir die Teilnehmer, zwischen nur zwei Optionen zu wählen - Abfallvermeidung und Recycling. Dieses Mal verstanden über 80 Prozent der Teilnehmer, dass Abfallvermeidung viel besser ist als Recycling.

Wunschcycling hilft der Umwelt nicht

Unsere Teilnehmer setzen also auf Recycling als Abfallbewirtschaftungsstrategie - aber sie setzen es nicht gut um.

Das ist nicht überraschend, weil das US-Recyclingsystem den Verbrauchern die Aufgabe auferlegt, wiederverwertbare Materialien zu trennen und die Mülltonnen nicht zu verunreinigen. Was recycelt werden kann, ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich; außerdem kann sich der Standard häufig ändern, wenn neue Produkte eingeführt werden und sich die Märkte für recycelte Materialien verändern.

In unserer zweiten Studie wurden die Teilnehmer gebeten, gängige Konsumgüter in virtuelle Recycling-, Kompost- und Mülltonnen zu sortieren und anzugeben, wie sicher sie sich bei ihrer Wahl waren. Viele Teilnehmer ordneten häufigen Abfall wie Plastiktüten (58 Prozent), Einweg-Kaffeebecher (46 Prozent) und Glühbirnen (26 Prozent) falsch - und oft sehr überzeugt - der virtuellen Recyclingtonne zu. Bei einigen wenigen Materialien wie Pappe und Alufolie kann die richtige Antwort je nach Kapazitäten der örtlichen Abfallbewirtschaftungssysteme variieren.

Dieses Phänomen ist als Wunschcycling(öffnet im neuen Fenster) bekannt, das heißt, dass nicht-recycelbare Gegenstände in der Hoffnung oder in dem Glauben, dass sie recycelt werden, in den Recyclingstrom gegeben werden. Wunschcycling verursacht zusätzliche Kosten und Probleme für die Recycler, die die Materialien sortieren müssen, und führt manchmal dazu, dass auch recycelbare Materialien deponiert oder verbrannt werden.

Obwohl unsere Teilnehmer viel vom Recycling hielten, waren sie nicht davon überzeugt, dass es funktioniert. Die Teilnehmer unserer ersten Umfrage wurden gebeten zu schätzen, welcher Anteil des Kunststoffs seit Beginn der Kunststoffproduktion recycelt wurde. Nach einer weit verbreiteten Schätzung liegt die Antwort bei nur 9 Prozent.

Unsere Befragten waren der Meinung, dass 25 Prozent des Kunststoffs recycelt werden - mehr als die Expertenschätzung, aber immer noch wenig. Und sie kamen zu dem Schluss, dass ein Großteil davon auf Mülldeponien und in der Umwelt landet.

Unternehmen geben Verbrauchern die Schuld

Verbraucher-Abfälle sind das Ergebnis einer langen Lieferkette mit Umweltauswirkungen in jeder Phase. US-Politik und Unternehmen konzentrieren sich jedoch auf die Verbraucher als Hauptverursacher von Abfall, wie der gängige Begriff Post-Verbraucher-Abfall impliziert.

Andere Ansätze nehmen die Hersteller stärker in die Verantwortung, indem sie sie verpflichten, ihre Produkte zur Entsorgung zurückzunehmen(öffnet im neuen Fenster) , die Recyclingkosten zu tragen(öffnet im neuen Fenster) und Waren zu entwerfen und zu produzieren, die leicht und effektiv zu recyceln sind(öffnet im neuen Fenster) . Diese Ansätze werden in einigen Bereichen in den USA angewandt, etwa bei Blei-Säure-Batterien und Unterhaltungselektronik; aber sie sind weitgehend freiwillig oder werden auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene vorgeschrieben.

Als wir die Teilnehmer unserer zweiten Studie fragten, wo Veränderungen stattfinden sollten und wo sie als Einzelpersonen wohl am meisten bewirken könnten, konzentrierten sie sich richtigerweise auf vorgelagerte Strategien. Sie waren jedoch der Meinung, dass sie das System nur durch ihre Kaufentscheidungen und die Art und Weise, wie sie anschließend entsorgen, beeinflussen können - mit anderen Worten, sie handeln als Verbraucher und nicht als Bürger.

Während die abfallbedingte Umweltverschmutzung weltweit zunimmt, geben die Unternehmen weiterhin den Verbrauchern die Schuld, statt die Menge der von ihnen hergestellten Wegwerfprodukte zu verringern. Unserer Ansicht nach ist Recycling kein Freifahrtschein für Überproduktion und Überkonsum, und es ist an der Zeit, dass die USA aufhören, es als solches zu behandeln.

(Übersetzung: Jennifer Fraczek)

Neben den drei genannten Autoren ist Shahzeen Attari eine weitere Autorin.

Offenlegung:

Michaela Barnett ist Gründerin und Inhaberin von Knoxfill, einem Unternehmen, das unverpackte und nachfüllbare Haushalts- und Körperpflegeprodukte verkauft.

Shahzeen Attari erhält Mittel von der National Science Foundation.

Leidy Klotz und Patrick I. Hancock arbeiten nicht für eine Firma oder Organisation, die von diesem Artikel profitieren könnte. Sie sind nicht als Berater tätig, besitzen keine Anteile an einer solchen Firma oder Organisation und haben über ihre akademische Anstellung hinaus keine relevanten Verbindungen offengelegt.


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