Prompts können kreativ sein - lassen sie sich auch schützen?
Golem.de: Was ist mit den sogenannten Prompt-Künstlern? Sie haben ein bestimmtes Wissen erworben, wie sie ein Sprachmodell zu bestimmten Outputs bringen können. Können sie ihre Extraktionsmethoden schützen? Können sie ihren Input schützen?
Lauber-Rönsberg: Ich vermute, es gilt dasselbe wie im Bereich von Stilen. Das Wissen, wie man einen bestimmten Stil umsetzt, wird eben vom Urheberrecht nicht geschützt. Wenn jetzt also jemand analysieren würde, durch welche Befehle genau diese speziellen Effekte erzeugt werden, und das nachahmen würde, dann wäre das meines Erachtens keine Urheberrechtsverletzung.
Golem.de: Wird denn der schöpferische Anteil an den Extraktionsmethoden bereits rechtlich definiert?
Lauber-Rönsberg: Da warten wir auch darauf, dass die Rechtsprechung die Gelegenheit bekommt, das zu konkretisieren. Urheberrechtlich erfasst wird nur das Ergebnis eines schöpferischen Prozesses, nicht aber der Stil oder Anleitungen zur Formgestaltung. Aber wie konkret ist der menschliche Input, wie autonom ist dann noch das KI-System? Wie zwangsläufig ist eine bestimmte Ausgestaltung aufgrund des Prompts?
Wenn die KI nur noch einen ganz geringen Grad an Einflussmöglichkeit hat, weil die Prompts so detailliert und spezifisch sind, dass am Ende der menschliche Befehlsgeber bestimmt, wie der Output aussieht, dann würde ich sagen, dass es hier einen bestimmenden schöpferischen menschlichen Einfluss gibt und dass Output damit urheberrechtlich geschützt ist.
Golem.de: Gibt es schon Fälle, wo das so genau unterschieden wurde?
Lauber-Rönsberg: Nein, es gibt dazu noch keine Gerichtsentscheidungen in Europa. In den USA gibt es ebenfalls noch keine Gerichtsentscheidung. Es gibt lediglich zwei Entscheidungen vom US Copyright Office, bei dem man urheberrechtlich geschützte Werke registrieren lassen kann. Da hat jemand versucht, ein rein KI-generiertes Gemälde registrieren zu lassen, und das wurde jeweils abgelehnt.
Aber da ging es auch wirklich darum, einen Präzedenzfall zu schaffen, indem dort betont wurde, dass das Werk allein von der KI generiert worden sei. Im realen Leben würde ein Anmelder wohl eher versuchen zu verschleiern, in welchem Umfang eine KI beteiligt war, und den menschlichen Anteil an einer Schöpfung betonen, um einen Urheberrechtsschutz nicht zu gefährden.
Kann ein KI-Sprachmodell enteignend agieren?
Golem.de: Sprachmodelle lernen ja ständig hinzu. Was passiert nun, wenn das Modell entscheidet, alle urheberrechtlich geschützten detaillierten und spezifischen Prompts, die zu einem bestimmten Output führen, in Klammern zu setzen und in einem Metaprompt als Stil zu klassifizieren? Dann könnte jeder diesen Metaprompt nutzen, um eigene Outputs zu erzeugen. Stile werden ja als solche nicht geschützt.
Lauber-Rönsberg: Sobald sich ein künstlerischer Ansatz zu einem Stil verfestigt hat, werden auch hier wieder nur die einzelnen Werke geschützt. Die Übernahme des Stils, also auch die Beschreibung in einem Metaprompt, ist meines Erachtens keine Urheberrechtsverletzung.
Golem.de Das KI-Sprachmodell könnte also jederzeit typisieren und mit Metaprompts das Urheberrecht ausschalten?
Lauber-Rönsberg: An den einzelnen Werken, die jemand mithilfe dieser spezifischen Kunst erstellt hat, bleibt das Urheberrecht bestehen. Aber wenn ein Dritter mithilfe der lernenden KI dann sehr ähnliche Bilder erzeugt, ist das keine Urheberrechtsverletzung.
Golem.de: Könnte denn ein Leistungsschutzrecht diese Enteignungsdynamik ausbremsen?
Lauber-Rönsberg:Wenn ein Dritter diesen Stil kopiert, dann ist das ein begrenzteres Risiko, als wenn eine KI diesen Stil in ihr Angebot übernimmt. Das faktische Risiko, dass jemand als Trittbrettfahrer von fremden Leistungen profitiert, ist gestiegen – das muss man schon anerkennen. Das gilt auch für den Bereich der Presseerzeugnisse, da eben auch die Information nicht geschützt ist. Sie sind also nicht davor geschützt, dass jemand anderes diese Informationen extrahiert und in eigenen Worten wiedergibt.
Entropieeffekte in der Presselandschaft
Golem.de: Was ist denn mit Zeitungsbeiträgen hinter der Paywall, deren Zusammenfassung ChatGPT weitergibt?
Lauber-Rönsberg: Der Inhalt der einzelnen Meldungen ist nicht geschützt. Sonst könnte ja ein Presseverlag verhindern, dass jemand anderes auch über bestimmte Ereignisse berichtet. Eine rechtliche Grenze vor Übernahmen besteht allerdings dann, wenn jemand systematisch einen großen Bestandteil diese Informationen extrahiert. Es gab ein Verfahren zweier großer deutscher Presseverlage, in dem der eine Presseverlag dem anderen vorwarf, systematisch die Inhalte aus den News, die hinter der Paywall veröffentlicht wurden, zu entnehmen, umzuschreiben und als eigene News-Beiträge zu veröffentlichen.
Solange das in einem ganz begrenzten Maßstab passiert, ist das urheberrechtlich irrelevant. Urheber- und wettbewerbsrechtlich relevant wird es dann, wenn das in einem größeren Umfang geschieht. Denn die Gesamtheit der Artikel ist eine Datenbank, die im europäischen Urheberrecht unter dem Datenbank-Herstellerrecht geschützt ist. Demnach ist es unzulässig, größere Mengen einer Datenbank wiederholt zu extrahieren und weiterzuverwenden. Leider gab es in diesem Fall zum Konflikt keine Entscheidung, sondern die beiden Parteien haben sich außergerichtlich verglichen.
Das ist bei ChatGPT tatsächlich eine große Herausforderung. Derzeit gibt es keine rechtliche Antwort auf ein Szenario, bei dem Nutzer nicht mehr auf die normale Presse, sondern primär auf KI-Angebote zurückgreifen, die sich inhaltlich aus dem Presseangebot bedienen. Einerseits sind Informationen frei, aber dieses Trittbrettfahrerangebot wird ja nur dadurch möglich, weil durch die Presse bestimmte Informationen aufbereitet und zugänglich werden. Dafür gibt es im Moment noch keine richtige Antwort.
Golem.de: Es ist also ein gewisser Entropieeffekt der Information zu erwarten, wenn man ChatGPT, Bing und andere hier gewähren lässt und das Geschäftsmodell der Presse ausbluten lässt.
Lauber-Rönsberg: Die Presseverlage haben so ja auch schon bei News-Aggregatoren argumentiert.
Golem.de: Da ging es um die Bereitstellung von Verweisstrukturen, während ChatGPT sich die Inhalte komplett aneignet.
Lauber-Rönsberg: Insofern besteht hier schon ein qualitativer Unterschied, weil die Nutzer eben nicht mehr die Quellen und die Links mitgeliefert bekommen. Gerade deswegen ist allerdings auch die Frage, ob man sich als Zeitungsleserin dann wirklich darauf verlassen würde, sich nur von ChatGPT berichten zu lassen, oder ob man da nicht doch lieber noch wieder auf Presseerzeugnisse mit qualitativ hochwertigen Infos zurückgreift.
Golem.de: Ist hier nicht eine Elitenbildung im Gange, wenn die Tendenz dahin geht, dass Verlage hochspezialisiertere Angebote für besonders interessierte Leserinnen bereitstellen, die sich besser rechnen? Die Öffentlichkeit zerfällt damit stärker in Teilöffentlichkeiten.
Lauber-Rönsberg: Insofern ist hier schon ein disruptives Potenzial. Das wird man jedenfalls durch urheberrechtliche Regelungen nicht aufhalten können. Aber das ist auch eine Diskussion, die gerade erst begonnen hat. Man könnte auch überlegen, ob die großen Tech-Unternehmen für ihren Zugriff auf bestehende Inhalte eine Vergütung zahlen müssen.
Golem.de: Wie aber bleibt die Gemeinwohlorientierung gewahrt?
Lauber-Rönsberg: Ich sehe das auch so, dass wir eine Tech-Regulierung brauchen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das eine urheberrechtliche Regulierung sein soll. Ich vermute, wir brauchen eine umfassendere Regulierung. Gleichzeitig kann eine rechtliche Regulierung nur in sehr begrenztem Maße den Wandel von Geschäftsmodellen aufhalten. Es ist eine disruptive Entwicklung zur Frage, unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen zukünftig Inhalte angeboten werden.
Die Schutzmechanismen sollen auch Informationen gar nicht erfassen und hiermit monopolisieren, weil ja Informationen gerade frei sein sollen. Diese Begrenztheit des Schutzes kann dazu führen, dass KI-Anbieter als Trittbrettfahrer von den frei nutzbaren Informationen profitieren können, die andere mit erheblichem finanziellen Aufwand aufbereitet haben. Wenn man allerdings den Schutz ausweiten würde, so dass auch Information als solche erfasst würde, dann befürchte ich große Kollateralschäden. Denn die Freiheit der Information als solche ist ja auch eine Errungenschaft. Das ist eben das Dilemma.
Golem.de: Geht es hier aber nicht um die Produktionsmechanismen von Information?
Lauber-Rönsberg: Das ist auch eine Frage, die über das Rechtliche hinausgeht: Wären andere Geschäftsmodelle denkbar, die diese Produktionsmechanismen in anderer Form ermöglichen? Und die vielleicht besser wären als eine rechtliche Regulierung, die gerade Informationen monopolisiert, was wir eigentlich gerade verhindern wollen. Mir ist auch unklar, wie man Vergütungsansprüche umsetzen will. Wer wäre denn dann vergütungspflichtig? Das wären ja nicht nur die Big Tech Companies, auch viele andere Unternehmen oder wir alle im wissenschaftlichen Kontext nutzen Informationen für unsere Arbeit, die vor oder hinter der Paywall zugänglich gemacht werden. Das ist jedenfalls eine große Diskussion.
AI Act greift noch nicht
Golem.de: Inwieweit greift die geplante europäische Regulierung im AI Act diese disruptiven Risiken von KI-Sprachmodellen auf?
Lauber-Rönsberg: Der AI Act bezieht sich auf verschiedene Risikoklassen mit entsprechend abgestuften Verhaltenspflichten für Hersteller und Betreiber. Bisher ist die Logik des AI Act, KI-Systeme mit einem bestimmten Anwendungsbereich etwa bei der Personalauswahl oder der Gesundheitsversorgung abhängig von ihrem jeweiligen Einsatzzweck als riskant oder weniger riskant zu klassifizieren. Sprachmodelle hingegen lassen sich sehr breit und für sehr unterschiedliche Zwecke einsetzen. Die Frage ist, wie solche kontextunabhängigen Systeme zu regulieren sind, und in welche Risikokategorie sie fallen sollen, ist noch ungelöst.
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Schutz von KI-erzeugten Werken |
Volle Zustimmung. Diese KI-Bots machen nichts anderes wie Journalisten und Autoren: sie...
Also klassische Schulaufgaben. Vorhanden Aufsatz nehmen umschreiben, nicht kapieren, gute...
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