KI-Bots in der Pornobranche: Intime Chats, rund um die Uhr

Spätestens seit Anfang des Jahres gefälschte Nacktbilder von Taylor Swift massenhaft über soziale Medien geteilt wurden , ist klar, dass es zu Problemen kommt, wenn KI-Tools und Pornografie aufeinandertreffen. Denn die Bilder von Swift waren weder freiwillig - noch echt.
"Porno ist immer konsensuell" , erklärt Fabienne Freymadl. Die 46-Jährige betreibt ein BDSM-Studio in Berlin und bietet pornografische Inhalte im Netz an. Ohne Konsens "ist es keine Pornografie, sondern genauso wie bei anderen Arten von Sexualität, die ohne Konsens ausgeübt werden, eine Übergriffigkeit, es ist Gewalt und hat mit dem Begriff an sich nichts mehr zu tun."
Aus dieser Definition fallen große Teile der momentan verfügbaren KI-generierten Inhalte raus, seien es die massenhaft über X verbreiteten sexualisierten Deepfakes der Popsängerin oder ungefragt angefertigte Nacktbilder mit sogenannten Nudify-Apps. Doch trotz zahlreicher unbeantworteter ethischer und wirtschaftlicher Fragen greift die Branche für Erwachsenenunterhaltung die neuen Technologien immer weiter auf.
Aus der Schmuddelecke ins Influencer-Business
Die Pornoindustrie war schon immer Vorreiterin, wenn es um neue Wege zur Verbreitung von Inhalten ging. "Die Suche nach Lust und erotischer Erfüllung ist etwas, das den Menschen grundsätzlich antreibt" , sagt Freymadl. Ob Internetstreaming oder Virtual Reality, immer wieder wurden neue Technologien zuerst für eine Zielgruppe aus Volljährigen in der Praxis erprobt.
"Online-Sexworker waren die ersten Influencer" , sagt sie. Dass die bekanntesten Darstellerinnen heute in den sozialen Medien wie Influencerinnen auftreten, erinnert Freymadl an die ersten Webcam-Girls. "Schon da ging es um einen Personenkult und am täglichen Leben teilzunehmen, wo denn auch sexy Sachen passieren."
Doch auch wenn die Inhalte konsensuell erstellt werden - die Pornhub-Darstellerin Sweetie Fox etwa bewarb jüngst noch selbst eine solche App - bleiben ethische Fragen ungeklärt. Wessen Arbeit ohne entsprechende Bezahlung in die Trainigsdaten der Modelle einfließt, ist nämlich ebenso wie in anderen Medienbereichen noch ungeklärt.
Der 24 Stunden verfügbare Porno-KI-Klon
Die US-Pornodarstellerin Riley Reid gehörte zu den ersten namenhaften Branchenvertreterinnen, die auf den Hype aufsprang. 2023 veröffentlichte sie mit Clona einen Chatbot(öffnet im neuen Fenster) , der unter anderem mit ihrer eigenen Persönlichkeit trainiert worden sein soll. Die App verspricht so "24/7 Zugang zu intimen Chats mit Ihren Lieblings-Creators."
Nutzer können nach der Registrierung zwischen Reid und anderen Persönlichkeiten wählen und ein Gespräch beginnen. Die Antworten sind KI-generiert und optional sogar per Sprachsynthese hörbar. Welche Trainingsdaten Reid und die anderen dafür bereitstellen mussten, lässt Clona allerdings ebenso unklar wie die Frage, welches Modell im Hintergrund laufe.
Wer mehr chattet, macht mehr Umsatz
Dafür betont das Unternehmen auch hinsichtlich der Kontroverse um Taylor Swift: Die KI-Versionen der momentan drei verfügbaren Model-Modelle seien mit deren ausdrücklicher Zustimmung erstellt worden. Von den Abozahlungen der Nutzer, die sich auf knapp 10 US-Dollar im Monat beliefen, bekämen die realen Vorbilder Anteile. Nutzer erhalten für diesen Betrag auch Zugang zu einem unzensierten Fotogenerator.
Allein ist Riley Reid mit Clona nicht. Wie groß das Interesse an solchen Angeboten ist, zeigt ein Blick in die gängigen Appstores. Dort lassen sich zahlreiche, als KI-Freundinnen präsentierte Chatbots finden. Auch die Plattform von OpenAI wurde sofort nach der Öffnung für Drittentwickler entsprechend genutzt . Die Chatbots sind der nächste logische Schritt in der Entwicklung der Beziehung von Pornokonsumenten zu -anbietern.
Chats mit Sexarbeiterinnen sind schon längst nicht mehr immer echt
"Du wirst mehr verkaufen, wenn du mit deinen Fans chattest" , erklärt Freymadl. Die "hauen dir die Direktnachrichten voll" , beschreibt sie den Umfang der Nachrichten. Auch ihr Studio bietet Inhalte auf Onlyfans an. Damit verbunden ist ein enormer Arbeitsaufwand für die Beantwortung. "Die Interaktionen sind natürlich oft dieselben" , sagt sie.
"Sind wir gezwungen, unser Einkommen mit unseren Skills über andere Plattformen zu verdienen, dann liegt es nahe, sich Technik zunutze zu machen." , sagt Freymadl. Die Technologieoffenheit zur Innovation ist auch eine Notwendigkeit, um Restriktionen zu umgehen und neue Zugänge zur Kundschaft zu eröffnen.
Selbst ohne KI sind schon heute nicht alle Antworten selbst geschrieben. "Mittlerweile gibt es einen ganzen Industriezweig, der dir das Chatten abnimmt." Freymadl vergleicht es mit einem Hollywood-Star, der nicht mehr jedes Autogramm selbst unterschreibt. Online-Sexarbeitende hätten eine Liste mit den gängigsten Antworten auf häufig vorkommende Nachrichten. Andere Anbieter würden den Kundenkontakt gleich ganz an externe Dienstleister outsourcen, mit schwankender Qualität. "Da bietet sich natürlich auch ein Chatbot an."
Die nächste Stufe ist interaktiver 3D-Sex
In letzter Konsequenz heißt das auch, dass der menschliche Faktor ganz ersetzt werden könnte. So wie es bereits KI-generierte Influencer gibt , lassen sich auch auf Onlyfans zahlreiche Models finden, deren Inhalte aus dem Sprachmodell kommen. Eine Kennzeichnung oder eigene Kategorie gibt es dafür noch nicht .
Einen Schritt weiter geht ein anderes Projekt, in das Riley Reid ebenfalls involviert ist. Diese hat sich nicht nur zu einem KI-Chatbot machen, sondern auch ihren Körper scannen und in der Unreal-5-Engine(öffnet im neuen Fenster) nachmodellieren lassen. Wer ein Virtual-Reality-Headset hat, kann so über die App Holodexxx Sexszenen aus der Ichperspektive erleben.
Ist das die Zukunft der Pornografie?
"Point-of-View-Pornos sind sehr beliebt, und auch 3D-Pornos werden schon länger gedreht" , erklärt Freymadl. Die pornografischen Videospiele gehen einen Schritt weiter. Auch Holodexxx ist in der Nische nicht allein, sticht aber durch die Zusammenarbeit mit echten Darstellerinnen hervor.
In einem Blogpost(öffnet im neuen Fenster) werfen die Entwickler selbst ethische Fragen hinter ihrem Produkt auf: Wie steht es um das Einverständnis für die interaktiven 3D-Modelle? "Holodexxx wird virtuelle Menschen mit dem gleichen Respekt behandeln wie ihre menschlichen Gegenstücke" , schreiben sie. Auf verbale Gewalt soll der eingebaute Chatbot nicht reagieren, echte Darstellerinnen sollen fair entlohnt werden.
Die Frage, was mit den 3D-Modellen außerhalb der vom Entwickler vorgesehenen Grenzen passieren kann, beantwortet das nicht. Ein prominentes Beispiel gibt es dafür schon: Keanu Reeves' 3D-Modell aus Cyberpunk 2077(öffnet im neuen Fenster) wurde von Moddern für entsprechende Inhalte genutzt.
Für den Hollywoodschauspieler war das belustigend, Freymadl sieht aber ein größeres Missbrauchspotential: "Wenn Leute meinen Skin klauen und ohne Einverständnis Dinge damit machen, die ich persönlich aus ethischen Gründen ablehnen würde" , fragt sie, "können das die Konsumenten dann noch vom echten Ich trennen?"
Das größte technische Problem ist nicht die KI
Trotz allem sieht Freymadl die größten technischen Herausforderungen für ihre Branche weder in Virtual Reality noch in der künstlichen Intelligenz. So erwartet sie etwa technische Alternativen zu den großen Zahlungsdienstleistern, die in der Vergangenheit immer wieder Einfluss auf Inhalteanbieter nahmen . "Das sind private Firmen, die sich da zum moralischen Wächter werden" , sagt sie.
Unklarheiten über eine andere technische Lösung führten weltweit sogar schon zu Netzsperren. Eine Taskforce der Europäischen Kommission arbeitet momentan an einem Vorschlag zur technischen Umsetzung einer datenschutzkonformen Altersverifikation: auf die Ergebnisse warten Inhalteanbieter wie Freymadl gespannt.
Vor solchen Problemen stehen auch die vermeintlich innovativen Apps. In Deutschland sperrt Valve nahezu alle auch nur annähernd pornografischen Computerspiele(öffnet im neuen Fenster) , um der Pflicht zu einem Altersverifikationssystem aus dem Weg zu gehen. Auch Holodexxx scheiterte(öffnet im neuen Fenster) an den Inhaltsrichtlinien von Steam.
Nicht künstliche Intelligenz, sondern Altersverifikationssysteme und Payment-Lösungen sind die dringlichen technischen Probleme der Branche, sagt Freymadl. "Das sind die großen Entwicklungen, die ich in nächster Zeit sehe" , betont sie. "3D-Hologramm-Porn dagegen eher weniger."



