Was aus den Utopien wurde
Einige der utopischen Projekte scheiterten an der Komplexität. Selbst nach 60 Jahren technischen Fortschritts stellt ein ausreichend kleiner Kernreaktor, der in ein Auto integriert werden könnte, noch immer eine Herausforderung dar. Denn neben dem eigentlichen Reaktorkern sind eine ausreichende Abschirmung, Energiewandlung und Radiatoren zur Rückkühlung des zur Wärmeübertragung verwendeten Mediums – meist Wasser – erforderlich.
Auch sorgte die Allgegenwärtigkeit größerer Mengen radioaktiven und spaltbaren Materials bereits vor den großen Unfällen und den Zeiten des internationalen Terrors für Unbehagen. Schnell kamen Fragen auf, wie sicher die Reaktoren bei einem Unfall seien – ob radioaktives Material freigesetzt werden könnte.
Die Freisetzung radioaktiver Isotope machte auch Project Plowshare unpopulär, zudem waren Atombomben oft schlicht zu teuer – vom bürokratischen Aufwand, eine Atombombe zu bekommen und zünden zu dürfen, ganz abgesehen. Zudem ging die Menge der in den USA produzierten Atombomben schnell zurück, sie wurden nicht zum günstigen Massenprodukt.
Selbst wenn Ideen technisch möglich sind, können sie noch immer an der Ökonomie scheitern. Das gilt für nuklear betriebene Fahr- und Flugzeuge wie für Project Plowshare: Dessen Projekte erwiesen sich oft als unökonomisch. Für viele Anwendungen fanden sich Lösungen ohne den Einsatz von Kernspaltung, so das bereits erwähnte Fracking.
Auch bei den Wintererdbeeren von der Isar dürfte die Ökonomie schuld sein: Diese in Spanien zu züchten, scheint einfach günstiger zu sein. Andere Utopien hingegen hatten mehr Erfolg und werden noch immer erfolgreich angewendet – allerdings sind es die eher bodenständigen.
Erfolg im Kleinen ...
Nukleartechnik ist tatsächlich alltäglich geworden – allerdings anders, als die großen Visionen der 1950er und 60er Jahre erwarten ließen. In Medizin und Forschung ermöglichen radioaktive Isotope Einblicke, die vor wenigen Generationen noch utopisch erschienen.
So kann mittels radioaktiver Isotope die Verbreitung von Substanzen wie Medikamenten im Körper oder Nährstoffen und Wasser in der Landwirtschaft beobachtet werden. Auch die atomaren Gärten sind nach wie vor beliebt, um schnell viele Pflanzenvarianten zu züchten. Die IAEA vermittelt zusammen mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) Wissen zur zivilen Nutzung von Nukleartechnik an ihre Mitglieder.
... und vielleicht im All?
Selbst einige der großen Utopien leben weiter: Die Nasa nahm im Rahmen der neuen Weltraumambitionen die Arbeit an nuklearen Antrieben für Raumschiffe wieder auf. NTP-Triebwerke werden wieder für bemannte Mars-Missionen diskutiert.
In Russland begann 2010 die Entwicklung eines nuklear angetriebenen Weltraumfrachters; Boeing erhielt 2015 gar ein Patent für ein mit Kernfusion und -spaltung arbeitendes Flugzeugtriebwerk.
Allerdings haben diese Triebwerke ein gemeinsames Problem: Die mögliche Freisetzung radioaktiver Substanzen. So muss die Nasa laut einem Fact Sheet (PDF) von 2018 erst einmal einen geeigneten Teststand entwickeln, um Prototypen eines NTP-Triebwerks überhaupt erproben zu können. Im All hingegen stören radioaktive Emissionen weniger, die Triebwerke übertreffen zudem die Leistung chemischer Antriebe bei Weitem – beides Gründe, weshalb diese Utopie weiterverfolgt wird.
Dass die atomaren Raketenantriebe zwischenzeitlich aufgegeben wurden, hatte mehrere Gründe: Das Interesse an langen Weltraummissionen sank, Projekt Orion war militärisch uninteressant. Nicht zuletzt machten die Abrüstungs- und Nichtverbreitungsabkommen zwischen den USA und der UdSSR sie unmöglich: Der Einsatz hoch angereicherten Urans war nicht mehr erlaubt, Kernwaffenexplosionen im All schon gar nicht. Heutige NTP-Triebwerke sind davon nicht betroffen, sie arbeiten mit niedrig angereichertem Uran.
Die meisten Utopien rund um die Kernenergie teilen das Schicksal vieler anderer rosiger Zukunftserwartungen: Eine neue, noch wenig erforschte Technologie weckt hohe Erwartungen und spornt die Phantasie kreativer Wissenschaftler und Ingenieure an. Mit zunehmendem Wissen zerschellen dann die meisten Träume an der harten Realität.
Aufgrund der praktischen und ökonomischen Herausforderungen blieben die großen Ideen selbst in Ländern mit atomfreundlich eingestellter Bevölkerung Utopien.
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Atombomben zu Pflugscharen, nukleare Wärme für Pflanzen |
Im Prinzip essen wir nichts, dass exakt so in der Natur vorkommt. Natürliche Bananen...
Da spielt halt Geld keine Rolle, die neuesten liegen bei über 10 Milliarden
Und doch wurde mit Stromexport mehr Geld verdient als mit Stromimport ausgegeben. Jetzt...
Ja, mal wieder über Kernenergie hergezogen, mehr nicht. Morgen kommt dann der Artikel...
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