Kernfusion: Wendelstein 7-X startet neue Testphase

Nach einem sechsmonatigen Anfahren der Anlage startet das Greifswalder Forschungsprojekt Wendelstein 7-X neue Experimente zur Kernfusion. Aus aller Welt seien etwa 740 Vorschläge eingegangen, von denen 200 priorisiert worden seien, hieß es vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, zu dem Wendelstein 7-X gehört. Die Experimente sollen am 10. September 2024 beginnen.
Die Vorbereitungen auf die anstehende Experimentierphase glichen denen eines "Raketenstarts" . So mussten die supraleitfähigen Magnete, die das Plasma halten, mit minus 270 Grad Celsius fast bis zum absoluten Nullpunkt gekühlt werden.
Der Reaktor soll nachweisen, dass sich das Prinzip der Kernfusion für die Energieerzeugung eignet. Dazu ist es erforderlich, ein dauerhaftes Fusionsplasma von 100 Millionen Grad Celsius zu erzeugen. In der vorangegangenen Testphase gelang es, eine achtminütige Plasmaentladung zu generieren .
Projektleiter verteidigt Kosten
Mit dem bevorstehenden Programm wolle man sich an die Spitze der weltweiten Fusionsprojekte setzen, erklärte das Max-Planck-Institut. Zunächst sollen die Experimente bis Dezember 2024 und dann noch einmal von Februar bis Mai 2025 laufen. Nach einer erneuten Wartungsphase soll dann 2026 oder 2027 eine Plasmadauer von einer halben Stunde in Angriff genommen werden, was praktisch einem Dauerbetrieb entspräche und so Grundlagen für mögliche Kraftwerke schaffen soll.
Inklusive Investitionen, Betriebs- und Personalkosten hat Wendelstein 7-X bereits mehr als eine Milliarde Euro gekostet. Nach Einschätzung von Kritikern ist die Energieerzeugung aus Kernfusion zum einen zu teuer und kommt zum anderen zu spät, um zur Klimaneutralität entscheidend beizutragen.
Thomas Klinger, Leiter von Wendelstein 7-X, sagte jedoch: "Der Umbau unseres Energiesystems ist eine Jahrhundertaufgabe, die nicht erledigt ist, wenn wir 2045 Treibhausgasneutralität erreichen werden." Der Bedarf werde weiter steigen. Da sei eine zusätzliche Option wie die Kernfusion gut. "Wenn wir sie jetzt nicht erforschen, wird sie der Menschheit nicht zur Verfügung stehen, wenn sie dann eben doch gebraucht wird" , sagte Klinger.
Stellarator oder Tokamak?
Das Besondere am Greifswalder Forschungsreaktor Wendelstein 7-X ist die Nutzung des sogenannten Stellarator(öffnet im neuen Fenster) -Prinzips. Dieses soll durch eine komplexe Magnetfeldgeometrie das für die Kernfusion erforderliche Plasma einschließen. Anders als beim sogenannten Tokamak-Prinzip(öffnet im neuen Fenster) ist dabei kein gepulster Strom erforderlich, sondern ein Dauerbetrieb möglich, bei dem das Plasma nicht ständig neu gezündet werden muss.
Sollte sich das Stellarator-Prinzip auch im Dauerbetrieb als erfolgreich erweisen, könnte ein Forschungskraftwerk folgen, das wie der Iter die mögliche Energieerzeugung testet. Ein erstes Fusionskraftwerk könnte entweder nach dem Tokamak- oder dem Stellarator-Prinzip arbeiten.
Im Juli 2024 wurde bekannt , dass die Fusionsforschungsanlage Iter später in Betrieb genommen wird. Demnach soll die erste Deuterium-Tritium-Fusion im Jahr 2039 stattfinden. Weltweit gibt es aktuell zahlreiche weitere Projekte zur Kernfusion .



