Keine Spionagepanik: Regierung wird chinesische 5G-Ausrüster nicht ausschließen

Anders als Trump und dessen Verbündeter Australien setzt die Bundesregierung darauf, sich genau anzuschauen, ob die Netzwerkausrüster die Anforderungen an die IT-Sicherheit erfüllen. Der Quellcode von Huawei steht dem BSI zur Verfügung, die Telekom überwacht bei Tests alle abgehenden Datenströme konstant.

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Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei ist Partner von allen drei in Deutschland aktiven Mobilfunkbetreibern.
Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei ist Partner von allen drei in Deutschland aktiven Mobilfunkbetreibern. (Bild: Achim Sawall/Golem.de)

Die Bundesregierung will beim Aufbau der neuen 5G-Technologie nicht dem Beispiel der USA und Australien folgen und chinesische Ausrüster ausschließen. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage an das Bundesinnenministerium durch Katharina Dröge, Sprecherin der Grünen im Bundestag für Wettbewerbs- und Handelspolitik, hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. "Eine konkrete gesetzliche Grundlage mit der Rechtsfolge des kompletten oder teilweisen Ausschlusses eines bestimmten Anbieters vom 5G-Ausbau in Deutschland existiert nicht und ist nicht geplant", heißt es in der Antwort.

"Im Netzwerkmarkt gibt es einige Unternehmen, deren Produkte in wesentlichen deutschen Netzinfrastrukturen umfassend eingesetzt werden", sagte Arne Schönbohm, Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik dem Handelsblatt. "Wir gehen mit dieser Realität pragmatisch um, indem wir uns anschauen, ob die Netzwerkausrüster die Anforderungen an die IT-Sicherheit erfüllen." Huawei habe dem BSI bereits angeboten, dass es Einblick in den Source Code erhalten könne. "Mit diesem präventiven Ansatz vertiefen wir gezielt unser Verständnis der Produkte und können gegebenenfalls erforderliche Vertrauensaussagen fachlich untermauern, insbesondere wenn Produkte in kritischen Bereichen zum Einsatz kommen könnten", erklärte Schönbohm.

Auch der Chef der kanadischen Cybersicherheitsbehörde hat erklärt, dass aufgrund von Cybersicherheitsmaßnahmen, die umfassende Tests der Ausrüstung und der Software beinhalten, kein Marktausschluss von Huawei erwogen werde. Neuseeland hat sich dem angeschlossen.

Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei - ein Privatunternehmen und genossenschaftlich organisiert - ist Partner von allen drei in Deutschland aktiven Mobilfunkbetreibern und rüstet auch das Festnetz aus. "In besonders sensiblem Umfeld testen wir stichpunktartig mit aufwendigen Verfahren verbaute Komponenten bis auf ihre Bestandteile", sagte ein Telekom-Sprecher dem Handelsblatt. Um völlig sicherzugehen, würden zudem abgehende Datenströme konstant überwacht. "Stellen wir Auffälligkeiten fest, nehmen wir fragliche Geräte so lange vom Netz, bis eine Untersuchung abgeschlossen ist".

CDU will nicht existierende deutsche Ausrüster

Die Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Nadine Schön (CDU), hatte als Reaktion auf den Bericht dazu aufgerufen, kritisch zu hinterfragen, dass die Mobilfunkanbieter beim Rollout der neuen 5G-Technologie in Deutschland offensichtlich überwiegend auf den chinesischen Partner Huawei setzen. "Wir dürfen gerade in sensiblen Bereichen nicht zunehmend auf andere angewiesen sein", sagte Schön.

Doch die drei führenden Netzwerkausrüster kommen aus China, Finnland (Nokia) und Schweden (Ericsson). Der deutsche Mobilfunk würde nicht existieren, wenn hier in einer internationalisierten Weltwirtschaft auf nationale Produkte gesetzt würde. Einer der Großaktionäre der Deutschen Bank ist der chinesische Konzern HNA.

Sicherheitsexperten erklären, dass Bestrebungen für IT-Autarkie eher das Kennzeichen relativ offen diktatorisch regierter Länder wie Russland oder China seien. Die Herkunft eines IT-Produkts als primären Faktor bei der Bewertung der IT-Sicherheit heranzuziehen, sei ein Fehler. Sollte tatsächlich eine bewusst platzierte Hintertür in den Produkten von Huawei gefunden werden, wäre das Unternehmen mit seinen mehr als 170.000 Mitarbeitern vermutlich innerhalb weniger Monate insolvent. Es sei daher aus wirtschaftlicher Sicht schlicht unwahrscheinlich, dass Huawei einem Druck der Regierung aus Peking nachgeben würde.

Zudem sind es Konzerne, die solche Entscheidungen fällen, nicht Regierungen: "Das chinesische Gesetz gibt der Regierung nicht die Befugnis, Telekommunikationsunternehmen zu zwingen, Hintertüren oder Abhörgeräte zu installieren oder sich an einem Verhalten zu beteiligen, das die Telekommunikationsanlagen anderer Länder gefährden könnte". Mit diesen Worten hatte Huawei auf den Ausschluss vom australischen Markt in einer Stellungnahme vom 24. August 2018 reagiert.

Huawei habe einen "sehr umfangreichen Ende-zu-Ende-Ansatz" im Bereich Cybersicherheit entwickelt, erklärte aktuell ein Sprecher des Unternehmens. Der Konzern habe auf allen Prozessebenen systematisch Sicherheitsüberlegungen und -maßnahmen implementiert, "auch und gerade im Lieferanten- und Lieferkettenmanagement". Damit spielt der Sprecher darauf an, dass dem US-Konzern Cisco im Rahmen der Snowden-Veröffentlichungen vorgeworfen wurde, mit den US-Diensten zu kooperieren. Konkret belegt wurde dieser Vorwurf jedoch nie. In den Dokumenten gibt es zwar Fotos, die immer wieder genutzt werden, um die Vorwürfe zu untermauern: Angestellte, die Pappkartons öffnen, in denen mutmaßlich Cisco-Router versendet werden. Was die Fotos tatsächlich zeigen: Die NSA hat ein Programm betrieben, mit dem Implantate in Router verschiedener Hersteller eingepflanzt werden können, um die Kunden später ohne großen Aufwand zu überwachen. Was Cisco selbst damit zu tun hat - unklar.

Was die Grünen und die CDU nicht berücksichtigen: Der deutsche Netzwerkausrüster Keymile wurde in diesem Monat von Dasan Zhone Solutions (DZS) aus den USA übernommen. Dasan Zhone Solutions ist im Bereich MSAN und Optical Line Terminal (OLT), Customer Premise Equipment (CPE), Netzwerkmanagement, Switches und Optical Network Terminals (ONT) aktiv und eng mit Südkorea verbunden.

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