Kartendienst Here: Autos fördern ihr Öl künftig selbst

Die Fahrzeuge der Zukunft werden zu digitalen Kartenherstellern. Experten sehen die Gefahr einer Marktbeherrschung durch Here, wenn die großen deutschen Hersteller mit den Daten ihrer Autos den eigenen Kartendienst pushen. Ob die Fahrer wollen oder nicht.

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Die vernetzten Autos sollen aktuelle Verkehrsdaten an die Cloud liefern.
Die vernetzten Autos sollen aktuelle Verkehrsdaten an die Cloud liefern. (Bild: Here)

Wenn Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind, dann gilt das in besonderem Maße für digitale Karten. Autonome Autos werden dank Elektroantrieb künftig ohne Benzin fahren können, aber nicht ohne aktuelles und hochpräzises Kartenmaterial. Kein Zufall, dass die deutschen Autohersteller Daimler, BMW und Audi vor wenigen Wochen den Kartendienst Here gekauft haben. Die frühere Nokia-Tochter dient den hochautomatisierten und autonomen Autos künftig als Datentankstelle.

Inhalt:
  1. Kartendienst Here: Autos fördern ihr Öl künftig selbst
  2. Autos generieren ihre Karten selbst
  3. Fahrer wollen Daten kontrollieren

Here ist ein gutes Beispiel für den Aufschwung der Berliner IT-Szene. Gerade einmal 50 Mitarbeiter hatte das Startup Gate 5, als es im Jahr 2006 von Nokia übernommen wurde. Inzwischen arbeiten am Berliner Firmensitz in der Invalidenstraße rund 1.000 der weltweit 6.300 Mitarbeiter. Die meisten von ihnen sind mit der Kartenherstellung beschäftigt. Weitere große Standorte sind Chicago, Berkeley und Seattle in den USA. Derzeit gibt es 400 offene Stellen.

Allianz gegen das Silicon Valley

Die Übernahme durch die deutschen Autohersteller hat gezeigt, welche Bedeutung dem Thema Karten und Navigation für die Zukunft des Automobils beigemessen wird. Dahinter steht selbstverständlich auch die Furcht der Autokonzerne, von den großen amerikanischen IT-Konzernen abhängig oder gar abgehängt zu werden. "Die industriepolitische Bedeutsamkeit der Akquisition ist daher unbestritten und die Kooperation der drei Hersteller ein mögliches Signal für eine Allianz gegenüber IT-Unternehmen aus dem Silicon Valley", heißt es in einer Studie des Fraunhofer-Instituts zum hochautomatisierten Fahren. Der deutschen Industrie biete sich die Chance, "sich als führender Anbieter im Bereich der digitalen Karten für automatisiertes Fahren zu etablieren".

  • Nokia Here nimmt mit einer eigenen Fahrzeugflotte weltweit hochgenaue Karten auf. (Fotos: Nokia Here)
  • Der Lidar verfügt über 32 Laser, die 700.000 Bildpunkte pro Sekunde aufzeichnen.
  • Aus Milliarden von Bildpunkten setzt die Software eine 3D-Aufnahme der Straßen zusammen.
  • Eine hochauflösende Karte einer Straßenkreuzung im US-Bundesstaat Michigan
  • Die Karten müssen so genau sein, dass sie auch die Bordsteinkanten der Straßen erfassen.
  • So sieht eine Lidar-Aufnahme aus, nachdem sie vollständig bearbeitet wurde.
  • Die hochgenauen Karten sollen die autonomen Autos in die Lage versetzen, im Voraus den Verlauf der Fahrbahn zu kennen.
  • Mit dem Konzept der "lebenden Straßen" (live roads) sollen die Autos auch über solche Hindernisse informiert werden, die nicht auf Karten verzeichnet werden können.
  • Dazu werden aktuelle Verkehrsdaten in die Cloud hochgeladen und anschließend an Fahrzeuge weitergegeben, die davon betroffen sein könnten.
Nokia Here nimmt mit einer eigenen Fahrzeugflotte weltweit hochgenaue Karten auf. (Fotos: Nokia Here)

Auf die Karten- und Autohersteller kommen dabei mehrere Herausforderungen zu. Zum einen sollen die Karten so präzise sein, dass sie eine genaue Positionsbestimmung der Fahrzeuge im Bereich von rund zehn Zentimetern ermöglichen. Zum anderen müssen die Karten wesentlich schneller als bisher aktualisiert werden. Zu guter Letzt sollen sich die Fahrzeuge über unvorhergesehene Verkehrssituationen gegenseitig in Echtzeit warnen. Gerade die beiden zuletzt genannten Aspekte lassen sich umso besser umsetzen, je mehr Fahrzeuge über einen gemeinsamen Standard ihre Daten an die Infrastruktur liefern.

Karten werden inkrementell aktualisiert

Das Ausgangsmaterial der hochpräzisen Karten nimmt Here derzeit mit eigenen Messfahrzeugen auf. Diese verfügen ähnlich wie die automatisierten Google-Autos über einen Laserscanner (Lidar) auf dem Dach. Der Scanner nimmt etwa 700.000 Datenpunkte pro Sekunde auf. Das ergebe ein Datenvolumen von 140 GByte am Tag, erläuterte Marketingmanager Bernd Fastenrath im Gespräch mit Golem.de. Die Daten werden anschließend in den "Kartenfabriken" aufbereitet. Die Autos erhalten dabei Material in verschiedenen Schichten (Layer), beispielsweise für Navigation, Lokalisierung und Planung. Zudem gibt es eine 3D-Modellierung zur Visualisierung der Daten.

Trotz der großen Datenvolumen brauchen die autonomen Autos in Zukunft keine Anhänger, um die Festplatten hinter sich herzuziehen. Laut Fastenrath lassen sich die hochpräzisen Karten aller 650.000 deutschen Straßenkilometer auf etwa 6 bis 7 GByte herunterrechnen. Das seien etwa zehnmal so viele Daten wie bei dem bisherigen Material. Allerdings ist klar: Eine aktualisierte Karte lässt sich nicht so nebenbei in ihrer Gänze herunterladen. Here verfolgt daher ein Konzept, bei dem nur bestimmte Kacheln (Map Tiles) inkrementell ausgetauscht werden. Und zwar dann, wenn das Auto auf dieser Strecke unterwegs ist.

Sensordaten sollen Karten aktualisieren

In diesem Prozess der Aktualisierung spielen die automatisierten Fahrzeuge selbst eine große Rolle. Schließlich verfügen diese über mehr als ein Dutzend unterschiedlicher Sensoren, mit denen sie ihre Umgebung erfassen. Stellen die Sensoren wie Radar, Videokamera und Lidar eine Differenz zum hinterlegten Kartenmaterial fest, beispielsweise eine Baustelle auf der Autobahn, soll das Fahrzeug diese Information zunächst an das angeschlossene Backend per Mobilfunk weitergeben. Dort, in der Cloud, wird dieser Hinweis registriert, aber noch nicht an andere Autos weitergeleitet. Dies erfolgt erst, wenn die Information von weiteren Fahrzeugen bestätigt wird.

Damit ist das Kartenmaterial aber noch nicht aktualisiert. Denn die Fahrzeuge zeichnen normalerweise ihre Sensordaten nicht permanent auf, so dass sie nachträglich von der Cloud angefordert werden könnten. Stattdessen muss das System nun an ein Fahrzeug, das sich der Baustelle nähert, einen Befehl zum Aufzeichnen der neuen Strecke senden. Die aufgenommenen Daten werden von der Fahrzeugsoftware selbst bearbeitet, bevor sie dann in die Cloud hochgeladen werden.

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Autos generieren ihre Karten selbst 
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BuddyOli 16. Dez 2015

Immer wenn es um autonom fahrende Autos geht lese ich diese Abhängigkeit vom "Internet...

Dwalinn 15. Dez 2015

Habe ich irgendwo geschrieben das die Kreuzung einen rechten Winkel hat, oder sogar eine...

tearcatcher 12. Dez 2015

Jo! Ich kann ja verstehen, den Leser mit einer interessant klingenden Überschrift zu...

Der Spatz 11. Dez 2015

Ich denke nicht das so eine Baustelle innerhalb von Sekundenbruchteilen fertig ist. Die...



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