Im Winter konnte man die Maus im Baum schwingen sehen
Die Plastikrädchen waren dazu da, ebenfalls über die Kugel zu rollen. Es gab eines oben, eines unten, eines links und eines rechts, so dass die Kugel, wenn man die Maus zum Beispiel nach links bewegte, an das rechte Rad stieß und es somit drehte. Dieses Drehen der kleinen Plastikrädchen war das eigentliche Signal, das der Computer dann als Mausbewegung verarbeitete.
Auf diesen Rädchen setzte sich die klebrige Fusselmasse besonders gerne ab. Denn auch sie mussten ja an der Kugel ordentlich entlangrollen und durften nicht gleiten. Im Normalfall saß eine mehr oder weniger breite Linie klebriger Masse in der Mitte dieser Röllchen.
Das Problem dabei: An diese Röllchen kam man nicht gut heran, sie waren fest im Gehäuse verbaut, saßen in den Wänden des daumenkuppelgroßen Murmelfachs und von ihrer Oberfläche war immer nur höchstens an ein Viertelchen heranzukommen.
An den Röllchen klebte das Zeug so richtig fest, abwischen ließ es sich nicht, und man konnte schlecht die ganze Maus unter Wasser halten. So bestand die einzige Reinigungsmöglichkeit darin, das Zeug mit einem in Alkohol oder Fensterklar getränkten Wattestäbchen mehr oder weniger abzukratzen. Abkratzen, weiterrollen, abkratzen, weiterrollen, bis irgendwann wieder Rädchen ohne Belag erschienen, das Ganze viermal.
Dadurch, dass die Prozedur aus eher mehr statt weniger Abkratzen bestand, bildeten sich im Laufe der Zeit auf diesen Rollen kleine Riefen. Je mehr es wurden, desto weniger flüssig rollte die Murmel. Irgendwann ruckelte und zuckte die Maus unkontrolliert - und zwar auch im frisch gesäuberten Zustand.
Weil Mäuse aber nicht gerade billig waren, bestand die elterliche Reaktion auf "Wir brauchen eine neue Maus" unweigerlich aus einem fröhlichen "Ach Quatsch, der Mauszeiger bewegt sich doch. Muss man nur mal richtig saubermachen." Einwände wie "Sie ist sauber" und "Das Ding macht mich wahnsinnig" wurden nicht gehört - weswegen die Sache forciert werden musste: Die Maus flog aus dem Fenster. Und zwar gut gezielt aus dem Dachfenster des Reihenhauses in den Wipfel eines riesigen Aprikosenbaumes, wo sie sich wunschgemäß verfing.
Weil der Baum zu groß für die längste verfügbare Leiter war, gab es auch kein Drankommen. Die Maus blieb im Baum, eine neue musste her. Das ging dann plötzlich ohne Probleme - zwar zur Strafe taschengeldfinanziert, aber mit essenziellem elterlichem Transport. In den darauffolgenden Wintern konnte man die im Baum vom Wind getriebene Maus schwingen sehen.
Als der Baum fiel, landete die Maus in einer anderen Zeit
Der Aprikosenbaum aber musste irgendwann weg - ein Bauvorhaben beanspruchte seinen Platz. Doch als der Baum fiel und die Maus endlich geborgen werden konnte, war sie in einer ganz anderen Zeit gelandet: Mäuse hatten Mausräder, waren außerdem für nur 5 Euro erhältlich. Computer hatten keine serielle Schnittstelle mehr, und das Konzept, eine Murmel zur Registrierung der Bewegung zu verwenden, war nun allgemein anerkannt als Zumutung eingestuft. Daher blieb es auch zum Glück aus, dass irgendein schlauer Fuchs geraten hätte: "Die kann man bestimmt noch verwenden, muss man nur saubermachen."
Doch eines ist aus der Episode geblieben - nicht die Maus zwar, auch nicht der Computer und nicht der Aprikosenbaum. Nicht einmal das Dachfenster. Aber wenn ich jetzt sage, "Ich werf das Scheißding zum Fenster raus" werde ich ernst genommen. Manchmal selbst vom Tintenstrahldrucker, der mit etwas eingetrockneter Tinte eine halbe Stunde lang zickt - und danach plötzlich und endlich wieder funktioniert.
Denn was einmal wirklich passiert ist, das könnte ja wieder passieren.
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Kaputte Technik: Die Maus im Aprikosenbaum |
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Kann mich nur anschliessen.... "in den Wipfel eines riesigen Aprikosenbaumes, wo sie sich...
ständig kam die Meldung Farbsticks alle... dann hat er halt gelernt vom 6. Stock zu...
Doch, die 1.0 - bzw. die Version noch ganz ohne Versionsnummer - ist tatsächlich Ende...
+1 sehe das genauso. lag vielleicht daran dass der autor eine fusselndes mauspad hatte...