JPEG XL: Die Browserhersteller sagen nein zum Bildformat

JPEG XL ist das überlegene Bildformat. Aber Chrome und Firefox brechen die Implementierung ab. Wir erklären das Format und schauen auf die Gründe für die Ablehnung.

Eine Analyse von veröffentlicht am
Wäre ohne den (hier künstlerisch überzogenen) JPG-Effekt mit JPEG XL sicher noch schöner: Packard 120 Kabrio Coupé von 1939
Wäre ohne den (hier künstlerisch überzogenen) JPG-Effekt mit JPEG XL sicher noch schöner: Packard 120 Kabrio Coupé von 1939 (Bild: Pedro Ribeiro Simões/Montage: Golem.de/CC-BY 2.0)

Dateiformate für Bilder gibt es viele. Die verbreitetsten wie JPEG, Gif und PNG sind Jahrzehnte alt, die neueren wie WebP oder AVIF sind eigentlich keine Bildformate, sie stammen von Videocodecs ab. Und bei Video stand schon immer die Kompression in der Prioritätenliste vor der Qualität - bei bewegten Bildern fällt pixelgenaue Korrektheit einfach nicht so sehr ins Gewicht. Wirklich sehen könnten Betrachter diese sowieso nur bei Standbildern, eine entsprechende Qualität vorausgesetzt.

JPEG XL dagegen ist ein echtes neues, tatsächlich auf Bilddateien - und die in Bildern enthaltenen Informationen und Darstellungsanweisungen - ausgelegtes, HDR-fähiges Format, das all die unterschiedlichen Spezialitäten der alten Bildformate mitbringt. Es ist für hohe Displayauflösungen ausgelegt, bringt aber auch die Fähigkeit mit, eine Datei nur so weit zu verwenden, wie es das verwendete Display im Kontext der aktuellen Ansicht benötigt.

Doch zuerst strich Google die experimentelle Implementierung für das echte Bildformat JPEG XL wieder aus Chrome, nun folgte auch Mozilla mit der Entscheidung, das Format nicht in Firefox einzubauen. Da stellt sich die Frage, ob das moderne Bildformat damit nicht schon wieder Geschichte ist.

JPEG XL hat viel zu viele Vorteile

Die Liste der Vorteile, die JPEG XL mitbringt, ist lang: Es ist ein lizenzfreies Grafikformat, beherrscht sowohl verlustfreie Komprimierung für die beste Qualität als auch eine verlustbehaftete für geringere Dateigrößen, es unterstützt progressives Decoding, das dafür genutzt werden kann, bei kleineren Bildschirmauflösungen die genaueren, nicht mehr darstellbaren Details gar nicht erst zu dekodieren, und ein Bild kann innerhalb des Formats in Kacheln abgespeichert werden, so dass ein Hineinzoomen ebenfalls nicht das Dekodieren der kompletten Datei erfordert. Und ganz nebenbei kann JPEG XL auch HDR.

Die Features, die so ein Teil-Decoding möglich machen, sind bei dem Bildformat wirklich wichtig. Es ist darauf ausgelegt, wirklich große Bilder zu unterstützen. Die maximale Bildgröße von JPEG XL liegt bei knapp 1,153 Exapixeln (genau sind es 1.152.921.502.459 Megapixel) - das ergibt eine Pixelzahl von 1.073.741.823 pro Kante.

Von den klassischen Formaten kommt nur PNG in diese Liga. PNG unterstützt theoretisch sogar bis zu vier Exapixel, es gibt aber keinen Weg für ein effizientes Dekodieren in Teilen - da wird die schiere Datenmasse ein Problem für das 16-Bit-4-Kanäle-Format.

Bei der maximalen Bit-Tiefe kommt JPEG XL auch noch mit bis zu 24-Bit-Integer oder 32-Bit-Floating-Point daher, bei bis zu 4.100 Kanälen. Alle anderen Bildformate sind in Auflösung, Kanälen oder Bit-Tiefe sowieso weit abgeschlagen. JPEG schafft immerhin knapp 5.000 Megapixel, WebP, HEIC und AVIF stecken allesamt in ein- bis dreistelligen Megapixelzahlen fest. An Kanälen haben diese auch nur drei bis vier Kanäle zu bieten, in der Bit-Tiefe ist bei 8, 12 oder 16 Bit Schluss.

Dass JPEG XL große Bilddateien so beherrscht, dass man mit diesen auch noch etwas anfangen kann, ist aber nicht alles: Klein geht auch besser als bei anderen Formaten. Ein JPEG transkodiert in JPEG XL ist zum Beispiel etwa 20 Prozent kleiner, ohne weitere Qualitätsverluste. Die durch die ursprüngliche Enkodierung entstandenen und dadurch in der JPEG-Datei vorliegenden Artefakte kann es natürlich auch nicht wieder reparieren.

Schnellere Algorithmen sind eben auch besser

JPEG XL dekodiert schneller als JPEG. Die Geschwindigkeit war laut dem JPEG-XL-Autor schon 2020 auf damals aktuellen Vierkern-CPUs 22 Prozent höher als bei JPEG - genauer gesagt lagen die Werte bei 108 MP/s (JPEG) und 132 MP/s (JPEG XL) - gemeint ist wohlgemerkt Softwaredecoding, wie für echte Bildformate üblich. Bildformate, die auf Video-Codecs basieren, nutzen, sofern vorhanden, die Hardwaredecoder der Videoformate. Manche Codecs setzen so einen Hardwaredecoder sogar voraus.

Natürlich haben die von den Videoformaten abstammenden Bildformate aber auch Vorteile Sie sind auf eine möglichst geringe Bitrate ausgelegt, Animationsmöglichkeiten bringen sie von Haus aus mit und der Support der Videoformate VP8, HEVC und AV1 ist bereits weit verbreitet, was eine Einführung der davon abgeleiteten Formate wie WebP, HEIC und AVIF einfach macht - insbesondere, weil diese Unterstützung schon in den Browser-Ökosystemen zur Verfügung steht.

Direkt an fehlende Unterstützung gedacht

Weil die Entwickler von JPEG XL aber wussten, dass einige Zeit vergehen könnte, bevor die Browser - die großen wie die kleinen - das neue Bildformat in ihren Engines unterstützen, haben sie einen Weg vorgesehen, wie das Bildformat trotzdem genutzt und auf nicht unterstützenden Browsern angesehen werden kann. Unter der Überschrift Legacy Friendliness zeigen sie auf, wie das funktioniert.

Auf einem Server können Bilddateien im JPEG-XL-Format abgelegt werden, je nach Client (und dessen JPEG-XL-Unterstützung) werden sie dann als klassische JPEG-Files oder eben als volle JPEG-XL-Dateien an die anfragende Software ausgeliefert. Das bedeutet, serverseitig können die JPEG-XL-Dateien auch ohne die Unterstützung von Chrome oder Firefox verwendet werden, ausgeliefert werden kann dann eine entsprechende, mit den Browser-Engines kompatible Datei.

Denkt man eine solche Transkodierung weiter, wäre es sogar möglich, aus der ursprünglichen JPEG-XL-Datei Antworten für ganz spezifische Anforderungen zu transkodieren. Darunter wären zum Beispiel auf die Bildschirmauflösung abgestimmte Übersichtsbilder genauso wie weit hineingezoomte Details - ähnlich, wie man es von Satelitenbild-Overlays von Kartendiensten kennt.

Trotz aller Vorteile: Google lehnt Unterstützung ab

Die Entscheidung über die Zukunft von JPEG XL in Chromium (und damit auch in Chrome) wurde in einem Bugtracking Issue zum Thema bekannt gegeben. Nachdem man sich für die Kommentare und Beiträge zur JPEG-XL-Diskussion bedankte, kündigte man an, den Support zu entfernen, und gab drei Gründe dafür an, die in Anbetracht der Vorteile des Formats doch sehr an den Haaren herbeigezogen klingen.

Experimentelle Flags und der daran hängende Code solle nicht mitgeschleppt werden, es gebe nicht genug Interesse, um weiter mit JPEG XL zu experimentieren, das neue Format bringe nicht genügend inkrementelle Vorteile und überhaupt würde das Entfernen des Codes "den Wartungsaufwand reduzieren und es ermöglichen, uns auf die Verbesserung bestehender Formate in Chrome zu konzentrieren".

Entsprechend lautete die erste Reaktion darauf: "Wirklich? Wie haben Sie das Interesse an einer Funktion gemessen, die effektiv noch niemand nutzen kann?" In einem anderen Kommentar ist zu lesen: "Das Maß an Unehrlichkeit oder schlimmer noch, Inkompetenz, das erforderlich ist, um diese Aussage logisch zu erklären, ist äußerst besorgniserregend."

Andere große Firmen widersprachen direkt, darunter "Facebook, Adobe, Intel, VESA, Krita, The Guardian, libvips, Cloudinary und Shopify", zählt Jon Snyers auf. Der wahre Grund dürfte auch woanders liegen: Obwohl Google über Google Research Zürich an JPEG XL beteiligt ist, liegen die anderen Formate WebP und AVIF der Suchmaschinen- und Youtube-Firma offenbar mehr am Herzen und der ehemalige "Don't be evil"-Konzern scheint die Videoformate mit den von diesen abhängigen Bildformaten pushen zu wollen. Leidtragende sind die Nutzer, die ein gutes, auf moderne und hochauflösende HDR-Displays zugeschnittenes und dazu noch lizenzfreies Bildformat gerne auch auf Webseiten genutzt sehen würden.

Dass Firefox dem Format die Unterstützung entzieht, ist eigentlich auch egal: Der Browser alleine hat schon lange nicht mehr die Verbreitung, um ein Format durchdrücken zu können. Letztlich bedeutet die Entscheidung nur, dass man bei Mozilla nicht den vielleicht einzigen Browser haben möchte, der das Format direkt unterstützt. Für den Fall, dass JPEG XL sich außerhalb der Browser stark verbreitet, hätte Firefox damit ja ein Alleinstellungsmerkmal. So etwas ist aber wohl bei Mozilla nicht gewünscht.

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Termuellinator 16. Feb 2023 / Themenstart

'wesentlich performanter' ist doch Bullshit. Wenn du auf irgend einem Rechner der letzten...

bofhl 15. Feb 2023 / Themenstart

Und warum gehen die werten Code-Entwickler nicht her und liefern die für alle Browser...

bofhl 15. Feb 2023 / Themenstart

Wenn die schon bisher darauf gewartet haben, dass Google die Gelder für die...

bofhl 15. Feb 2023 / Themenstart

Sind zwar ein wenig mehr - aber wirklich darstellbar sind alle Farbwerte selbst auf den...

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