Jochen Homann: Der Regulierer, der nicht regulieren wollte
Der grüne Verbraucherschützer Klaus Müller kommt, Jochen Homann geht. Eigentlich kann es in der Bundesnetzagentur nur besser werden.

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, soll neuer Präsident der Bundesnetzagentur werden. Entsprechende Informationen aus Regierungskreisen bestätigte der der Vorsitzende des Beirates der Regulierungsbehörde und niedersächsische Umweltminister, Olaf Lies (SPD), dem Handelsblatt. Die Bundesnetzagentur hat unter Müllers Vorgänger wenig geleistet, weil Jochen Homann den Konzernen nicht auf die Füße treten wollte.
Der bisherige Amtsinhaber hört Ende Februar auf, weil er nach zehn Jahren nicht noch einmal antreten darf und zudem die Altersgrenze erreicht hat. Auch Vizepräsident Peter Franke verlässt im Februar die Netzagentur. Das Vorschlagsrecht für die Nachfolge hat die SPD. In zwei Jahren scheidet der zweite Vizepräsident, Wilhelm Eschweiler, aus. Einen Nachfolger darf dann die FDP vorschlagen.
Müller leitete acht Jahre die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen, bevor er 2014 Vorstand des VZBV wurde. Vor seiner Zeit als Verbraucherschützer war der studierte Wirtschaftswissenschaftler für die Grünen in der Politik tätig: von 2000 bis 2005 als Umweltminister in Schleswig-Holstein, von 1998 bis 2000 als Bundestagsabgeordneter.
Homann: Vectoring II und Leisetreten
"Jochen Homann war als Leiter der Bundesnetzagentur stets bemüht, Entscheidungen möglichst im Sinne der Gewinninteressen der großen Netzbetreiber, allen voran natürlich der Deutschen Telekom, zu treffen", sollte man ihm ins Zeugnis schreiben. Die Stadtnetzbetreiber, die schon lange auf echte Glasfaser gesetzt hatten, sind nach Informationen von Golem.de über das Ende der Ära Homann absolut nicht traurig. Auch Breko-Geschäftsführer Stephan Albers sagte am 20. Januar 2022: "Wir setzen darauf, dass der designierte Präsident Klaus Müller sich für den Wettbewerb als Motor des Glasfaserausbaus stark macht."
Homann lobt sich selbst
Die von der Bundesnetzagentur im September 2016 getroffene Vectoring-II-Entscheidung räumte der Telekom weitreichende Rechte zum Vectoring-Ausbau aller Kabelverzweiger am Straßenrand in Nahbereichen ein. Ein alternativer Betreiber konnte nur dann in einem Nahbereich auf die letzte Meile zugreifen, wenn er sich bei der DSL-Erschließung in einem Gebiet bisher flächendeckender als die Telekom engagiert hatte.
Das rechtfertigte Homann im Mai 2021 sogar noch: Laut seinen Aussagen wäre die Homeoffice-Versorgung in Deutschland ohne die Vectoring-Entscheidung seiner Behörde nicht möglich gewesen: "Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass die Netze den gestiegenen Anforderungen gewachsen sind. Das ist ein Erfolg. Rückblickend sollten sich manche Kritiker die Frage stellen, wie dies gewesen wäre, wenn es die Bundesnetzagentur mit ihrer ausgewogenen Vectoring-Entscheidung nicht ermöglicht hätte, zügig deutlich höhere Bandbreiten nutzen zu können."
Durch den Zufall einer weltweiten Pandemie werde der politische Fehler keineswegs korrigiert, entgegnete VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner bereits am 8. März 2021 auf dieses Argument, damals als Antwort auf die Telekom. Der sehr begrenzte Mitteleinsatz für den deutschen Infrastrukturausbau sei nicht alternativlos gewesen, betonte Grützner.
Der Ausbau der Glasfaser wurde durch die Vectoringförderung bis zum Multifunktionsgebäude der Telekom geführt und dann eingestellt. Darum fehlen heute Baukapazitäten für den dringend benötigten Ausbau von FTTH/B in Deutschland.
Homann: Bloß kein Zwang gegen die Konzerne
Homann zeigte sich auch als Gegner des nationalen Roamings im Mobilfunk. Er sagte im November 2019 bei der Jubiläumsveranstaltung 20 Jahre Breko (Bundesverband Breitbandkommunikation): "Wir müssen diese elende Debatte um einen Zwang zum Roaming beenden."
Nationales Roaming bedeute die Verpflichtung der Mobilfunkbetreiber, das eigene Netz für die Konkurrenz zu öffnen und die Kunden in Regionen, in denen man selbst noch nicht ausgebaut hat, besser zu versorgen. Gegen National Roaming für LTE hatten sich die Netzbetreiber immer gewehrt. Um die Begriffe nicht zu verwenden, sprechen die Konzerne in den Ankündigungen von aktivem Network-Sharing in grauen Flecken.
Auch eine Regulierung des Fernsehkabels lehnte Homann "als eine falsche Richtung" ab. Entsprechend steht man da noch ganz am Anfang.
Und alle drei Mobilfunknetzbetreiber erhielten von Homann eine Frist zur Nachbesserung der verfehlten Versorgungsauflagen bei LTE, wie die Bundesnetzagentur im April 2020 bekannt gab. Telefónica Deutschland hatte sogar erst im zweiten Anlauf die Verpflichtung erfüllt, Strafen gab es dankt Homann keine.
Die Behörde wurde für ihre nachgiebige Haltung in dem Konflikt mit den Netzbetreibern kritisiert. Unionsfraktionsvize Nadine Schön (CDU) sprach sich im April 2020 für Sanktionen aus.
Die Bundesnetzagentur musste schließlich immer wieder aufgefordert werden, auf die Umsetzung der Endgerätefreiheit zu achten. Insbesondere Anbieter von Glasfaseranschlüssen halten sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben und erlauben keine eigenen Endgeräte am passiven Netzabschlusspunkt.
Über ein Eingreifen der Bundesnetzagentur ist auch hier bis heute nichts bekannt. Und das nach fünf Jahren Routerfreiheit. Viel weniger als ein kleineres Übel dürfte auch der relativ junge Aufsteiger Klaus Müller nicht werden. Eine Bundesnetzagentur, die tatsächlich kompromisslos den Netzausbau fördert, die Nutzerinteressen verteidigt und die Konzerne dabei mutig angreift, hat es bisher noch nicht gegeben.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de [IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)]
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Ich kenne die glasfaserausbau Situation in meiner Region sehr gut. Wir haben hier...
Wer hier ständig von Glasfaser redet und vectoring ablehnt hat den Schuss und die...
Und dafür würdest du es in Kauf nehmen, dass der Ausbau der Infrastruktur 10mal so lange...
Da kann man nur hoffen dass der Verbraucherschützer sich auch für die Verbraucher...