Ein Schritt vor und zwei zurück
Geduld gehört für ihn zum Beruf. Und Neugierde für Technik: "Man arbeitet mit so vielen verschiedenen Techniken und Algorithmen, die man dazulernen muss. Und man muss gut Englisch sprechen, denn das ist die Amtssprache in Studios." Am besten gefällt Gennadiy Bardachev an seinem Beruf, dass er regelmäßig neue Projekte mit anderen Aufgaben bekommt, zum Beispiel im Studio in Montreal. Aktuell arbeitet er in einem kleinen Team mit nur drei weiteren Programmierern an den VR-Escape-Games, die an Settings von Assassin's Creed angelehnt sind. Das VR-Game schreibt er in C#, davor hatte er Projekte in Java und Python. Die am häufigsten verwendeten Programmiersprachen sind C++ oder C, weil die Geschwindigkeit im Vordergrund steht: "Das Schöne ist, dass man hier mit allen Sprachen mal in Berührung kommt", sagt Bardachev. "Man lernt viel." Was er wann erledigt, plant er selbst. Auch diese Freiheit schätzt er an seinem Beruf.
Das Schießen mit Pfeil und Bogen in Code schreiben
Rechnet man die Arbeit aller Programmierer der verschiedenen Studios an einem solchen großen Spiel zusammen, kommt man laut Bardachev auf bis zu 5 Millionen Zeilen Quellcode. Die Programmierer arbeiten dazu mit einem internationalen Team aus Entwicklern an dem Spiel: Erst schreiben die Autoren die Story, dann stellen Games Designer die Geschichte grafisch dar und liefern etwa die Idee, wie ein Bogen funktionieren soll: Man nimmt ihn auf, zieht die Sehne zurück und schießt den Pfeil. Grafiker entwerfen anschließend ein grobes Modell davon. Dann teilt der Programmierer den Vorgang in Teile auf, zum Beispiel: Wenn du in der Nähe der Sehne bist und die x-Taste drückst, spielt sich die Schuss-Animation und der Sound ab. Dann schreibt er die Aktionsmöglichkeiten in Code, wo etwa "Sound Event Trigger" oder "Shoot arrow" stehen würde. Tester feuern am Ende den Bogen auf alles und jeden im Spiel und notieren Fehler.
Rund ums Release steigt die Spannung
Die Game-Designer schauen sich das an und dann geht es wieder von vorne los. Der Kreislauf wiederholt sich in einer Schleife und es entstehen laufend neue Baustellen: "Es kommt sehr selten vor, dass man mal vier Tage am Stück an nur einer Aufgabe arbeitet", sagt Gennadiy Bardachev. "Jede Woche treffen wir uns zum Review und legen fest, was behoben werden muss und was Neues hinzukommt. Eine Woche später schauen wir uns das Ergebnis an und so fort." Abschließend pflegt er den Code ein, baut die Version und probiert sie auf den Rechnern aus. Damit ist für ihn das Projekt erst mal abgeschlossen. Es sei denn, es tauchen nach dem Release noch Fehler auf - ein Horror für Programmierer.
Rund um das Veröffentlichungsdatum wächst der Druck auf den Senior-Online-Entwickler, wenn die Spieler auf den Server kommen. Während für Juniors ältere Mitarbeiter grobe Schnitzer entfernen, liegt die Verantwortung heute bei ihm: "Vielleicht sollte ich mich zurückstufen lassen", lacht er. Mittlerweile wissen seine Frau, ebenfalls eine Entwicklerin, und seine Freunde, dass er ab zwei Wochen vorher keine Zeit mehr hat: "Ich gehe dann lieber früh schlafen. Es hängt einiges an mir und wenn es Probleme gibt, habe ich Bereitschaft." Dann muss er sehr schnell reagieren, damit keine Server abstürzen. Wenn das nicht passiert, umso besser: "Es macht einen wirklich sehr glücklich, wenn der Release nahtlos vonstatten geht und ich noch etwas optimieren konnte", sagt er: "Bei For Honor haben sie 50 Rechner gebraucht, damit das Backend läuft; ich konnte das auf drei reduzieren. Darauf bin ich sehr stolz."
"Ich spiele immer noch so gerne wie früher"
Bis man so weit ist, dass man keine Fehler mehr macht, dauert es seine Zeit: "Manchmal schaut man sich alten Code an und würde ihn mittlerweile ganz anders schreiben", sagt Bardachev. Ein Fehler aus seiner Anfangszeit ist dem Programmierer in Erinnerung geblieben: "Als ich eingestiegen bin, wollte ich den Code gleich neu schreiben. Dann kam meine neue Version zurück, sie hat nicht gestimmt! Das war mir wirklich sehr unangenehm und ich wurde weniger übermütig. Andererseits: Fehler sind ärgerlich, aber wenn was zurückkommt, lernt man wenigstens was."
Für ihn ist das Wichtigste, dass er nach all den Jahren als Spieleprogrammierer noch genauso gerne spielt wie als Junge: "Sehr gerne sogar!" sagt er. "Nur nicht die Games, an denen ich mitgearbeitet habe. Die kenne ich ja auswendig und das ist natürlich langweilig. Mein Lieblingsspiel ist seit Teenager-Zeiten das Rollenspiel Planescape: Torment, das hat mich so tief beeindruckt." In Zukunft will Gennadiy Bardachev in Richtung Software-Architekt gehen und als eine Art Games-Consultant arbeiten: "Dann sage ich selbst: Das, das und das muss alles weg!", sagt er lachend. Und nebenbei denkt er sich weiterhin selbst kleine Spiele aus, wie damals in Odessa.
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IT-Jobporträt Spieleprogrammierer: "Ich habe mehr Code gelöscht als geschrieben" |
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