Umschulung macht keine Buchhändler zu IT-Spezialisten
Golem.de: Haben Sie ein Beispiel dafür?
Falck: Ja, sogar aus meinem Bereich: Unsere VWL-Absolventen und Doktoranden landen inzwischen überwiegend in Data-Science-Berufen. Wenn wir in diesem Sinne weiterdenken und die Suche nach IT-Fachkräften weiter fassen, könnten viele vakante IT-Stellen besetzt werden. Wir sollten nach Menschen suchen, die Kompetenzen und Fähigkeiten besitzen, die wir in Richtung IT weiterentwickeln können.
Ich will nun nicht behaupten, dass wir aus diesen Personen durch Weiterbildung umfassend qualifizierte IT-Fachkräfte in allen Bereichen machen können. Sie könnten aber einige IT-Tätigkeiten ausführen, die wir dringend brauchen. Ich meine damit nicht, Buchhändler zu ITlern weiterzubilden; diese sind vermutlich zu weit weg vom Thema. Wir sollten Menschen auswählen, die ohnehin schon nahe an der IT sind.
Golem.de: Was sind das für Menschen, welche Berufe haben die?
Falck: Unter den Ingenieuren gibt es Fachrichtungen, die weniger stark nachgefragt werden als andere, etwa Vermessungs- oder Elektroingenieure. Diese haben grundlegendes IT-Wissen aus dem Studium und aufgrund ihrer Ausbildung hohe analytische Kompetenzen, die in Richtung IT weiterentwickelt werden können. Dasselbe gilt etwa für Psychologen, die einen hohen Statistikanteil im Studium haben. Oder für Politikwissenschaftler, die zum Teil intensive Data-Science-Anwender sind.
Der Fehler ist häufig, dass die meisten Unternehmen nach Berufen und nicht nach Kompetenzen suchen und damit ihre Chancen auf eine Einstellung qualifizierter Personen schmälern.
Golem.de: Wer sollte sich um deren Qualifizierung in Richtung IT kümmern: der Staat oder die Unternehmen selbst und wer muss die Weiterbildungen bezahlen?
Falck: Dafür sind langfristige Investitionen in berufliche Bildung notwendig, von denen unsere Volkswirtschaft insgesamt profitiert und die daher nicht die Unternehmen alleine tragen sollten. Deshalb könnte der Staat die Kosten mit übernehmen - was aber nicht bedeutet, dass der Staat festlegen darf, welche Kompetenzen die Mitarbeiter erwerben sollten.
Eine Möglichkeit diese Kompetenzen zu identifizieren, ist eine detaillierte Analyse von Stellenanzeigen und insbesondere der darin nachgefragten Kompetenzen. Hierfür erweist sich die Digitalisierung wiederum als hilfreich: Die systematische Auswertung von Stellenanzeigen auf Unternehmenswebseiten, Jobplattformen und Netzwerken wie Linkedin - vor allem mit neueren empirischen Verfahren, die auf maschinellem Lernen und digitaler Textanalyse basieren - kann es ermöglichen, frühzeitig Trends bei gefragten Kompetenzen zu erkennen und Weiterbildung bedarfsgerecht zu gestalten.
Golem.de: Seit die Internetblase vor 20 Jahren geplatzt ist, hat sich der IT-Berufsstand professionalisiert, wie die steigenden Zahlen der Azubis und Absolventen in der IT zeigen. Die haben Quereinsteiger verdrängt, weil, so sagen die Firmen, IT immer komplexer wird. Meinen Sie, dass die in IT weitergebildeten Volkswirte, Psychologen und Ingenieure von der Industrie angenommen werden?
Falck: Am Arbeitsmarkt gibt es überall eine Zweiklassengesellschaft: Wer in einem gefragten Beruf top ausgebildet ist, wird stärker nachgefragt und auch mehr verdienen als Umgeschulte. So funktioniert der Arbeitsmarkt nun einmal. Wir brauchen aber beide Gruppen, um die hohe Nachfrage nach IT-Fachkräften zu bedienen. Durch die beschriebene Qualifizierung schaffen wir das eher als ohne. Dabei ist es wichtig zu realisieren, dass es eben doch vermehrt auf konkrete IT-Fachkompetenzen der Arbeitnehmer ankommt als auf formalisierte Abschlüsse.
Golem.de: Laut dem Branchenverband Bitkom gab es Ende des vergangenen Jahres 124.000 offene Stellen für IT-Spezialisten. Wie viele Quereinsteiger ließen sich in welcher Zeit zu IT-Experten weiterbilden, über welches quantitative Potenzial sprechen wir?
Falck: Diese Frage kann ich mit einer absoluten Zahl nicht seriös beantworten, die Konsequenz der gezielten IT-Weiterbildung wäre aber in jedem Fall deutlich spürbar und machbar. Denn auf dem Arbeitsmarkt gab es in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine Turbulenz von 20 Prozent, das heißt: Jeder fünfte Beschäftigte hat seinen Beruf gewechselt.
Die werden oft ausgeblendet, weil offene Stellen nur mit den Menschen verglichen werden, die genau diesen Beruf erlernt haben. Würde man diese Berufswechsler mit einbeziehen, wäre der Mangel in manchen Berufen oft nicht so groß wie beklagt oder überhaupt keiner vorhanden. Die Veränderungsfähigkeit der Arbeitnehmer sollte nicht unterschätzt werden.
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IT-Fachkräftemangel: Es müssen nicht immer Informatiker sein |
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Das ist aber auch das, was ich meine. Gerade traditionelle Firmen haben keine Ahnung, wie...
Das ist doch nichts neues. Sobald es darum geht Mitarbeiter fair zu bezahlen, kommt der...
Ich weiß worauf du hinaus willst. Physik und speziell Mathematik sind aber schlechte...
Also das hatte meine Freundin nicht bezahlt die hatte eine Zweizimmerwohnung unter 600...
Bin auch gespannt, ob das Änderungen bringt, wobei ich da noch nicht an 100% Homeoffice...