ISS: Tierbeobachtungssystem Icarus startet
Wissenschaftler wollen Tiere weltweit mit Sensoren und Sendern ausstatten, um ihre Wanderungen und Lebensgewohnheiten besser kennenzulernen. Die Daten werden zur ISS gefunkt und von dort zurück auf die Erde zu den Forschern. Der Versuch, das System - eine Kooperation von DLR und Roskosmos - am 10. Juli in Betrieb zu nehmen, schlug jedoch fehl.

Wohin ziehen die Vögel im Winter? Was machen die Ziegen am Ätna? Das wollen Forscher über ein weltumspannendes Beobachtungssystem herausfinden, an dem auch die Internationale Raumstation (International Space Station, ISS) beteiligt ist. Am 10. Juli sollte das System in Betrieb genommen werden.
Die International Cooperation for Animal Research Using Space (Icarus) ist eine Kooperation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos. Ziel ist es, Tierbewegungen auf der ganzen Welt in einem vorher nie dagewesenen Maß zu erfassen. Dazu werden Tiere mit einem etwa zwei Kubikzentimeter großen, fünf Gramm schweren Kästchen ausgestattet, in dem sich eine Reihe von Sensoren befindet: GPS für die Positionsbestimmung, ein Beschleunigungsmesser, um das Verhalten eines Tieres zu beobachten, ein Magnetometer, um die Ausrichtung relativ zum Magnetfeld der Erde zu erfassen, Sensoren, die den Luftdruck, die Feuchtigkeit und die Temperatur messen. Eine Solarzelle und ein Akku liefern den Strom dafür.
"Das ist wie eine kleine Wetterstation, die zusätzlich noch Positionen und Beschleunigungswerte aufzeichnen kann", erklärte Walter Naumann im vergangenen Jahr im Gespräch mit Golem.de. Er ist Chef des Unternehmens I-GOS aus Immenstaad, das die Sender entwickelt hat und baut. Hinzu kommt eine Kommunikationseinheit, um die Daten vom Tier zur ISS zu übertragen. Dafür wurde am russischen Swesda-Modul der Station eine Antenne angebracht, die mit einem eigens dafür gedachten Bordcomputer verbunden ist.
Über den normalen Kommunikationskanal der Station kommen die Messwerte zu den Bodenstationen in Russland und dann via Kontrollzentrum in Moskau zu den Forschern. Die Daten aus dem Projekt werden in einer zentralen Datenbank, der Movebank, gespeichert. Nach drei Jahren, in denen sie gesperrt sind, damit die Forscher sie auswerten und ihre Ergebnisse publizieren können, werden sie frei verfügbar - mit Einschränkungen: Es werden keine GPS-Daten von gefährdeten Tierarten veröffentlicht.
Icarus ermöglicht es Forschern erstmals, Tiere auf ihren Wanderungen zu beobachten - weltweit und bei vielen Arten. In erster Linie geht es den Forschern darum, Neues über das Verhalten zu lernen: Welche Tiere wandern? Welche Routen nehmen sie? Wo machen sie Rast? Wo suchen sie nach Nahrung? Wie orientieren sie sich? Wo und warum sterben sie?
Davon erhoffen sie sich auch weitergehende Erkenntnisse, etwa über die Verbreitung von Pflanzen oder Krankheiten durch wandernde Tiere. So soll es möglich sein, ökologische Veränderungen vorherzusagen oder die Ausbreitung von Krankheiten wie der Vogelgrippe zumindest einzudämmen. Schließlich sollen die Erkenntnisse dazu beitragen, bedrohte Arten zu schützen.
Am 10. Juli 2019 aktiviert das russische Bodenkontrollzentrum Antenne und Bordcomputer auf der ISS. In Immenstaad nimmt das Unternehmen Spacetech eine Test-Bodenstation in Betrieb. In den kommenden Monaten sollen alle Komponenten von Icarus sowie die Sender getestet werden. Wenn alles funktioniert, können die Forscher im Herbst oder Winter ihre Arbeit mit Icarus aufnehmen.
Nachtrag vom 10. Juli 2019, 18 Uhr
Der Bordcomputer spielte jedoch beim Start von Icarus nicht mit: Zwar ließ sich der Rechner hochfahren. Doch die Lüfter funktionierten nicht, weshalb er wieder ausgeschaltet weden musste. Die ISS-Besatzung soll das Problem an dem Rechner beheben. Es ist jedoch unklar, wann die Astronauten das in ihrem eng getakteten Zeitplan unterbringen können. Damit gibt es auch noch keinen Termin für einen zweiten Versuch.
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