Strenge Vorgaben für die Gefangenen-Kommunikation
Zukünftig müssen E-Mails demnach von einem - auf Verlangen des Senats pseudonymisierten - Gefangenen-Postfach kontrolliert und gegebenenfalls angehalten, umgeleitet oder weitergeleitet werden können. So soll in aller Regel strafrechtlich relevante Kommunikation entweder auffallen oder verhindert werden. Die Kontrolle ähnelt damit der von klassischen Briefen.
E-Mails werden in dem Vertrag unter "kostenpflichtigen Diensten" gelistet, ohne dass genaue Gebühren oder Abrechnungseinheiten genannt werden. Die Layoutmöglichkeiten sollen minimal gehalten werden, um zu verhindern, dass offizielle Stellen nachgeahmt werden. Der Zeichenumfang einer E-Mail soll beschränkt werden können - ohne dass dies in den Dokumenten begründet wird. Anhänge sind kategorisch verboten. Außerdem soll das Haftraummediensystem eine "automatisierte Auswertung des Kommunikationsverhaltens" ermöglichen.
"Wir wissen, dass sich ein Missbrauch nicht komplett ausschließen lässt und es wurden Sperren eingebaut, die die Systeme akzeptabel machen", sagt Olaf Heischel.
Kein Missbrauch im Modellprojekt
Das System wurde bereits in einem Modellversuch in der JVA Heidering getestet. Dort wurden Tablets an die Gefangenen verteilt, mit denen sie intern für Freistunden und Arztbesuche, aber auch mit externen Stellen wie dem Jobcenter kommunizieren konnten.
Dieses Modellprojekt "Resozialisierung durch Digitalisierung" wurde von dem ehemaligen Justizsenator Dirk Behrendt (SPD) angestoßen. Es lief von 2016 bis 2019 und kostete knapp über 1,18 Millionen Euro. In Zusammenarbeit mit dem Hasso-Plattner-Institut sollte herausgearbeitet werden, ob ein flächendeckender Zugang zum Internet in Berliner JVAs sinnvoll ist.
Der Versuch zeigte laut Behrendt durchaus positive Erkenntnisse auf: Internettelefonie wäre "nicht schwierig zu bewerkstelligen" und "das E-Mailing [verlief] störungsfrei". Es habe "ein oder zwei Missbräuche gegeben, aber nichts Tragisches", erzählt Heischel.
Das System hat Stärken - und Schwächen
Das Berliner Projekt stößt auf viel positive Resonanz. Berlins Justizsenatorin Lena Kreck "befürwortet die Installation von Haftraummediensystemen" in einer Anfrage von Golem.de: "Ohne Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu gefährden, wird den Gefangenen und Sicherungsverwahrten die Möglichkeit eröffnet, mit Hilfe der digitalen Dienste und Medien [...] auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten." Kreck gehört der Partei Die Linke an und gilt als progressiv im Bereich des Strafrechts.
Auch der Strafvollzugsjurist Olaf Heischel begrüßt die Entwicklung. Er sagte, dass es "um die Einführung einer erstmal dezenten Möglichkeit geht, die jeder nachvollziehen kann". GFF-Jurist Jürgen Bering hebt besonders positiv hervor, dass Nichtregierungsorganisationen (NGO) in dem Projekt eine privilegierte Stelle einnehmen. So sollen laut Leistungsbeschreibung Mails an und von bestimmten Stellen wie "Volksvertretungen und Menschenrechtsorganisationen grundsätzlich durchgeleitet" und die Kontrolle verhindert werden. Bering sagt: "Ja, diese Entscheidung befürworte ich, da geht es darum, eine ordentliche Kontrolle der Haftbedingungen zu haben und diese bei NGOs ansprechen zu können".
Das System ist aber noch nicht perfekt. "Die Prämisse ist absolut lobenswert, dennoch sind einzelne Verbesserungen möglich", sagt Bering. Er kritisiert, dass Social Media vollumfänglich verboten sein wird. Es heißt in dem Vertrag, dass es "ausgeschlossen sein [muss], dass die Gefangenen über den Internetzugang Social-Media-Kontakte, Foren, Blogs, Communities etc. nutzen". Ein eingeschränkter Zugang wäre Bering zufolge besser gewesen, da er die Resozialisierung fördern und den Strafvollzug nicht gefährden würde.
Zuletzt reichte die GFF unter Leitung von Bering eine Stellungnahme vor dem Bundesverfassungsgericht zu "eingeschränktem Zugang zu Telefongesprächen für Inhaftierte" ein. So ist es nach Auffassung der GFF verfassungswidrig, Telefonate nur in dringenden Fällen zu ermöglichen. Die Entwicklungen in Berlin, nun Internet für Gefangene bereitzustellen, würden sie beobachten - wie auch die Marktmacht Telios.
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Intransparenz bei den erhobenen Preisen |
Es interessiert dich also nicht, dass Senatoren nicht nur in Berlin existieren. Gut, dann...
Sicherungsverwahrung ist keine Haft! Jemand in Sicherungsverwahrung hat per Definition...
Erstmal ist das eine super Idee - je mehr man den Leuten ermöglicht, trotz des temporären...
Ich denke auch immer an dieses "Bin ich da schon drin oder was? Ich bin drin. Das war ja...