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Infrastruktur: Doch kein Schuldenjoint mit Merz

Mit ihrem 500-Milliarden-Programm haben Union und SPD die Grünen vor ein Dilemma gestellt. Die Ablehnung der Pläne ist berechtigt.
/ Friedhelm Greis
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Die Partei- und Fraktionschefs der Grünen erklären ihr Nein zu den Schuldenplänen von Union und SPD. (Bild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images)
Die Partei- und Fraktionschefs der Grünen erklären ihr Nein zu den Schuldenplänen von Union und SPD. Bild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Die gute Nachricht lautet: Die Union ist, was ihr Wahlprogramm angeht, flexibel. "Wir halten an der Schuldenbremse des Grundgesetzes fest. Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen" , hieß es noch in dem Papier . Dass sich CDU und CSU angesichts der veränderten Weltlage von diesem Mantra verabschiedet haben, ist an sich zu begrüßen.

Ebenso ist nachvollziehbar, dass die von der Union häufig verhöhnten Grünen(öffnet im neuen Fenster) das geplante 500-Milliarden-Euro-Paket nicht mittragen wollen. Das erklärten die Partei- und Fraktionsvorsitzenden am 10. März 2025 in Berlin(öffnet im neuen Fenster) .

Zweifellos steckte die Partei in einem Dilemma. Denn die Grünen forderten vor der Wahl selbst einen Investitionsfonds und längerfristig eine Reform der Schuldenbremse. Die Pläne für den sogenannten Deutschlandfonds decken sich dabei teilweise mit den geplanten Investitionen für das Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen, das Union und SPD umsetzen wollen. Warum also nicht zustimmen? Doch für eine Ablehnung gab es eine ganze Reihe von Gründen.

Bündnis der Trickser und Täuscher

Zunächst muss daran erinnert werden, dass die Union mit ihrer Klage dafür verantwortlich war, dass das Bundesverfassungsgericht im November 2023 den Klimafonds der Ampelkoalition für unzulässig erklärte. Damals bezeichnete die Unionsfraktion(öffnet im neuen Fenster) unter Friedrich Merz die Ampel als "Bündnis der Trickser und Täuscher" .

Die daraus folgende Haushaltskrise trug wesentlich zu den Querelen zwischen SPD, Grünen und FDP bei, was am Ende zum frühzeitigen Scheitern der Koalition führte. Nebenbei stoppte durch das abrupte Ende der Umweltprämie der Hochlauf der E-Mobilität.

Nun hat der designierte Bundeskanzler Merz wohl eingesehen, dass sich mit den Vorgaben der Schuldenbremse die erforderlichen Investitionen in die Infrastruktur und die Aufrüstung der Bundeswehr nicht stemmen lassen. "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: Whatever it takes" , sagte Merz zur Begründung. Sogar der frühere CSU-Chef Horst Seehofer wirft seiner Partei nun Wortbruch vor(öffnet im neuen Fenster) .

Geschäftsgrundlage für Schwarz-Rot

2023 schrieb Merz noch: "Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit hatte die Ampel folgende Geschäftsgrundlage gefunden: Die SPD bekommt Geld für Soziales, die Grünen Geld für Klimamaßnahmen und die FDP bekommt die - scheinbare - Einhaltung der Schuldenbremse sowie den Verzicht auf Steuererhöhungen."

Die "Geschäftsgrundlage" der schwarz-roten Koalition sollte nun lauten: Die SPD bekommt wieder Geld für Soziales wie ein sicheres Rentenniveau und eine höhere Mütterrente, die Union erhält sowie Geld für Steuersenkungen, Agrardieselsubventionen und eine höhere Pendlerpauschale. Parallel dazu werden die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse faktisch ausgenommen. Laut Handelsblatt(öffnet im neuen Fenster) will Schwarz-Rot "Investitionen aus dem Kernhaushalt verschieben, um teure und unsinnige Wahlgeschenke wie die Mütterrente und die Rentenstabilisierung zu erkaufen" .

Der Haken an den Plänen: Weil Union und SPD die Stimmen im Bundestag fehlen, sollten die Grünen die erforderliche Zweidrittelmehrheit besorgen.

Als wäre Merz selbst unter die Kiffer gegangen

Und weil im neuen Bundestag sogar noch die Linke zustimmen müsste, soll das eigentlich abgewählte Parlament das noch in dieser Woche schnell erledigen. Das heißt: Grünen-Abgeordnete, die sich das Dauerbashing aus der Union jahrelang anhören mussten und mit der Wahl vielleicht ihr Mandat verloren haben, sollten der neuen Koalition nun einen Blankoscheck von 500 Milliarden Euro ausstellen.

Übertragen auf die Cannabis-Legalisierung würde das bedeuten: Anders als im Wahlprogramm der Union angekündigt, wird die Legalisierung doch nicht rückgängig gemacht. Stattdessen ist Merz selbst unter die Kiffer gegangen und bittet die Grünen darum, ihm den Stoff zu besorgen.

Die Augsburger Allgemeine brachte das Vorgehen der Union gut auf den Punkt(öffnet im neuen Fenster) : "Von den Grünen erwarten sie selbstverständlich, dass sie nach der Wahl zu dem stehen, was sie vor der Wahl angekündigt hatten. Sie selbst aber haben keinerlei Skrupel, sogar das Gegenteil von dem zu tun, was sie zuvor großspurig versprochen hatten."

Es hätte von den Grünen einen hohen Grad an Selbstverleugnung erfordert, aus staatspolitischer Verantwortung den Plänen zuzustimmen. Hätte die Ampel das 2021 von der Union verlangt, wäre sie ausgelacht worden. Zu Recht. Denn wer das Geld besorgt, will schließlich mitbestimmen, wofür es ausgegeben wird.

Merz wollte Grünen entgegenkommen

Zweifellos verfügten die Grünen über ein starkes Druckmittel, von Union und SPD Zugeständnisse zu verlangen. Merz sagte dazu im Deutschlandfunk(öffnet im neuen Fenster) : "Wir werden natürlich auch Maßnahmen für den Klimaschutz aufnehmen in die Liste, die dann in einem Gesetz noch abschließend geklärt werden muss, oder Infrastrukturprojekte."

Doch das scheint nicht gereicht zu haben. So ließ das Sondierungspapier offen, ob die Wiederinbetriebnahme der stillgelegten Kernkraftwerke in Deutschland geprüft oder das Heizungsgesetz wieder abgeschafft werden soll. Hier hätten die Grünen konkrete Festlegungen verlangen können. Das gilt auch für klimaschädliche Subventionen wie beim Agrardiesel.

Doch nach Angaben der Grünen-Vorsitzenden Franziska Brantner hinterließ Merz auf dem Anrufbeantworter von Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann lediglich die Nachricht, "man kann auch irgendwo das Wort Klima vielleicht noch in einer Begründung nennen" . Das war der Partei viel zu wenig.

Ihrer staatspolitischen Verantwortung wollen die Grünen nun damit gerecht werden, dass sie laut Haßelmann selbst "einen Gesetzentwurf mit Blick auf die Verteidigung, auf die Frage der Krisenresilienz, die Sicherung des Friedens in Europa einbringen werden" . Eine Einigung zum Thema Verteidigung könnte daher durchaus noch in dieser Woche erfolgen.

Eine generelle Reform der Schuldenbremse wollen die Grünen jedoch eher mit der Linken im neuen Bundestag umsetzen. "Die Bürgerinnen und Bürger werden zu Recht die Frage stellen, warum noch einmal der alte Deutsche Bundestag zusammenkommen soll, wenn auch der neue Deutsche Bundestag konstituiert werden könnte und diese Reform einer Schuldenbremse auch im neuen Deutschen Bundestag eine Mehrheit bekommen" , sagte Co-Fraktionschefin Katharina Dröge.

Mit der Entscheidung der Grünen hat das Sondierungspapier im Grunde das gleiche Schicksal wie das Wahlprogramm der Union ereilt. Die anstehenden Koalitionsverhandlungen dürften daher deutlich schwieriger als die bisherige Sondierung werden.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).


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