Indiegames-Entwickler: Einmal Superstar und zurück

Wer erinnert sich noch an Markus "Notch" Persson? Der Programmierer verkörpert wie kaum ein anderer den Traum ungezählter Indie-Entwickler: mit einem selbst entwickelten Computerspiel aus dem Nichts zu gewaltigem Reichtum zu kommen.
2009 stellte der damals 30-jährige Schulabbrecher die erste Version von Minecraft in einer Art frühem Early-Access-Modell ins Netz. Schon zwei Jahre später spielten es eine Million Menschen. 2014 verkaufte Persson seine Firma Mojang und sein Spiel an Microsoft - für rund 2,5 Milliarden US-Dollar.
Kaum ein Kreativer kann von sich behaupten, mit seinem Werk global mehr Menschen erreicht zu haben. Persson erschuf das meistverkaufte Computerspiel der Welt, es gibt mehr als 600 Millionen registrierte Konten.
Reich, aber unglücklich
Trotzdem machte ihn der riesige Erfolg offenbar nicht glücklich. Eine kreative Blockade ließ ihn die Arbeit an einem Nachfolgespiel schon 2013 beenden, seitdem plagen Persson nach Eigenangaben Depressionen und Selbstzweifel in seiner 70-Millionen-Dollar-Villa in Beverly Hills.
In sozialen Netzwerken zerstört Notch sukzessive seinen Ruf: Neben sexistischen und rassistischen Aussagen führte vor allem die Unterstützung rechtsextremer Verschwörungserzählungen zur Entfremdung von großen Teilen seiner Fanbasis und zu einer Distanzierung seitens Microsoft. Zur Zehnjahresfeier von Minecraft war Persson nicht eingeladen.
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Zu Jahresbeginn 2025 sorgte der in Ungnade gefallene Indiegames-Milliardär wieder für Aufsehen: Ein geistiger Nachfolger zu Minecraft namens Adventureland sei in Planung. Schon eine Woche nach der "100 % ernst gemeinten" Ankündigung wurde das Projekt aber wieder verworfen. Stattdessen wolle sich Notch mit seinem 2024 gegründeten Entwicklerstudio auf ein Rogue-like namens Levers & Chests konzentrieren.
Stolpersteine und große Egos
Nicht wenige Helden der Indiegames-Szene geraten über kontroverse Aussagen auf Social Media in die Bredouille. Gleich zwei der Hauptdarsteller des 2012 erfolgreichen Dokumentarfilms Indie Game - The Movie stolperten sozusagen über ihre Egos. Wer auf ein weiteres Spiel des Schöpfers des ebenso außergewöhnlichen wie kommerziell erfolgreichen Pixelplattformers Fez hoffte, wurde enttäuscht.
Dessen kanadischer Entwickler Phil Fish kündigte bereits 2013 einen Nachfolger an, doch auch hier sorgte ein Twitter-Drama für Stress. Der streitbare Kanadier sah sich vor allem wegen seiner durch den Film bedingten Prominenz wiederholt im Zentrum öffentlicher, sehr emotionaler Diskussionen über die Spielindustrie.

Die regelmäßigen Twitter-Streitigkeiten - teils auch von ihm selbst angezettelt - brachten den Entwickler dann ans Ende seiner Nerven. "Fez 2 ist gecancelt. Mir reicht's. Ich nehme das Geld und haue ab" , mit diesen Worten beendete Fish eine Woche nach der Ankündigung von Fez 2 seine Karriere. Bis heute ist er dem Ausstieg treu geblieben - schade.
Rechtsabbieger
Ein weiterer Star des genannten Films entwickelte immerhin ein weiteres Spiel: Jonathan Blow war 2008 mit seinem cleveren Zeitmanipulationsplattformer Braid zu einem der ersten Indie-Superstars geworden.
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Acht Jahre später folgte mit dem trickreichen Puzzle-Game The Witness ein Spiel, das für viele ein ewiges Genre-Highlight bleiben wird. Die 2024 erschienene Anniversary-Ausgabe von Braid geriet hingegen zum Flop, der sich Blows Eigenaussagen zufolge "wie Hundekacke" verkaufte.
Vielleicht auch deshalb, weil sich der eigenwillige Kalifornier zuvor in öffentliche Kulturkämpfe anderer Art verhedderte: Der privat zurückgezogen lebende Entwickler driftete während der Pandemie ebenfalls auf Social Media zusehends ins rechte bis rechtsextreme Lager und wurde zu einem Musk- und Trump-Fan, der überall Zensur wittert - eine Enttäuschung für viele seiner früheren Fans.
Celeste und Stardew Valley
Auf ein neues Game werden die übrig gebliebenen Unterstützer wohl noch länger warten müssen. Blow ringt seit Jahren mit der Erstellung einer eigenen Programmiersprache sowie mit einem auf 20 Jahre angelegten Spieleprojekt.
Einem Erfolgsspiel einen würdigen Nachfolger zu spendieren, ist allerdings auch für Entwickler ohne Drang zur Selbstdarstellung oder politischen Exhibitionismus eine schwierige Aufgabe. Vor ihr haben auch die Macher von Celeste vor Kurzem kapituliert.
Das schwierige zweite Album
Der 2018 erschienene Pixelplattformer des kanadischen Entwicklerstudios Maddy Makes Games verkaufte sich offiziellen Angaben zufolge bis 2020 eine Million Mal, unbestätigten Berechnungen bis heute mehr als vier Millionen Mal.
Seit 2020 arbeiteten die Macher an einem Metroidvania namens Earthblade. Anfang 2025 wurde die Arbeit daran aber endgültig eingestellt. In einem langen Post(öffnet im neuen Fenster) erklärt das Studio die Gründe dafür: Interne Konflikte im Team, großer Erfolgsdruck, kreative Erschöpfung und die menschlich belastende Trennung von Pedro Medeiros, einem der Gründungsmitglieder des Studios, seien für die Einstellung verantwortlich gewesen.
Das Disco-Massaker
Es geht noch weitaus schlimmer: Das 2019 erschienene Disco Elysium war ein umwerfend originelles Ausnahmespiel, das Höchstnoten und zahllose Awards einheimsen konnte. Alleine auf Steam verkaufte sich das Rollenspiel bis 2025 etwa drei Millionen Mal.
Den Erfolg kann das Entwicklerteam um ein estnisches Kollektiv von Autoren, Künstlern und Entwicklern allerdings nicht mehr genießen, denn 2021 spitzten sich rechtliche und persönliche Konflikte beim Entwicklerstudio ZA/UM dramatisch zu.

Was genau geschah, klären inzwischen die Gerichte, oder sie versuchen es zumindest. Die Masterminds des Rollenspielerfolgs, Robert Kurvitz und Aleksander Rostov, wurden offenbar unter zwielichtigen Umständen von der neuen Firmenführung rausgeekelt.
Die rechtliche Situation ist verworren, einige Gründungsmitglieder des Künstlerkollektivs sind durch Anwaltskosten derart ruiniert, dass sie sich via Crowdfunding einen kargen Lebensunterhalt erbetteln müssen(öffnet im neuen Fenster) .
Ein bitteres Ende für die Schöpfer eines außergewöhnlichen Spiels, das von der neuen Studioleitung weiterhin vermarktet, für neue Plattformen entwickelt und sogar zur TV-Serie gemacht werden soll.
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Gleich drei neu gegründete Studios ehemaliger ZA/UM-Mitarbeiter wollen inzwischen das spirituelle Erbe von Disco Elysium fortführen. Bislang hatten vor allem Rechtsanwälte etwas davon.
Das Spiel fürs Leben
Zum Glück geht es auch anders und der Indie-Erfolg endet nicht immer in Tränen. Als Ein-Mann-Entwicklerstudio muss man sich zumindest vor dem Teamkollaps und bitterem Streit nicht fürchten.
Während aber Markus "Notch" Persson durch den Erfolg von Minecraft zum traurigen Milliardär wurde, entkam Eric Barone mit seinem weitaus kleineren, aber immer noch spektakulär erfolgreichen Stardew Valley diesem Schicksal bisher.
Zum hundertfachen Millionär machte ihn sein Spiel auf jeden Fall: Die 2016 erschienene pixelige Bauernhofsimulation ist ein Superhit, der sich bis Ende 2024 mehr als 41 Millionen Mal verkaufte.

Barone entwickelte und betreute sein Spiel über 14 Jahre lang alleine und später mit einem kleinen Team. In Interviews sagte der US-Amerikaner, er könne sich vorstellen, sein Leben lang an diesem einen Spiel weiterzuarbeiten und Stardew Valley vielleicht sogar in 50 Jahren noch mit Updates zu versorgen.
Inzwischen arbeitet er aber doch an einem neuen Spiel namens Haunted Chocolatier. Hoffentlich ereilt ihn dann nicht doch noch der Fluch des zweiten Albums - oder von Social Media.



