Games 2017: Die besten Indiespiele des Jahres

Wenn ein Indiegame der Hype des Jahres ist, kann das - wie 2016 im Fall von No Man's Sky - auf große und dann nicht erfüllte Erwartungen zurückzuführen sein. Oder auf die Geburt einer neuen Nische im Multiplayerbereich. Obwohl: Wirklich erfunden hat Playerunknown's Battlegrounds (Pubg) das Battle-Royal-Gameplay gar nicht. Aber immerhin ist sein Chefentwickler Brendan Greene einer der Schöpfer des spannenden Einer-gegen-alle-Spielmodus. Weit über 20 Millionen verkaufte Exemplare machen das Early-Access-Spiel des unabhängigen Studios Bluehole zum Phänomen, das in Sachen Spielerbegeisterung fast alle großen AAA-Titel des Jahres in den Schatten stellte.
Pubg hat es schlicht nicht nötig, im Jahresrückblick der besten Indie-Spiele noch einmal einzeln vorgestellt zu werden. Außerdem beschäftigt sich die Redaktion gerade sowieso mit Version 1.0 der PC-Fassung, die das Ende der Early-Access-Phase einläutet. Im Folgenden haben wir deshalb einen Blick auf ausgewählte Indiegames geworfen, die der eine oder andere Leser vielleicht verpasst hat.
Hellblade Senua's Sacrifice: Wahnsinnige Action
Ist das noch Indie? Wenn ein ehemaliges AAA-Studio wie Ninja Theory (Devil May Cry, Heavenly Sword) unabhängig von einem Publisher sein erstes Spiel präsentiert, bietet sich fast schon eine neue Nische an: Das außergewöhnliche Hellblade(öffnet im neuen Fenster) sei so etwas wie "Independent AAA" , sagt der britische Entwickler. Der Spielerschaft kann das egal sein, denn letztlich zählt nur das Spiel, und das ist mutig und richtig gut gelungen. In der Gestalt der keltischen Kriegerin Senua stellt man sich in diesem Actionspiel nicht nur mächtigen Wikingerkriegern, sondern auch - und vor allem - den inneren Dämonen einer fragilen Psyche.
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Dank ausführlicher Recherchen und einfühlsamer Darstellung gelingt es Hellblade Senua's Sacrifice, eindringlich die psychischen Ausnahmezustände seiner Heldin zu vermitteln. Durch optische und akustische Halluzinationen wird eine verunsicherte Realität gezeigt, in der Kämpfe und Rätsel hinter der schauspielerisch beeindruckend verwirklichten Geschichte zurücktreten. Und all das nicht in Form eines trockenen Serious Games, sondern optisch und vor allem akustisch auf allerhöchstem Produktionsniveau - bei zugleich indietypischer Preisgestaltung.
Windows-PC und Playstation 4, rund 30 Euro
Divinity Original Sin 2: Fantasywelt im Spieleformat
Rollenspielfreunde, die der guten alten Zeit der isometrischen Kultrollenspiele wie Baldur's Gate & Co nachtrauern, hatten 2017 Grund zur Begeisterung: Der zweite Teil des über Kickstarter finanzierten belgischen Fantasy-Epos Divinity Original Sin(öffnet im neuen Fenster) ist größer, schöner und komplexer als fast alles, was es bislang in der von Fans geliebten Nische zu sehen gab. Dabei ist Original Sin 2 nicht nur ein nostalgischer Nachbau, sondern dank echter Entscheidungsfreiheit, dynamisch reagierender Welt und origineller Multiplayeroptionen ein Evolutionsschritt.

Grafisch beeindruckend, umfassend vertont, voller liebevoller Details und unzähliger Überraschungen fesselt Divinity Original Sin 2 für viele Stunden an die Bildschirme. Allerdings gehören dazu der Willen zur Einarbeitung in komplexe Mechanismen und Toleranz für die bei Spielen dieser Größenordnung fast unvermeidbaren gelegentlichen Bugs. Für viele ist Divinity 2 das mit Abstand beste Rollenspiel des Jahres.
Windows, rund 45 Euro. Playstation 4 und Xbox One in Vorbereitung.
What Remains of Edith Finch: Melancholische Familiengeschichte
Wer narrative Spiele und erzählerische Experimente schätzt, kommt an What Remains of Edith Finch(öffnet im neuen Fenster) nicht vorbei. Die Rückkehr zum seit Jahren verlassenen Stammsitz der Familie wird für die titelgebende Heldin in diesem First-Person-Abenteuer zur melancholisch-tragikomischen Reise in eine Familiengeschichte, in der mysteriöse Unglücksfälle an der Tagesordnung standen.

Die Erforschung des detailliert gestalteten Wohnsitzes mit so manchem Geheimnis ist eine Abfolge mal kleiner, mal größerer Episoden aus den Leben der Vorfahren und Familienmitglieder, die immer wieder originelle Spielmechaniken erproben und bis ganz zum Schluss überraschen. Freunde der Filme von Wes Anderson (The Grand Budapest Hotel, The Royal Tennenbaums) sehen sich durch den bittersüßen Humor von What Remains of Edith Finch an ihren Lieblingsregisseur erinnert. Ein cleveres, emotionales Spiel mit vielen besonderen Momenten.
Windows-PC, MacOS, Xbox One, Playstation 4, um 20 Euro
Echo: Klonkampf im All
Und noch ein Indiespiel, das Ambitionen auf die Hochglanzproduktion der AAA-Industrie zeigt: In Echo(öffnet im neuen Fenster) , dem Debütspiel des dänischen Entwicklerstudios Ultra Ultra, erforscht eine einsame Astronautin nur in Begleitung einer körperlosen KI einen bizarren Planeten, der zugleich eine Maschine und ein absurd-hyperbarocker Kitschpalast ist. Hervorragend vertont (die Hauptrolle spricht Rose Leslie, besser bekannt als Ygritte aus Game of Thrones) und beeindruckend in seiner Ästhetik, bietet Echo allerding auch eine originelle zentrale Gameplay-Mechanik: den Kampf gegen sich selbst.

Die zu Beginn noch leeren Säle und Hallen des mysteriösen Palastes werden nach und nach von rabiaten Klonen der Heldin bevölkert, die ihr nichts Gutes wollen und außerdem ständig durch Beobachtung von ihr lernen. Verlegen sich Spieler aufs Schleichen, werden sie unter Umständen auch bald aus dem Hinterhalt ausgeschaltet. Greift die Heldin oft zu den Waffen, muss sie sich bald vor Beschuss in Acht nehmen. Ein überaus cleverer Gameplay-Trick, den man so noch nie gesehen hat.
Windows-PC und Playstation 4, um 23 Euro
Observer: Rutger Hauer ermittelt
In der düsteren Cyberpunk-Zukunft des Jahres 2084 ist ein sogenannter Neuraldetektiv einer Reihe von Mordfällen auf der Spur. Das Spiel Observer(öffnet im neuen Fenster) des polnischen Entwicklerstudios Bloober Team glänzt mit Filmstar Rutger Hauer in der Hauptrolle und nutzt die First-Person-Perspektive für ein beeindruckendes Horrorerlebnis, in dem Spieler in die albtraumhaften Gedankenwelten von Lebenden und Toten eindringen können. Atmosphärisch erinnert das an die Versprechen, die der inzwischen aus dem Netz verschwundene Playable Teaser des eingestellten Silent-Hill-Reboots gab.

Observer wechselt zwischen minutiöser Detektivarbeit in beeindruckend gestalteten Science-fiction-Umgebungen und surrealen Sequenzen, in denen mit der Wahrnehmung der Spieler gespielt wird. Ein stylischer, beunruhigender Horrortrip mit überwältigender Atmosphäre.
Windows-PC, MacOS, Linux, Playstation 4 und Xbox One, um 30 Euro
Und sonst?
Natürlich bleibt die Beschränkung eines - außergewöhnlich guten - Spielejahres auf wenige Höhepunkte unvollständig, denn 2017 hatte noch weitaus mehr großartige Indie-Spiele zu bieten. Vom Cartoon-Hardcore-Spiel Cuphead(öffnet im neuen Fenster) (Windows-PC, Xbox One, 20 Euro) über das grandios ausgeflippte Everything(öffnet im neuen Fenster) (Playstation 4, Windows-PC, MacOS und Linux, 15 Euro) bis hin zum wunderschönen Action-Abenteuer Rime (Switch, PS4, Xbox One und Windows-PC, um 35 Euro) und vielen anderen war für jeden Spielegeschmack etwas dabei.
In den Beiträgen der im Februar 2017 auf Golem.de gestarteten, monatlichen Indiegames-Rundschau warten übrigens noch einige Dutzend weitere empfehlenswerte Programme des zu Ende gehenden Jahres. Das Indie-Jahr 2017 war großartig - freuen wir uns auf die Überraschungen, die unabhängige Entwickler im nächsten Jahr für uns bereithalten.



