IMHO zum Jugendmedienschutz: Altersschranke nützt nicht Kindern, sondern Erotikseiten
Wenig beachtet, aber brisant: Die neuen Vorschläge zum JMStV sind genauso fragwürdig wie die alten. Die vorgeschlagene Alterskennzeichnung von Webseiten schadet Bloggern und kleinen Unternehmen - ohne Kindern und Jugendlichen zu nützen.

Vor vier Jahren wurde die Diskussion um eine Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) sehr heftig und kontrovers geführt - schließlich scheiterten die geplanten Neuregelungen. Mittlerweile gibt es einen neuen Anlauf für eine Neuregelung, der weit weniger öffentliche Beachtung findet. Dabei sind die geplanten Änderungen ähnlich fragwürdig wie vor vier Jahren. Innovative Ansätze wie die Einbindung medienpädagogischer Konzepte sucht man weiterhin vergeblich.
Zentraler Regelungsbestandteil der geplanten Novellierung ist die Einfügung von Altersstufen für Internetinhalte, die die Entwicklung beeinträchtigen. Der Anbieter solcher Inhalte soll seine Pflicht zur Alterskennzeichnung dadurch erfüllen können, dass er ein gemäß den Vorgaben des JMStV entwickeltes Verfahren nutzt. Dabei soll die Alterskennzeichnung von einem anerkannten Jugendschutzprogramm ausgelesen werden. Alternativ kann er seine Angebote nur zu solchen Zeiten verbreiten oder zugänglich machen, in denen Kinder oder Jugendliche sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Das heißt, die Angebote sollen dann erst nach 20 oder 22 Uhr verfügbar sein.
Die Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber immer noch daran glaubt, die aus dem Fernsehen bekannte Sendezeitbeschränkung und die für Trägermedien geltenden Alterskennzeichnungen auch auf Websites übertragen zu können. Die Problematik, die hinter diesen Konzepten steckt, wird seit Jahren diskutiert, ohne erkennbares Ergebnis.
Ein faktischer Zwang zur Alterskennzeichnung entsteht
Gerade für kleine Seitenbetreiber und Blogger ist es eher schwierig zu erkennen, ob ihre Inhalte entwicklungsbeeinträchtigend im Sinne des Gesetzes sein können. Websites ohne Alterskennzeichnung können möglicherweise gar nicht mehr von Kindern oder Jugendlichen aufgerufen werden - wenn deren Eltern oder gar der Provider ein entsprechendes Filterprogramm vorgeschaltet hat, wie beispielsweise von der KJM gefordert. Und das gilt selbst für völlig harmlose Websites. Denn wenn die Jugendschutzprogramme alle Websites ausfiltern, die überhaupt keine Alterskennzeichnung haben (White-List-Prinzip), dann bleibt nicht mehr viel übrig.
Dieser Mechanismus könnte dazu führen, dass ein faktischer Zwang zur Alterskennzeichnung entsteht. Will man das Risiko vermeiden, dass die eigene Website von Minderjährigen überhaupt nicht mehr genutzt werden kann, wird man als Anbieter im Zweifel also lieber eine Alterskennzeichnung vornehmen. Die kann man sich allerdings nicht selbst ausdenken, sondern man muss sie von einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle vornehmen lassen. Und das ist für die meisten Websites, die mit ihren Inhalten kein Geld verdienen, keine realistische Option. Das Szenario, wonach mit staatlicher Hilfe in großem Stile Internetinhalte ausgefiltert werden, ist somit nicht gänzlich abwegig.
Erotikseiten profitieren
Die großen Profiteure dieser Regelung sind übrigens Erotik- und Softpornoanbieter, denn ihnen würde die Regelung ermöglichen, nunmehr Inhalte ins Netz zu stellen, die bislang nicht frei verfügbar waren. Solche Anbieter stehen der Neuregelung daher durchaus wohlwollend gegenüber. Die Frage, ob damit der Jugendschutz nicht eher in sein Gegenteil verkehrt wird, darf und muss gestellt werden.
Das Konzept der Alterskennzeichnung ist im Netz auch deshalb problematisch, weil sich auch Kinder und Jugendliche auf die Informationsfreiheit des Art. 5 GG berufen können und es auch ihnen möglich sein muss, sich grundsätzlich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Genau das ist auch ein wichtiger Baustein auf dem Weg, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern. Gerade diese Aufgabe des Jugendschutzes wird durch das skizzierte Konzept des Jugendmedienschutzes erschwert.
Altersschranke lässt sich leicht umgehen
Darüber hinaus funktioniert die Alterskennzeichnung im Netz aber auch technisch nicht. Sie lässt sich auf sehr einfache Art und Weise umgehen, wie Alvar Freude schon vor einiger Zeit in seinem Blog erläutert hat.
Der Informatiker Johannnes Federrath hat in einer Ausschussanhörung im Landtag von Nordrhein-Westfalen im Jahre 2010 deutlich gemacht, dass der JMStV aus technischer Sicht keine tragfähige Grundlage für den Jugendmedienschutz darstellt. Da das Grundkonzept des JMStV unverändert bleibt, behält auch diese Aussage weiterhin ihre Gültigkeit.
Das Internet ist eben kein Fernsehen und auch keine DVD, worauf Henning Tillmann gerade zu Recht hingewiesen hat.
IMHO; ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (meiner bescheidenen Meinung nach)
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- Den Kontakt mit Fahrzeugen haben kinder auch recht früh in form von bobby cars...
nein, das nicht, aber Porno ist nicht gleich Porno. Nackt im Bett liegen mag harmlos...
Erziehung mit nur einem Part kann aber nie so vollständig sein wie mit beiden.
... Also ich finde, dass wir da Jugenarbeitsschutz durch aus brauchen :P ... Ja dieser...