Imho: Von der Hinterlist einer lichtscheuen Politik

Ein Staat, der Bürger systematisch überwacht, kann kein freiheitlicher Rechtsstaat sein, sagt der Blogger und Jurist Thomas Stadler. Prism und Tempora zeigten: Die Grundrechte schützen uns nicht mehr.

Artikel veröffentlicht am , Thomas Stadler/Internet-Law
Proteste vor dem US-Konsulat in Hongkong am 15. Juni 2013
Proteste vor dem US-Konsulat in Hongkong am 15. Juni 2013 (Bild: Philippe Lopez/AFP/Getty Images)

Die weitreichende TK- und Internetüberwachung der US-Amerikaner (Prism) und der Briten (Tempora) führt zu durchaus bemerkenswerten Diskussionsbeiträgen. Manche fordern eine Stärkung des Datenschutzes und der Verschlüsselung, während andere dazu raten, nicht so geschwätzig zu sein und vielleicht auch mal wieder unter vier Augen oder im Wald miteinander zu reden. Alles ganz interessante Vorschläge, die aber am Kern des Problems vorbeigehen.

Inhalt:
  1. Imho: Von der Hinterlist einer lichtscheuen Politik
  2. Ein freiheitlich-demokratischer Staat wird uns nur vorgegaukelt

Das Vieraugengespräch ist kein Surrogat für die Onlinekommunikation, und als Bürger möchte ich mich weder von meinem eigenen noch von einem anderen Staat dazu zwingen lassen, laufend zur digitalen Selbstverteidigung greifen zu müssen und meine gesamte Kommunikation zu verschlüsseln.

Ein Staat, der seine eigenen Bürger oder die Bürger fremder Staaten systematisch überwacht, kann sich nicht zugleich als freiheitlicher Rechtsstaat begreifen. Viele Menschen haben mit dieser Überwachung offenbar aber kein Problem, weil sie glauben, das würde sie nicht betreffen, sondern nur Terroristen oder Terrorverdächtige. Warum diese Annahme naiv und falsch ist, lässt sich im Grunde mit einem Wort erklären: Guantanamo.

Dort werden seit Jahren Menschen festgehalten, die zu einem erheblichen Teil unschuldig sind und nie ein ordentliches Gerichtsverfahren bekommen haben und auch nie eines bekommen werden. Es kann also im Grunde jeder in den Fokus von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden geraten, wenn er zur falschen Zeit am falschen Ort ist, oder wenn die digitale Rasterfahndung aus ein paar ungünstigen Einzelindizien einen unberechtigten Tatvorwurf entstehen lässt.

Die Grundrechte schützen uns nicht mehr

Dieses Phänomen ist sogar aus Strafverfahren bekannt, die vergleichsweise strikten rechtsstaatlichen Vorgaben folgen. Spätestens dann, wenn es keine nachvollziehbaren Regeln mehr gibt und die Betroffenen überhaupt nicht mehr wissen, welche Einzelinformationen gesammelt wurden und wie diese verknüpft worden sind, wird der Einzelne zum Objekt eines undurchsichtigen Machtapparats.

Genau vor dieser Entwicklung sollen uns die Grundrechte schützen, aber sie tun es nicht mehr. Es geht längst nicht mehr nur um einzelne Grundrechte wie die informationelle Selbstbestimmung oder das Fernmeldegeheimnis. Es geht um die Würde des Menschen, um das Recht, selbstbestimmtes Subjekt sein zu dürfen, das sich von nichts und niemandem zum bloßen Objekt einer undurchsichtigen Überwachungsmaschinerie machen lassen muss.

Diese Diskussion gipfelt letztlich in der Frage, für welches Menschenbild unsere Gesellschaft künftig stehen wird. Für das des Subjekts, das frei und selbstbestimmt handeln kann oder für das des Objekts, das unter dem Vorwand der Sicherheit bloßer Spielball eines Staates ist.

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Ein freiheitlich-demokratischer Staat wird uns nur vorgegaukelt 
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kitingChris 28. Jun 2013

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spiderbit 27. Jun 2013

ja seh ich auch so, aber die ausprägung ist schon noch wichtig... es ist z.B. ein...

Lala Satalin... 27. Jun 2013

Du hast vollkommen Recht, jedoch lebt es sich in Deutschland immer noch am besten...

MrKnoedelmann 27. Jun 2013

genau so seh ich das auch. man kommt nicht umhin an diesen blöden Informatikerwitz mit...



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