Keine Scheu vor radikalen Schritten

Mehrfach hat Netflix-CEO Reed Hastings bewiesen, dass er sich nicht vor radikalen Veränderungen des Geschäftsmodells scheut, um das Unternehmen an neue Marktumstände anzupassen. Er verwandelte Netflix von einer Videothek in einen DVD-Abodienst, machte daraus später einen Onlinestreamingdienst und etabliert Netflix mittlerweile auch als Produktionsstudio und Rechtevermarkter. Eine seit zwölf Jahren börsennotierte Firma, die sich derartig agil bewegt, sieht man selten.

Sofern Hastings und seine Mitarbeiter nicht plötzlich ihren Tatendrang und Einfallsreichtum verlieren, muss man aufgrund der bisherigen Unternehmenshistorie fast davon ausgehen, dass weitere mutige, risikoreiche Neupositionierungen oder Erweiterungen der Geschäftsaktivitäten folgen. Liveübertragungen von Sportereignissen vielleicht? Der Kauf von Kinoketten? Die Übernahme von TV-Sendern? Netflix-"Fernsehgeräte"?

In einem Markt, dessen veraltete, lange unangefochtene Strukturen durch das Internet nach und nach in sich zusammenfallen, ist die Bereitschaft für experimentierfreudige, auch verrückte Ideen eine der wichtigsten Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein.

Netflix ist natürlich nicht der einzige große Internetkonzern, der den TV- und Filmbereich aufmischen möchte. Doch keiner der Konkurrenten, egal ob Amazon, Apple, Google mit Youtube oder Hulu, kommt bislang auch nur annähernd an Netflix heran. Geht man von üblichen Marktdynamiken des Onlinesektors aus, dann tendieren die Dienste, die sich einmal als dominierend etabliert haben, in der Regel dazu, ihren Vorsprung vor den Wettbewerbern auszubauen.

Netflix hat zudem etwas, was den anderen Akteuren fehlt: Fokus. Das Unternehmen widmet sich vollständig dem Film- und Serienbusiness, während der US-Wettbewerb verstärkt an Mischkonzerne erinnert, die ihre Ressourcen und Aufmerksamkeit auf viele Produkte gleichzeitig verteilen. Ich glaube, dass dies Netflix in der Markenpositionierung, aber auch im Bezug auf die Contentakquisition und -produktion einen erheblichen Vorteil verschafft.

Größe

Auch wenn Netflix außerhalb Nordamerikas bislang wenig erreicht hat, so eilt dem Unternehmen sein Ruf voraus. Ich behaupte, dass Netflix bei vielen Branchenbeobachtern und Journalisten selbst außerhalb der USA als Synonym für Film- und Serienstreaming steht - ungeachtet der Tatsache, dass es oft lokale Nachahmer gibt, wie in Deutschland beispielsweise Watchever und Maxdome. Einfluss hierauf hat auch die für Netflix zusätzliche Umsätze generierende Lizenzierung der Netflix-Exklusivproduktionen an nationale Fernsehsender, in Deutschland etwa an Sat.1. All das schafft schon im Vorfeld Bekanntheit für den Dienst.

Ähnliche Konstellationen in verwandten Onlinesparten der vergangenen Jahre lassen erahnen, was mit einheimischen Services geschieht, sobald Netflix seinen Markteintritt feiert: Sie bleiben in ihrer relativen Nische, während das "Original" relativ zügig erfolgreich wird. Damit dies klappt, ist natürlich ein überzeugender Fundus an Inhalten Voraussetzung wie zum Beispiel Exklusivproduktionen. Denn die lokale Konkurrenz wird kaum in der Lage sein, bekannte Hollywood-Schauspieler verpflichten zu können.

Big Data und Algorithmen

Eine wichtige Rolle spielt Netflix' umfangreiche Vorerfahrung im Bereich der Datenanalyse, die den Dienst dazu befähigt, Nutzern genau die Inhalte zu bieten, die sie am meisten interessieren. Vorteilhaft ist das besonders bei der Produktion eigener Exklusivinhalte: Aus Millionen von Streams ziehen die Netflix-Optimierer detaillierte Erkenntnisse darüber, welche Momente, Szenen und Handlungsstränge welche demografischen Gruppen besonders bewegen, und entscheiden davon ausgehend, was in Zukunft über Netflix erhältlich sein soll.

800 Entwickler sind bei dem Konzern tätig. Viele arbeiten an Verfahren, um Nutzern die für sie besten Filme, Serien und Dokumentationen zu empfehlen. Diese Expertise und Manpower verschaffen Netflix einen erheblichen Vorsprung gegenüber nationalen Kontrahenten sowie den Onlineablegern der TV-Konzerne, deren Maßnahmen vermutlich niemals an den daten- und algorithmengetriebenen Erfahrungsschatz der Kalifornier heranreichen werden.

Fazit

Netflix hat denkbar gute Chancen, zum international erfolgreichsten Player im von Konsumenten geliebten Segment der Premium-Bewegtbildinhalte aufzusteigen und einen signifikanten Teil des Zeitbudgets zu übernehmen, welches derzeit vom linearen Fernsehen beansprucht wird. Dass es dazu kommt, ist wahrscheinlich - vorausgesetzt, Netflix schafft es, die unter der Last des Videotraffics leidenden Internetzugangsanbieter bei Laune zu halten - die Führungskräfte des Anbieters zeigen sich in der Frage optimistisch - und weiterhin einen überzeugenden Contentmix bereitzustellen, ohne nicht zu lange rote Zahlen zu schreiben. Beides erscheint aus heutiger Sicht absolut nicht abwegig. Von daher könnte Netflix trotz des gar nicht mehr in so weiter Ferne liegenden 20. Geburtstags noch immer am Anfang seiner Erfolgsgeschichte stehen.

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 Videodienst: Netflix könnte der nächste große Internetkonzern werden
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koelnerdom 22. Feb 2014

Nur hab ich gern auch ein Bild zum Ton, wenn ich kein Hörspiel hören möchte und das war...

sedremier 21. Feb 2014

Also solange "Breitband" hier in De noch heißt "LTE mit 1GB inkl. Volumen" ... SCHADE...

s1ou 20. Feb 2014

So seh ichs auch. Der Live Sport ist das warum ich Sky habe, alles andere ist nur...

Luu 20. Feb 2014

Zum einen bietet Netflix jedem ISP mit OpenConnect (https://signup.netflix.com...



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