Datenquellen gibt es überall
Über den Kurznachrichtendienst Twitter werden täglich mehrere Hundert Millionen Tweets abgesetzt. Tweets sind eine perfekte Datenquelle - auch für Analysen. Wissenschaftlern aus den USA ist es vor gut einem Jahr nach eigener Auskunft sehr präzise gelungen, durch eine Analyse von Tweets aus bestimmten Regionen der Vereinigten Staaten herauszufinden, wo sich eine Grippeepidemie ausbreitet, und das qualitativ auf demselben Niveau wie die Analysen der zuständigen Gesundheitsbehörden.
Andere US-Forscher arbeiten an der Analyse von Tweets zur Diagnose von Depressionen. Noch etwas weiter ging ein deutscher Forscher mit der Analyse von elektromagnetischen Wellen, wie sie beispielsweise vom WLAN-Router in der Wohnung abgestrahlt werden: Anhand ihrer Veränderung könne man, so seine Einschätzung, erkennen, wann, wie und mit welcher Geschwindigkeit sich jemand in der Wohnung bewegt. Auch diese an ein Radar erinnernde Analyse hatte nach Aussage des Forschers eine hohe Erfolgsquote.
Ohne an dieser Stelle auf technische Details einzugehen, darf man diese Analysen nicht nur für plausibel halten, sondern kann zugleich sicher sein, dass sie lediglich einen kleinen Abriss aus dem unerschöpflichen Möglichkeitsspektrum darstellen, welches Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern inzwischen geboten wird. Vor diesem Hintergrund erscheint die Idee, Telefon- und Internet-Metadaten zwangsweise und von jedermann langfristig zu speichern, um etwas über das Kommunikationsverhalten von Menschen zu erfahren, nicht nur rechtlich und sozial bedenklich, sondern beinahe schon antiquiert.
Die klassische Vorratsdatenspeicherung ist längst überholt
Gleich mehrere Gründe machen diese Beispiele im Speziellen und die Fortschritte der digitalen Entwicklung im Allgemeinen hilfreicher als die klassische VDS: Sie wirken in kriminalistischen Anwendungsfällen passgenauer und weniger invasiv, sicherlich deutlich akzeptabler, datenschutzkonformer bzw. verhältnismäßiger und auch praktischer. Viele der erwähnten Daten liegen bereits vor, viele weitere Quellen kommen in den nächsten Jahren hinzu.
Meist werden die Daten sogar freiwillig generiert. Gerade dieser Aspekt ist aus Akzeptanzgesichtspunkten ein entscheidender Vorteil gegenüber der pauschalen Massenüberwachung durch die VDS. Wer seine Lebenswelt digital wie analog individuell ausgestaltet, kann sich nach Begehung einer Straftat kaum beschweren, wenn sich die Ermittler diese Lebenswelt mal genauer anschauen und entsprechende Erkenntnisse zutage fördern.
Man kann als Täter der Polizei schlecht vorwerfen, bei der Fahndung auf die eigene Körpergröße und Kleidung hinzuweisen, da dies schließlich sensible Ausprägungen der Persönlichkeit seien. Dasselbe gilt für viele Bereiche des digitalen Lebens. Wer sein Smartphone zum Tatort mitnimmt, darf sich nicht wundern, wenn es sich mit dem dortigen Funkzelle verbindet und Daten über sich und seinen Inhaber preisgibt, für die sich dann später die Polizei interessiert.
Ermittlungen werden digitaler
So wie wir bestimmten Entwicklungen und ihren jeweiligen Ausprägungen in der analogen Welt kaum bis gar nicht mehr entgehen können, gibt es auch in der digitalen Sphäre Entwicklungen, die lebensweltlich grundsätzlich nicht mehr vermeidbar sind. Digitale Daten fallen wie gezeigt in Tools, Endgeräten und bei Anbietern zuhauf an, ebenso wie analoge Daten im Alltag zuhauf anfallen, beispielsweise in Form von Zeugenbeobachtungen, Blut- oder Geruchsspuren. All diese Aspekte können in Ermittlungsverfahren wertvolle Bausteine zur Aufklärung eines Falles darstellen. Das Ermitteln wird zunehmend digitaler, aber genau deshalb lässt es sich besser denn je ohne spezifische Zwangsdatenspeicherung und Einrichtung einer singulären Überwachungsinfrastruktur durchführen.
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IMHO: Die Vorratsdatenspeicherung ist veraltet | Deutsche Behörden interessieren sich für Predictive Policing |
Bei der Formulierung "Wer sein Smartphone zum Tatort mitnimmt, darf sich nicht...
Dann erklär mal wie man an einen Emailaccount kommt, dessen Existenz und Nutzung...
Sagt mal habt ihr alle was verpennt oder ich? Ich dachte die Bestandsdatenauskunft wäre...
Wenn Predictive Policing grundrechtskonform umgesetzt werden soll, heißt das ja, sich...