IMHO: Der Kirchentag der Netzgemeinde
Pfarrer Lobo predigt, das Motto ist so beliebig wie ein Bibelvers. Aber es war schön, dass sich die Netzaktivisten mal wieder in Berlin getroffen haben.

Es ist das Fazit der Veranstalter, aber es liest sich fast wie eine Kapitulationserklärung: "Die Re:publica entwickelt sich immer mehr zu einer Veranstaltung für die ganze Gesellschaft", hieß es zum Abschluss der dreitägigen Konferenz. Das drücke sich "sowohl in dem breiten Themenspektrum, als auch heterogenen Mix der Gäste aus". Mit anderen Worten: Die frühere Internetkonferenz und das ursprüngliche Bloggertreffen Re:publica gibt es nicht mehr. An deren Stelle ist eine Massenveranstaltung mit 7.000 Besuchern getreten, bei der es den meisten vor allem darum geht, alte Netzbekannte mal wieder im Real life zu treffen und sich der gemeinsamen Überzeugungen zu versichern. Willkommen auf dem Kirchentag der Netzgemeinde.
Da traf es sich gut, dass die Community in Gestalt der NSA nun über einen Beelzebub verfügt, den man dem Internet gerne wieder austreiben möchte. Wie das wirkungsvoll umgesetzt werden kann, hätte das große Thema der Re:publica 2014 sein können. Doch erfolgversprechende Lösungsansätze waren Mangelware. Dazu hätte man sich vermutlich intensiver mit Politik und großen IT-Firmen auf eine Bühne setzen müssen. Stattdessen ließ man sich von Sascha Lobo die Leviten lesen und sich vorwerfen, nicht genügend in den Klingelbeutel der Netzaktivisten zu stecken. Eine flammende Rede Lobos gehört dabei zur Re:publica wie ein Bibelworkshop mit Margot Käßmann zum Kirchentag.
Wenig inhaltliche Botschaften
Wie der Kampf um die Netzneutralität und die Warnungen vor Big Data zeigen, sind Politik und große Konzerne auf vielen Gebieten weiterhin Gegner und keine Verbündeten der Netzgemeinde. Durchaus zu Recht. Asyl für den Helden und "Märtyrer" Edward Snowden war daher fast die einzige inhaltliche Botschaft, die von dem Treffen nach draußen dringen konnte. Danach dominierten schon Spaßaktionen wie der Auftritt David Hasselhoffs und der Hoax zu Google-Nest die Berichterstattung. Es war leider kein glücklicher Umstand, dass zeitgleich zur Re:publica im Bundestag wichtige netzpolitische Debatten zu Snowden und zur IT-Sicherheit stattfanden.
Recht dürftig war teilweise auch das Niveau der 350 Veranstaltungen. Das Motto "Into the wild" ließ sich zwar optisch gut inszenieren, war aber nicht dazu geeignet, als roter Faden durch das Treffen zu leiten. Es gab wenig Neues, und viele unausgegorenen Studien oder Überlegungen wurden präsentiert. Auch den Referenten scheint es vielfach darum zu gehen, überhaupt auf der Konferenz präsent zu sein und sich einem größeren Publikum präsentieren zu können. Waren manche Vorträge, wie der von Erich Moechel, nur für Kryptographie-Experten verständlich, fehlte anderen die erforderliche Tiefe, um überhaupt zu einem Erkenntnisgewinn zu führen. Aber es war schön, mal wieder darüber geredet zu haben.
Lobo ins Olympiastadion
Wie soll es mit der Konferenz daher weitergehen? Da das Netz immer größere Bereiche der Gesellschaft durchdringt, kann in Zukunft im Grunde über alles und jedes auf der Re:publica diskutiert werden. Schon jetzt lobten sich die Veranstalter dafür, dass "sich auch intensiv über die Mobilität der Zukunft, Geschichte und Geschichtsvermittlung, Gesundheit, Bildung, Innovation, Kunst, Startups und viele weitere, für eine digitale Gesellschaft wichtige Themen ausgetauscht" wurde. Wenn es so weitergeht, muss Sascha Lobo seine Predigt in fünf Jahren im Olympiastadion halten.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)
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asfc
Die Anzahl der Besucher zeigt, dass die re:publica für viele Menschen, vernetzt, Internet...
ACTA als Gegenbeispiel, in Sachen Netzneutralität/EU geht es zumindest voran.
Tja nur leider regieren die Kellerkinder die Welt. Die Axt-Proleten habe das letzte...