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IMHO: Datenschutz ist Privatsache

Erst erklärt die Bundesregierung die NSA-Spähaffäre für beendet, und plötzlich wird sie doch zur Chefsache - weil die Kanzlerin belauscht worden sein soll. Angela Merkel demonstriert am eigenen Beispiel, dass Datenschutz für viele Menschen erst dann wichtig wird, wenn sie ganz persönlich betroffen sind.
/ Nico Ernst
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Merkel beim Besuch eines Berliner Startups im März 2013 (Bild: Jochen Zick - Pool/Getty Images)
Merkel beim Besuch eines Berliner Startups im März 2013 Bild: Jochen Zick - Pool/Getty Images

Einfacher als Bundesdatenschützer Peter Schaar kann man den Hintergrund der wiederbelebten Spähaffäre nicht zusammenfassen: "Ich ärgere mich, dass erst die eigene Betroffenheit dazu führt, dass hier gehandelt wird." Das sagte Schaar(öffnet im neuen Fenster) am Tag nach Bekanntwerden des dringenden Verdachts, dass auch ein Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört wurde.

Wie immer wich Merkel sofort geschickt aus, indem sie dem Sender N-TV sagte: "Da geht es nicht vordergründig um mich." Dass es doch vor allem um die Kanzlerin geht, die sich zwischen zwei Terminen in Brüssel kurz zu der Sache äußerte, zeigt sich an dem, was während ihrer Abwesenheit alles geschehen ist. Die hektische Betriebsamkeit im politischen Berlin hat in nicht einmal 24 Stunden mehr Bemühen um Aufklärung hervorgebracht als in den vorherigen vier Monaten seit den ersten Enthüllungen durch Edward Snowden.

Zuerst wurden die Vorwürfe, die der Spiegel auf Basis von weiteren Snowden-Unterlagen gemacht hatte, der Regierung vorgelegt. Diese ließ sie vom BSI und dem BND prüfen, bis Regierungssprecher Seibert dem Spiegel bestätigen musste : Ja, wir tun was - Merkel hat sich auch schon bei Obama direkt beschwert. Daraufhin wurde die Geschichte veröffentlicht. Und schon einen Tag später bestellte der Außenminister den US-Botschafter ein. Schon solch eine kaum abzulehnende Bitte um ein Gespräch kommt einer kleinen diplomatischen Sanktion gleich. Es ist so, als würde der Gastschüler zum Rektor zitiert.

Ein großer Teil des Regierungsapparats, der eigentlich gerade eine neue Koalition schmieden sollte, ist mit Aufklärung beschäftigt. Das ist verständlich, denn dass eine Regierungschefin von Geheimdiensten eines eigentlich befreundeten Staates abgehört wird, "geht gar nicht" - so sagte es Merkel vor Monaten selbst. Nur gab sich dieser Apparat von Innenminister Friedrich bis hin zum Kanzleramtsminister Pofalla zuvor alle Mühe, die Abhöraffäre mit allen Mitteln für beendet zu erklären.

Nun müssen aber genau dieselben Politiker erkennen, dass nichts beendet ist. Das war es nie. Aber erst, wenn Privates der Kanzlerin und ihr häufig verborgenes politisches Handeln abgehört werden, reift diese Erkenntnis. Dass persönliche Daten immer schützenswert sind, selbst wenn man kein öffentliches Amt ausübt, dürfen diese Politiker nun mühsam lernen, um ihre Chefin zu schützen und sie handlungsfähig zu halten. Einen besseren Dienst hätte die NSA der netzpolitischen Kultur in Deutschland nicht erweisen können.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)


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