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Hyperloop-Challenge: Der Kompressor macht den Unterschied

Schneller und weiter als die Konkurrenz: Die Kapsel vom Team Warr aus München war die leistungsfähigste bei der Hyperloop -Challenge von SpaceX . Doch auf dem Weg mussten die Münchner nicht nur den Luftwiderstand überwinden.
/ Werner Pluta
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Hyperloop-Kapsel von Warr: zu langsam zum Schweben (Bild: Warr)
Hyperloop-Kapsel von Warr: zu langsam zum Schweben Bild: Warr

Hawthorn, Kalifornien, 29. Januar 2017. Jetzt zählt es: Nach der technischen Begutachtung der vorausgegangenen Tage sind noch drei Teams im Rennen: vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), der Technischen Universität (TU) Delft und der TU München. Alle drei haben eine Hyperloop-Kapsel entwickelt und gebaut und müssen unter Beweis stellen, ob ihr Konzept aufgeht. Am Ende wird die Technik der Münchner den Wettbewerb entscheiden.

Der letzte Lauf beim Hyperloop-Wettbewerb - Warr
Der letzte Lauf beim Hyperloop-Wettbewerb - Warr (01:52)

Die Aufgabe lautet, die Kapsel möglichst schnell durch eine Röhre zu jagen. Sie ist rund 1.200 Meter lang und hat einen Durchmesser von gut 1,80 Metern. Darin herrscht ein weitgehendes Vakuum. Gebaut hat sie das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX . Dessen Chef Elon Musk hat 2013 das Konzept für das neue Transportmittel vorgestellt .

Kapseln schweben auf einem Magnetfeld

In einer fast luftleeren Röhre schweben Kapseln auf einem Magnetfeld. Ohne Luftwiderstand und ohne Rollreibung sollen sie mit 1.200 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Ein Ziel der von SpaceX initiierten Official SpaceX Hyperloop Pod Competition(öffnet im neuen Fenster) war, zu zeigen, dass das funktioniert.

Die Münchner Hyperlooperei hatte knapp anderthalb Jahre zuvor begonnen, im September 2015. Die Idee stammte von Mariana Avezum, die ihre Masterarbeit in Informatik über den Hyperloop schreiben wollte. "Aber als IT'lerin fehlte ihr das fachliche Know-how, um das maschinenbautechnisch zu stemmen" , erzählt Maximilian Springer, Leiter des Strukturteams, im Gespräch mit Golem.de. Deshalb fragte Avezum bei der Maschinenbaufakultät der Technischen Universität (TU) München, genauer gesagt bei der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt (Warr) nach Unterstützung.

Kapseln schweben auf einem Magnetfeld

"Das wurde dann innerhalb der Warr beraten und für gut befunden, und dann hat man sich entschlossen, ein Team zu gründen" , sagt Springer. Die sieben Mitglieder machten sich sogleich an die Arbeit. Nach nur gut einem Monat reichten sie ein erstes Konzept bei SpaceX ein. Das wurde angenommen - und das Team für die nächste Runde aufgestockt. "Ein Freund von mir, der bei den ersten Sieben dabei war, hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, auch mitzumachen" , erzählt Springer. Seitdem ist er dabei.

Inzwischen ist das Warr-Hyperloop-Team(öffnet im neuen Fenster) auf 31 Mitglieder angewachsen, die die unterschiedlichsten Fächer studieren. Viele angehende Ingenieure sind dabei: Maschinenbauer, Luft- und Raumfahrttechniker, Fahrzeugtechniker. Vertreten sind aber auch Physik, Chemie, Elektrotechnik, Informatik und Betriebswirtschaft.

Viel Zeit blieb nicht: Bis zum 15. Dezember 2015 musste der Entwurf fertig sein, der deutlich detaillierter war als das erste. Er wurde fertig, und er wurde ausgewählt. Zwar erhielt bei der Ausscheidung am letzten Januar-Wochenende 2016 der Entwurf des Teams des MIT den Preis für das beste Design . Doch Warr gehörte zu den etwa zwei Dutzend Teams, die SpaceX einlud.

"Dann ging die Arbeit eigentlich erst richtig los."

SpaceX verschiebt den Wettbewerb

Gerade mal fünf Monate, so dachten die Münchner, blieben ihnen, um ihr Konzept umzusetzen und eine Hyperloop-Kapsel zu bauen. Im Juni, so besagten es die Regeln der Hyperloop-Competition, sollte die Endausscheidung in Kalifornien stattfinden.

Bau der Hyperloop-Kapsel - Warr
Bau der Hyperloop-Kapsel - Warr (02:59)

Arbeit gab es genug: vom Redesign über die Prüfung, ob sich die Subsysteme so, wie das Konzept es vorsah, bauen ließen bis hin zum Bau der Kapsel selbst. "Es war ein relativ großer Zeitdruck da. Wir haben halt versucht, alles möglichst schnell unter Dach und Fach zu kriegen" , erzählt Springer.

Warr präsentiert die Kapsel

Inzwischen zeichnete sich ab, dass die Röhre nicht wie geplant im Juni fertig wird. SpaceX verschob den Termin. Praktisch für die Konstrukteure: Sie bekamen mehr Zeit. Die Münchner brauchten bis zum 4. Juli: Am amerikanischen Unabhängigkeitstag präsentierten sie die Kapsel ihren Sponsoren, darunter die TU München, Airbus, Maker Space oder Becker Carbon.

Und ansonsten warteten sie auf ein Signal von SpaceX und testeten und warteten und testeten weiter. "Wir haben darauf gewartet, dass SpaceX uns das genaue Datum vom Wettbewerb nennt. Allerdings wurden wir nur immer vertröstet" , sagt Springer. Schließlich hieß es September. Alles gut.

SpaceX verschiebt auf Januar 2017

Doch einen Monat vor dem geplanten Wettbewerb verschob SpaceX erneut, auf Januar 2017. Und brachte das Warr-Team in arge Bredouille. Einige der Köpfe hatten Erasmus-Stipendien. "Wir dachten, bis September ist das Ding erledigt" , sagt Springer. Dann hätte alles reibungslos geklappt. So aber mussten die Münchner umplanen und Aufgaben neu verteilen.

"Es war kurzfristig relativ chaotisch" , sagt Springer. Doch die Umstrukturierung gelang, die Kapsel funktionierte und wurde für den Transport mit dem Flugzeug vorbereitet. Was eine Schwierigkeit bedeutete: Die Kapsel hat einen Kompressor, der die restliche Luft, die sich vor der Kapsel staut, ansaugt und unter dem Pod ausstößt.

Der Kompressor ist militärisches Gut

Dieses Teil stammt aus dem Triebwerk eines Alpha-Jets(öffnet im neuen Fenster) , also eines Kampfflugzeugs. Damit gilt es als militärisches Gut, das nicht so einfach ausgeführt werden darf. Das habe sich aber als nicht so schwierig erwiesen: Das Team habe lediglich bestätigen müssen, dass das ausgeführte Teil wieder aus den USA zurück nach Deutschland gebracht wird.

Die deutschen Behörden erteilten aber die nötige Erlaubnis, damit die Kapsel Ende Dezember in die USA fliegen durfte. Schon früher mussten die Magnete und die Akkus auf die Reise geschickt werden. Da sie nicht im Flugzeug transportiert werden dürfen, mussten sie per Schiff in die USA gelangen.

"Da wir auf keinen Fall riskieren wollten, unsere Magnete oder Akkus nicht zu haben, haben wir sie schon zwei Monate vor Jahreswechsel verschickt" , sagt Springer. Das, so dachten sie, würde reichen. Der Schock kam Mitte Januar.

Wo sind die Komponenten?

Am 15. Januar flogen die ersten Teammitglieder in die USA. Ihre Aufgabe war, eine Werkstatt zu organisieren, die Kapsel zusammenzubauen und für den Wettbewerb vorzubereiten. Doch Magnete und Akkus fehlten. Sie steckten immer noch beim Zoll. So blieb ihnen erst einmal nichts anderes übrig, als die Zeit sinnvoll zu nutzen: das Fahrzeug zu testen, Softwareupdates einzuspielen und kleinere Elektronikprobleme zu beheben.

Und zu recherchieren: "Wir mussten uns etwas einfallen lassen und fanden heraus, dass es bei bestimmten Airlines möglich ist, einige Akkus mitzunehmen" , erzählt Springer. "Dann haben wir den Rest unseres Teams angerufen und gefragt, ob jemand gerade Zeit hat und in die USA fliegen kann."

Die Akkus kommen rechtzeitig

So bekamen die Münchner zumindest genug Akkus, um den Pod testen zu können. Mit denen fuhren sie dann nach Hawthorn zu SpaceX zum Testen, wohl wissend, dass sie für den Wettbewerb die volle Akkukapazität benötigen würden. Es fügte sich dann aber alles: Während der Testwoche gab der Zoll die Teile frei, die dann auch zur Teststrecke geliefert wurden.

Bevor es aber losgehen konnte, gab es den nächsten Dämpfer: Die Kapsel konnte nicht schweben. Die Münchner nutzen ein passives Magnetschwebesystem. Das benötigt aber eine gewisse Geschwindigkeit. Vorher bremsen die Magnete. "Wenn der Magnet eine bestimmte Geschwindigkeit überschreitet, dann beginnt er zu schweben" , sagt Springer. Beim Pod liegt die Grenze bei deutlich über 200 Kilometer pro Stunde.

Ein Fahrzeug schiebt die Kapsel an

Geplant war, dass ein Pusher dem Pod den nötigen Anschub verpasst. Der Pusher ist ein Fahrzeug, das in der Röhre hinter dem Pod platziert wird und diesen anschiebt. Auf 400 Kilometer pro Stunde werde der Pusher die Kapsel beschleunigen, hatte SpaceX den Teilnehmern vorab zugesagt. Damit ließe sich doch etwas anfangen.

Doch die Realität blieb deutlich hinter dieser Zusage zurück: Der Pusher sei ein abgespeckter Tesla gewesen, der gerade 93 Kilometer pro Stunde geschafft habe. "Also haben wir die Magnete wieder abgebaut und sind gefahren, nicht geschwebt."

Ein Fahrzeug schiebt die Kapsel an

Das aber sehr erfolgreich: Die Kapsel aus München war die einzige, die die ganze Distanz durch die Röhre schaffte. Die Kapseln von MIT und TU Delft schafften das nicht, und die waren auch noch langsamer. Das brachte Warr am Ende den Preis für die schnellste Kapsel und den für die 'best Performance in Flight' ein.

Das militärische Gut könnte, sagt Springer, den Ausschlag gegeben haben - schon allein, weil die Konkurrenten keinen Kompressor hatten.

Der Kompressor wars

"Schon in der Alphastudie von Musk wird der Kompressor als das System erwähnt, das den Luftwiderstand am besten reduziert" , erklärt Springer. Weil der Kompressor die Luft absaugte, hielt die Kapsel die Geschwindigkeit, auf die das Fahrzeug sie beschleunigt hatte, relativ lange.

Hyperloop Pod Flights - SpaceX
Hyperloop Pod Flights - SpaceX (01:26)

Der Kompressor sorgte sogar noch für mehr Vortrieb: "Wir dachten, im Vakuum können wir nicht wirklich Schub erzeugen. Aber SpaceX konnte den Druck nicht so weit reduzieren, dass ein Vakuum herrschte. Mit dieser Restluft konnten wir Schub generieren."

Warr wollte ein technisch einwandfreies System bauen

Dass am Ende das Team aus Delft von der Jury dennoch besser bewertet wurde, lag laut Springer daran, dass neben dem Design und der technischen Leistung auch noch Merkmale wie Präsentation oder Ideen zu Geschäftsmodellen zählten. "Wir haben uns darauf konzentriert, ein technisch einwandfreies System zu bauen, und das haben wir auch geschafft."


Warr habe jedoch weniger Wert darauf gelegt, das System gut zu verkaufen. "Das war im Nachhinein vielleicht ein kleiner Fehler" , sagt Springer selbstkritisch. "Wir wollten Spaß an dem Projekt haben und für uns Ingenieure macht es halt am meisten Spaß, etwas zu bauen, das funktioniert." Insofern passt das Ergebnis: "Das ist genau der Preis, den wir haben wollten: einfach das beste System abliefern und nicht den besten Business Case."


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