Hybrides Arbeiten ist toll - aber die Social Skills leiden
Wir sparen uns das Pendeln und den Berufsverkehr, verfügen flexibler über unsere Zeit und erhalten Zuschüsse und Pauschalen von Arbeitgeber und Staat. Wir haben gelernt, in der Pandemie produktiv zu bleiben, auch wenn wir einander nicht persönlich begegnen können. Tools helfen uns, über jede Distanz hinweg zu arbeiten - manchmal sogar effektiver als in einem Meetingraum. Miro oder Conceptboard ermöglichen Onlineworkshops. Jira und Confluence sind sowieso in agilen Projekten üblich. Und mit Trello oder Monday lässt sich die Arbeit für ein Team oder für sich selbst effizient organisieren.
Als IT-Berater habe ich inzwischen einige Projekte zum Erfolg gebracht, ohne eine einzige Person persönlich getroffen zu haben. Internationale Teams in der Softwareentwicklung sind noch selbstverständlicher geworden. Denn auch Unternehmen, die ihre Büroräume zu Co-Working-Spaces umfunktioniert haben, arrangieren sich mehr und mehr mit der neuen Form der Zusammenarbeit. Kaum eine Stellenanzeige in der IT-Branche, die nicht flexibles Homeoffice verspricht. Einige erlauben sogar, ganze Monate im Ausland zu arbeiten, oder stellen gleich Mitarbeiter an, die im Ausland wohnen.
Doch Produktivität lässt sich nicht ewig halten, wenn soziale Kontakte fehlen und es nie einen echten Feierabend gibt. Hier besteht ein Problem. Soziale Integration am Arbeitsplatz ist wichtig für Motivation und Produktivität. Der private Austausch in der Kaffeeküche, die gemeinsamen Abende nach einem anstrengenden Projekttag sind zentraler für eine gute Arbeit, als wir uns vor der Pandemie bewusst gemacht haben.
Wo bleibt das Netzwerk?
Es ist meines Erachtens nicht nur in einer Festanstellung wichtig, ein soziales Netzwerk mit Kolleginnen und Kollegen aufzubauen. Es motiviert und ist nebenbei auch förderlich im Unternehmen, wenn man Menschen kennt, die man auch mal um einen Gefallen bitten kann. Früher nannte man das "Networking". Das ist mehr, als sich gegenseitig in die Linkedin-Liste zu setzen.
Wir arbeiten besser mit Menschen zusammen, mit denen wir auch sozial interagieren - es macht zufriedener. In einem Projekt habe ich mit einem indischen Entwicklerteam für ein deutsches Unternehmen vor Ort gearbeitet. Es waren vor allem die gemeinsamen Mittagspausen, die uns als Team zusammengebracht haben.
Bei den indischen Kollegen wurde das Essen immer geteilt. Jeder brachte selbstzubereitete Speisen mit, und ich hatte das Glück, die kulinarischen Besonderheiten in einer deutschen Konzernkantine kennenzulernen. Auch ich teilte meine Mahlzeit gelegentlich. So biblisch sich das anhört: Es erzeugte ein gemeinsames Band.
Ich half dabei, die Internetverträge mit deutschen Anbietern für die Kollegen in deren Unterkunft zu organisieren; wir trafen uns in regelmäßigen Abständen abends in der Stadt auf den einen oder anderen Drink. Diese Aktivitäten haben uns als Team geformt und dazu beigetragen, dass wir uns im Projekt vertrauten.
So einen Zusammenhalt habe ich noch in keinem Remote-Team erleben dürfen. Das liegt sicherlich nicht an den Menschen, die ich kennenlernen durfte, sondern vor allem daran, dass keine Erlebnisse mehr geteilt werden, kaum noch Platz für private Gespräche ist und dass sich über den Arbeitstag hinweg keine Stimmung aufnehmen lässt, die man nach Feierabend gemeinsam besprechen könnte.
Die eben beschriebenen Social oder Soft Skills sind wichtig, wenn Menschen zusammenarbeiten. Natürlich zehren einige Unternehmen noch von langjährigen Mitarbeitern, die sich vor der Pandemie persönlich kennengelernt und auch deshalb eine andere Bindung zueinander haben. Es kommen aber mehr und mehr Arbeitskräfte nach, die während der Pandemie ins Berufsleben eingestiegen sind, die ihre Kollegen noch nicht richtig kennengelernt haben und dadurch kaum Anschluss finden.
Weniger Sozialleben, schlechtere Arbeitsergebnisse
Teamfähigkeit bleibt eine der entscheidenden Soft Skills, das kann auch eine Pandemie nicht ändern. Diese Fähigkeit lässt sich nicht in Seminaren am eigenen Rechner erlernen, man kann sie nur im Rahmen persönlicher Erfahrungen ausbilden. Man muss mit Menschen reden, intensiv kommunizieren, um empathisch zu bleiben.
Nicht zuletzt helfen diese Skills auch der Karriere. Ich habe in keinem Projekt einen Festangestellten getroffen, der überzeugend sagen konnte, dass sein Chef oder seine Chefin während der Remote-Arbeit ein Gefühl dafür entwickeln kann, wie die Gemütslage oder die Performance gerade ist. Entsprechend wird auch die Bewertung von Mitarbeitern weniger menschlich und deutlich zahlenlastiger.
Das alles wirkt sich konkret auf die Arbeitsergebnisse und -erlebnisse aus. Für viele Menschen war und ist Arbeit der Lebensmittelpunkt, eine wichtige Zeitinvestition, bei der es nicht nur um Geld geht, sondern die auch Beziehungen, sozialen Zusammenhalt und Austausch bieten soll. Diese Aspekte fallen durch die umfängliche Digitalisierung des Arbeitsplatzes fast vollständig weg. Einsamkeit ist nicht nur ein Gefühl.
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Was hast Du denn jetzt nicht an der Umweltänderung verstanden? Und wenn nicht, scheißt...
Kann ich so unterschreiben. Ich chatte viel und habe Kaffeepausen remote mit Kollegen. Im...
Besonders dieser Teil: "Der private Austausch in der Kaffeeküche, die gemeinsamen Abende...
Das kann ich nur unterschreiben! Ich kann mir überhaupt nicht mehr vorstellen, ins Büro...
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