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House of the Dragon Episode 1 bis 4: Zu viele Drachen, zu wenig Dungeons

House of the Dragon kann sich zwischen Fantasy-Spektakel und Mittelalter-Drama nicht entscheiden und wird so leider zu beliebig. Achtung, Spoiler!
/ Sebastian Grüner
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House of the Dragon behandelt einen Erbfolgekrieg vor der Zeit von Game of Thrones. (Bild: HBO)
House of the Dragon behandelt einen Erbfolgekrieg vor der Zeit von Game of Thrones. Bild: HBO

Spoilerwarnung: Achtung! Wir besprechen in dieser Rezension Charaktere und Auszüge der ersten vier Folgen von House of the Dragon. Wer zuvor gar nichts wissen möchte, sollte nicht weiterlesen.

Nachdem vor allem die achte und letzte Staffel des Fantasy- und Mittelalter-Epos Game of Thrones selbst hartgesottene Fans resigniert bis verstört zurückgelassen hat, soll das lang angekündigte Prequel House of the Dragon (hierzulande bei Sky zu sehen) die Fans nun zurückholen in die Welt der Intrigen und Drachen von Westeros. Das gelingt auch von Beginn an. Bei der teils langatmig und, wenn überhaupt, nur halb motivierten Nacherzählung viel zu bekannt vorkommender Geschichten stellt sich aber die Frage, ob die Serien-Macher überhaupt ein anderes, neues Publikum ansprechen wollten.

Die Geschichte von House of the Dragon spielt 172 Jahre vor der Geburt von Daenerys Targaryen aus Game of Thrones, die sich als legitime Erbin des Eisernen Throns sieht und ihn mit ihren hellblonden Haaren auf Drachen reitend zurückerobern will. In dem Prequel, das ebenfalls auf der Romanvorlage von George R.R. Martin basiert, werden dabei eine der vielen Familienfehden und ein aufkommender Erbfolgekrieg innerhalb des Hauses Targaryen erzählt. Dabei handelt es sich um nicht weniger als den Anfang vom Ende des Hauses Targaryen in Westeros und letztlich der Auslöschung aller bekannter Drachen bis zum Auftritt von Daenerys. Viel Potenzial also.

Sehr schnell werden dabei die verschiedenen Akteure eingeführt, die sich - zumindest zu Beginn der Serie - noch nicht offen wegen der Nachfolge auf dem Thron von König Viserys I. Targaryen (Paddy Considine) bekriegen. Die zunächst wichtigsten Figuren in dem Streit um die Erbfolge sind Prinzessin Rhaenyra (Milly Alcock), die mangels eines männlichen Erben in einer Art Präzedenzfall von Viserys als Thronfolgerin ernannt wird, sowie der Bruder des Königs und Onkel Rhaenyras, Daemon Targaryen (Matt Smith). Hinzu kommen die Berater des Königs Otto Hohenturm (Rhys Ifans) und Corlys Velaryon (Steve Toussaint) sowie später ein neuer männlicher Erbe, Aegon (bisher noch als Kleinkind), mit dessen Mutter Alicent Hohenturm (Emily Carey).

Die Zuschauer werden dabei von Anfang an völlig überladen mit historischen und politischen Informationen aus der Welt der Serie, mit Intrigen und einem stetigen Wechsel aus Unterstützung sowie Ablehnung der Akteure. Getoppt wird das nur noch von der völlig opulenten Ausstattung der Szenerie, die an das Hochmittelalter erinnern soll. Untermalt wird all dies durch die schon aus Game of Thrones bekannte Mischung aus Sex, Gewalt und Drachen, die die Verschmelzung aus Mittelalter- und Fantasy-Epos perfekt machen soll.

Bombast statt Tiefe

Für House of the Dragon ergeben sich daraus leider schon sehr schnell zwei grundlegende Probleme, die einander gegenseitig bedingen, und die sich auch nach den bisher vier verfügbaren Episoden nur sehr langsam auflösen. Die Serie setzt als tragendes Element der Erzählung auf effekthascherischen Bombast, der nicht nur durch die prägenden Drachen erreicht wird, sondern auch durch überbordende Gewalt- und Kampfszenen - statt auf Dialoge, Skript und Schauspiel. Zwar hat House of the Dragon eine erzählerische Tiefe, die immer noch weit über dem Durchschnitt liegt. Sie könnte Sogwirkung entfalten, genutzt wird das aber nicht.

Denn die Inszenierung tritt weit hinter ihre Möglichkeiten zurück und wirkt zuweilen wie in alten B-Movie-Horrorfilmen und (wohl) unfreiwillig komisch: vom Kaiserschnitt mit Blutfontäne, über die Kastration und Enthauptung durch das Terror-Regime der Stadtwache bis hin zu Krabben, die sich mehrfach am Fleisch Verwundeter verköstigten, die nach einer Schlacht am Strand liegen und auf ihren qualvollen Tod warten. Selbst ein geschätzt Zwölfjähriger, der fast schon im Vorbeigehen einen Duellanten mit dem Schwert ermordet, sorgt nicht für Schockmomente, sondern eher für Schmunzeln und Meme-Vorlagen.

Als aber auch der Pfeil eines Bogenschützen perfekt von der Kamera eingefangen direkt im Knie eines unserer todesmutigen und im Alleingang handelnden Protagonisten landet, müssen wir laut auflachen und fragen uns ernsthaft, ob die immer mehr von Videospielen geprägte TV- und Filmindustrie hier zu viel oder doch vielleicht zu wenig der Meme-Kultur Skyrims(öffnet im neuen Fenster) konsumiert hat.

House of the Dragon fehlen Fantasy und Inhalt

Die Show-Macher geben sich merklich Mühe, die von Autor George R. R. Martin erschaffene Welt in der Brutalität des realen Spätmittelalters nachzuempfinden. Gleiches gilt für die Rolle von Frauen, die sich ihren Platz in der Welt wohl oder übel erkämpfen oder sich ihrem Schicksal als Gebärmaschinen für die Erbfolge bis hin zur Vergewaltigung ergeben müssen. Dazu gehört in letzter Konsequenz auch der Einsatz von Sex als Mittel der Politik bis hin zum Inzest.

Ähnlich wie in Game of Thrones fällt es Zuschauern dabei nicht immer leicht, Sympathien für die Handelnden zu entwickeln, zumindest sollte man aber mit ihnen mitfiebern können. Die Figuren der Serie bleiben aber ohne größere Entwicklung und ihre Motivation scheint permanent vorhersehbar. Dennoch nehmen wir den Protagonisten manche Entscheidung nicht ab.

Diese Widersprüche dürften auch an der schnellen Erzählgeschwindigkeit liegen. Während in Game of Thrones eine Staffel etwa ein Jahr der Zeitrechnung umspannt, umfassen die Ereignisse in House of the Dragon pro Episode meist eines oder gar mehrere Jahre, samt Zeitsprüngen. Die Erzählung wirkt dabei einerseits bruchstückhaft, andererseits wie aus einem Geschichtsbuch mit vielen Auslassungen kopiert.

Zugegeben, Sex und Gewalt sind für den US-Bezahlsender HBO seit jeher die prägenden Verkaufsargumente für seine Serien und Filme, die in dem puritanisch geprägten US-Mainstream ansonsten keinen Platz finden. Game of Thrones überzeugte aber noch mit viel mehr Inhalt, der sich wiederum aus langen und tiefgründigen Dialogen speiste. In House of the Dragon fehlt uns genau das aber leider viel zu oft.

Fanservice mit deutlichen Abstrichen

Von den zahlreichen Fantasy-Elementen der von George R. R. Martin erschaffenen Welt mit größeren oder kleineren Zaubereien, mythischen Abenteurern, Geheimbünden mit magischen Kräften, Schneezombies und vielem mehr übernimmt House of the Dragon bisher lediglich Drachen. Alles andere bleiben versteckte Easter-Eggs für wirkliche Kenner der Welt, wie ein Wehrholzbaum in Königsmund.

Bisweilen erinnert uns dieses doch überraschende Fehlen der meisten Fantasy-Elemente an den Slogan "Dungeons, aber keine Drachen" und den damit verbundenen Anspruch, mit dem einst das Spiel Kingdom Come: Deliverance warb - eine möglichst realistische Darstellung des Mittelalters. Zwar zeigt House of the Dragon die namensgebenden Drachen, aber eben so gut wie keine Abenteurer in Dungeons oder auch sonstige Fantasy-Elemente.

Der Erbfolgekrieg in einer Fantasiewelt wird so zu einer profanen Adaption von Succession(öffnet im neuen Fenster) in einem Mittelaltersetting, gewürzt mit etwas mehr Gewalt und Drachen. Neu oder überraschend ist daran aber nichts. Bis auf die Wiederholung der Themen aus Game of Thrones ist die Serie auch inhaltlich nur wenig überzeugend.

Offensichtlich geht es HBO genau darum: zu wiederholen, was bei Disney mit dem Star-Wars- und Marvel-Universum oder bei Amazon mit der Herr-der-Ringe-Welt umgesetzt wird. Tatsächlich holen das Aufgreifen der Themen aus Game of Thrones und die Rückkehr in diese Welt die Fans trotz aller Kritik durchaus ab. Auch den Autor dieses Textes, der sich freut, all dem wieder zu begegnen.

Statt einer stumpfen Nacherzählung hätte dem Projekt des Game-of-Thrones-Prequels aber mehr Mut besser getan. Die Einstellung eines anderen Prequels(öffnet im neuen Fenster) , dessen Produktion schon begonnen hatte, zugunsten von House of the Dragon zeigt aber, dass HBO wohl noch nicht bereit war, diesen Mut aufzubringen. Der Sender hat sich explizit für diese Nacherzählung entschieden. Hoffentlich wird das mit den kommenden sechs Episoden noch besser.


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