Historiker Foschepoth: Snowden darf deutschen Boden nicht betreten
Der Historiker Foschepoth ist der Meinung, dass in Deutschland auch US-amerikanisches Recht gilt. Daher werde die Bundesregierung eine Auslieferung von Whistleblower Edward Snowden nach dessen Einreise nicht verhindern.

Kommt er, oder kommt er nicht? An einer möglichen Vernehmung von US-Whistleblower Edward Snowden in Deutschland durch den NSA-Ausschuss des Bundestags scheiden sich seit Monaten die Geister. Während die Opposition von Grünen und Linke weiterhin fordert, Snowden hierzulande zu vernehmen, hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor ihrem Sommerurlaub eindeutig gegen ein Asyl für den 31-Jährigen ausgesprochen. Nach Ansicht des Historikers Josef Foschepoth wird sich daran auch nichts ändern. Denn die Sicherheitspartnerschaft mit den Vereinigten Staaten sei "zentraler Bestandteil der deutschen Staatsräson" und stehe "gleichsam über Recht und Verfassung", schreibt der Freiburger Historiker in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung.
Foschepoth veröffentlichte im Jahr 2012 das Buch "Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik" und gilt seitdem als Experte für die zahlreichen Sonderrechte, die sich die USA nach dem Zweiten Weltkrieg für die Überwachung der Kommunikation und die Gerichtsbarkeit über US-amerikanische Militärangehörige in Deutschland sicherten. Anders als von Merkel behauptet, gelte in der Bundesrepublik daher nicht nur deutsches, sondern auch US-amerikanisches Recht, schreibt Foschepoth. So hätten nach Artikel VII des Nato-Truppenstatuts von 1951 die amerikanischen Militärbehörden das Recht, innerhalb der Bundesrepublik "die gesamte Straf- und Disziplinargerichtsbarkeit" über alle dem US-amerikanischen Militärrecht unterworfenen Personen auszuüben.
So sei es durchaus möglich, dass Snowden, sollte er nach Deutschland kommen, als ehemaliger CIA- und NSA-Mitarbeiter vor einem Militärgericht angeklagt werde. Wenn der Aufenthalt eines Gesuchten bekannt sei, müsse dieser vorläufig festgenommen und unverzüglich dem Richter des nächsten Amtsgerichtes vorgeführt werden. Dieser könnte anordnen, "dass der Verfolgte unverzüglich an die zuständige Militärbehörde der USA übergeben wird, andernfalls wird der Verfolgte freigelassen".
Einreise wäre "politischer Super-GAU"
Nach Ansicht Foschepoths ist es "nicht vorzustellen, dass die USA ausgerechnet bei einem so prominenten 'Spion' und 'Verräter', den sie in Edward Snowden sehen, auf ihre Rechte und Möglichkeiten verzichten, die ihnen nach amerikanischem Recht zustehen - dessen Gültigkeit die Bundesrepublik ausdrücklich anerkannt hat". Eine Einreise Snowdens nach Deutschland wäre deswegen "der politische Super-GAU". Die Bundesregierung würde gezwungen, sich zwischen den Interessen der USA und dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Grundrechte zu entscheiden. "Um dies zu verhindern, darf Snowden deutschen Boden erst gar nicht betreten", schreibt Foschepoth.
Damit widerspricht der Historiker den Grünen. Deren NSA-Ausschussobmann Konstantin von Notz hält eine Vernehmung Snowdens in Deutschland inzwischen für weniger kompliziert, da der frühere NSA-Mitarbeiter nun seinen russischen Aufenthaltsort für Auslandsreisen verlassen darf. Foschepoth sagt hingegen: "So bitter die Erkenntnis für alle ist, die in Edward Snowden einen mutigen Whistleblower sehen, darf er deutschen Boden nicht betreten. Die Bundesregierung wird seine Auslieferung an die amerikanischen Behörden nicht verhindern, sondern ermöglichen, ob aus rechtlichen oder politischen Gründen."
Vernehmung in Moskau leichter?
Bislang ist aber immer noch unklar, ob die Bundesregierung nicht sogar dazu gezwungen werden könnte, Snowden sicheres Geleit für eine Vernehmung in Deutschland zu garantieren. Sollte die Ausschussmehrheit von Union und SPD eine diesbezügliche Aufforderung an die schwarz-rote Regierung nach der Sommerpause nicht unterstützen, will die Opposition diese Frage vom Bundesverfassungsgericht klären lassen.
Aufgrund der Tatsache, dass Snowden nun ein dreijähriges Aufenthaltsrecht in Russland genießt, könnte aber ein wichtiges Argument seiner Unterstützer entfallen sein. Sein deutscher Anwalt Wolfgang Kaleck hatte bislang damit argumentiert, dass eine Vernehmung in Moskau den Aufenthaltsstatus seines Mandanten gefährden würde. Ob diese Gefahr nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis weiter besteht, ist unklar. Entsprechende Anfragen von Golem.de zur Vernehmung Snowdens durch den Ausschuss blieben von Kaleck bislang unbeantwortet.
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