Gesetze in Hessen und Hamburg gehen zu weit
Die Gesetze in Hessen und Hamburg genügten diesen Anforderungen nicht. Die Befugnisse ließen die automatisierte Verarbeitung unbegrenzter Datenbestände mittels rechtlich unbegrenzter Methoden zu. "Sie erlauben der Polizei so, mit einem Klick umfassende Profile von Personen, Gruppen und Milieus zu erstellen und auch zahlreiche rechtlich unbeteiligte Personen weiteren polizeilichen Maßnahmen zu unterziehen, die in irgendeinem Zusammenhang Daten hinterlassen haben, deren automatisierte Auswertung die Polizei auf die falsche Spur zu ihnen gebracht hat", heißt es.
In Hessen, wo die Polizei schon seit 2017 mit der Software arbeitet, bekommt der Gesetzgeber bis spätestens Ende September 2023 Zeit, die problematische Vorschrift neu zu regeln. Bis dahin bleibt sie mit deutlichen Einschränkungen in Kraft. In Hamburg wird die Technik noch nicht genutzt, hier erklärte das Gericht den Passus für nichtig.
Auswirkungen auf andere Bundesländer
Indirekt hat das Urteil auch Auswirkungen auf andere Bundesländer. Nordrhein-Westfalen setzt die Software ebenfalls bereits ein. Bayern arbeitet gerade an der Einführung - als Vorreiter für andere Länder und den Bund. Der Freistaat hat mit dem US-Unternehmen Palantir einen Rahmenvertrag geschlossen, damit alle anderen Polizeien dessen Programm ohne zusätzliche Vergabeverfahren übernehmen können.
In Hessen werden zunächst einmal nur Daten aus Polizeibeständen ausgewertet. In einer der Datenbanken sind allerdings auch Opfer und Zeugen erfasst - oder jemand, der einmal einen Kratzer am Auto zur Anzeige gebracht hat. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Überprüfung in Karlsruhe angestoßen hatte, hält das für hochproblematisch. Das Programm mache auch vor unbescholtenen Menschen nicht Halt. Außerdem sei die Verlockung groß, mit der Zeit auch externe Daten einzuspeisen - etwa aus sozialen Netzwerken.
Eingesetzt wird Hessendata - so der Name des Programms - insbesondere zur Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Kinderpornografie. Bei rund 14.000 Abfragen jährlich arbeiten landesweit mehr als 2.000 Polizistinnen und Polizisten mit dem System. Sie sind jeweils nur für ihren Zuständigkeitsbereich freigeschaltet.
Das Urteil betrifft ausschließlich die Datenanalyse zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Als Kläger waren Journalisten, Anwältinnen und Aktivisten aufgetreten. Die GFF hatte im Herbst noch eine dritte Verfassungsbeschwerde wegen der NRW-Software eingereicht. Diese war in dem Verfahren aber nicht mehr berücksichtigt worden.
Nachtrag vom 16. Februar 2023, 15:06 Uhr
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber begrüßte das Urteil: "Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt Kriterien formuliert, unter denen die Polizeibehörden Analysesysteme für polizeiliche Datenbestände einsetzen dürfen. Das betrifft auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Dieses Grundsatzurteil wird sich bundesweit auswirken."
Besonders wichtig ist nach Ansicht Kelbers, "dass nicht nur bei der Speicherung, sondern auch bei allen nachgelagerten Datenanalysen zwischen verschiedenen Personengruppen zu trennen ist". Denn die polizeilichen Informationssysteme enthielten nicht nur Daten zu beschuldigten oder verdächtigten Personen, sondern darüber hinaus auch Informationen zu Opfern von Straftaten, zu Zeugen, Hinweisgebern und sonstigen Personen.
"Datenanalysen zu diesen nicht unter Verdacht stehenden Personen sind deshalb ein intensiver Grundrechtseingriff. Opfer und Dritte dürfen nicht mit Verdächtigen gleichbehandelt werden. Speziell bei neuartigen Datenanalysen war dies bislang nicht sichergestellt", sagte Kelber.
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Hessendata: Polizei setzt Analysesoftware verfassungswidrig ein |
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Wann hast du denn das letzte mal was davon mitbekommen, dass ein Politiker für seine...
Das sind zwar schwammige Begriffe, aber ziemlich sicher benachteiligt das Urteil den...
...nicht. Es ist ein absolutes Armutszeugnis, dass das Bundesverfassungsgericht wieder...
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