HDMI auf Gardena: Spül mir das Lied vom Tod

Wer glaubt, das HDMI-Format sei das Ende aller Anschlussfragen, hat offensichtlich noch nie versucht, einen Film durch einen Gartenschlauch zu schicken. In diesem Experiment treffen Bastelhumor, Raumfahrtgeschichte und ein Schuss absurde Ingenieurskunst aufeinander: ein Adapter von HDMI auf Gardena - technisch machbar, praktisch fragwürdig, aber garantiert unterhaltsam.
Wir lieben Adapter
Signale von einem Format in ein anderes umwandeln zu wollen, liegt in der Natur des digitalen Menschen. Es ist ein Anpassungsmechanismus an eine Industrie, die ihre Kunden seit Jahrzehnten mit Steckerneuerungen bombardiert und das beliebte Kinderspiel mit verschiedenen Formen und dazu passenden Löchern(öffnet im neuen Fenster) regelmäßig um neue Levels erweitert hat.
Das Zubehör dafür haben viele sicher noch in der Schublade. Wenn man ein wenig darin wühlt, kommen die Schätze vergangener Tage ans Licht: stillgelegte Handys, Netzteile, CD-ROMs, Akkus mit unbekanntem Lade- und Gesamtzustand, USB-Sticks mit Werbeaufdruck und schließlich Zwischenstecker und Adapter aller Art. Von USB-A auf Micro-USB, Cinch auf kleine Klinke - und in tieferen Sedimenten findet sich vielleicht noch ein Scart-Monstrum mit 20 Zähnen und S-Video-Stecker am anderen Ende der Leitung.
Prä-USB-Veteranen erinnern sich noch an die Rückseiten früherer Computer, bei denen es unterschiedliche Buchsen gab für Tastatur (DIN), Maus (serielle Schnittstelle 9-polig), Drucker (parallele Schnittstelle 25-polig), externe Speichermedien (verschiedene SCSI-Formate), Monitor (VGA, D-Sub 15-polig), Joystick (auch D-Sub 15-polig, aber anders) und so weiter.
Durchschauen? Zu einfach!
Kein Wunder also, dass Adapter ein Teil der Gegenwartskultur geworden sind und damit auch ein beliebtes Objekt für Scherze aller Art. Ein Klassiker darunter ist die Verwendung des Adapters von HDMI auf das Gardena-Kuppelsystem für Gartenschläuche(öffnet im neuen Fenster) . Für die Gegenrichtung, also von Gardena auf HDMI, gibt es sogar bereits funktionsfähige Produkte(öffnet im neuen Fenster) .
Spiel mir das Lied vom Tod, Gartenschlauch!
Wir wollen einen Schritt weitergehen und Bilder durch einen Gartenschlauch übertragen. Der einfache Weg wäre, den Schlauch ganz gerade zu ziehen, am Ende einen Bildschirm dranzuhalten und vom anderen Ende aus durchzuschauen. Aber wir wollen es eleganter.

Die technische Lösung für das Problem finden wir in der Geschichte. Genauer: in der sowjetischen Raumfahrtgeschichte. Denn dort gab es eine Mission, die vor ganz ähnlichen Übertragungsproblemen stand. Und die Lösung von damals funktioniert auch heute noch - sogar dann, wenn man eine Weltallfunkstrecke durch Gartengeräte ersetzt.
Die dunkle Seite des Mondes
Wir befinden uns im Jahr 1959, mitten im Kalten Krieg. Der Space Race(öffnet im neuen Fenster) zwischen den USA und der UdSSR ist voll im Gange. Im Wettstreit um die erste Mondmission liegt zunächst die Sowjetunion vorne: Luna 1 ist als erste Raumsonde nahe am Mond vorbeigeflogen (sollte eigentlich einschlagen, hat den Mond aber verfehlt), Luna 2 schlug immerhin auf der Mondoberfläche ein und Luna 3 hat ein besonders ambitioniertes Ziel: Sie soll mit zwei Kameras die ersten Bilder von der Mondrückseite liefern - jenem Bereich, der von der Erde aus nie zu sehen ist.
Damals wie heute gilt: Ein Objekt in den Weltraum zu schicken, ist deutlich einfacher als die Aufgabe, es wieder intakt auf der Erde landen zu lassen. Zum Zeitpunkt der Luna-3-Mission 1959 war noch kein Raumfahrzeug wieder am Stück zurückgekommen. Auch für Luna 3 war eine Rückkehr vom Mond damals völlig ausgeschlossen - die erste weiche Landung sollte erst im Folgejahr gelingen, als eine Vostok-Kapsel aus der Erdumlaufbahn wieder intakt landet.
Das größte Funkloch der Welt
Der einzige Weg, an die von Luna 3 geschossenen Bilder von der dunklen Seite des Mondes zu gelangen, ist deshalb, sie per Funk zu übertragen. Die Funktechnik, ab den 1890ern entwickelt, ist dabei nicht das Problem. Auch die Technik für eine Liveübertragung von Bildern gibt es schon. Sie kommt für das Fernsehen bereits im großen Maßstab zum Einsatz.
Das Problem sind die 73 Trillionen Tonnen Mond, die zum Zeitpunkt der Aufnahme zwischen der Sonde und den Empfangsstationen stehen: Es gibt keinen Ort auf der Erde, von dem aus die Sonde zu empfangen gewesen wäre.
Die einzige Lösung ist also, Fotos aufzunehmen und sie zeitversetzt zu senden, nachdem die Sonde wieder aus dem Mondschatten aufgetaucht ist. Damit kommt jedoch gleich die nächste technische Herausforderung: Die Digitalfotografie - und damit einfache Methoden zur Aufnahme, Speicherung und Encodierung von Bilddaten - ist noch nicht erfunden. Der erste CCD-Sensor wird erst 1969 das Licht der Welt detektieren. Noch muss also lichtempfindlicher Film verwendet und chemisch entwickelt werden.
Filmmaterial vom Klassenfeind
Aus diesem Grund wird ein kompaktes Labor konstruiert und an Bord gepackt, das den Film vollautomatisch entwickeln, fixieren, spülen und trocknen kann. Pikant: Das verwendete Filmmaterial kommt vom Klassenfeind.
Denn es stammt aus abgefangenen US-amerikanischen Spionageballons des Projekts Genetrix(öffnet im neuen Fenster) , die zu Hunderten den Ostblock überfliegen und dabei bis in die Stratosphäre aufsteigen.
Das Filmmaterial der Kameras an Bord ist von der CIA eigens dafür entwickelt worden, unempfindlich gegenüber Temperaturen und Strahlung zu sein. Die noch unbelichteten Filmreste aus erbeuteten Aufklärungsballons werden mit dem sowjetischen Raumfahrtprogramm ins All geschickt.
Aber wie kommt nun das entwickelte Bild zur Erde?
Ein Fax per Funk
Dafür verwenden die sowjetischen Ingenieure eine Funktechnik, die heute als Slow-Scan Television (SSTV) bekannt ist - im Gegensatz zum "Fast-Scan Television", dem normalen Fernsehen. Mit SSTV können Bilddaten über schmalbandige Verbindungen übermittelt werden. Ein Bild wird dafür, ähnlich wie beim Faxgerät, Zeile für Zeile abgetastet und der gemessene Helligkeitswert auf das Funksignal aufmoduliert.
In Luna 3 wird der entwickelte Film dafür vor die Mattscheibe einer Kathodenstrahlröhre gespannt, auf der ein leuchtender Punkt die Fläche des Bildes zeilenweise abtastet. Vor dem so durchleuchteten Film ist ein Photomultiplier angebracht, der die Helligkeit misst und in ein elektrisches Signal umwandelt.
Auf der Erde werden diese Funksignale in zwei Stationen auf der Krim und auf Kamtschatka empfangen. Das Signal wird dort auf einer Bildröhre angezeigt, die mit einem besonders lang nachleuchtenden Leuchtschirm versehen ist: Wenn die letzte Zeile fertig übertragen ist, sind die vorherigen - und damit das gesamte Bild - noch sichtbar. In einem abgedunkelten Raum kann schließlich von diesem Bildschirm aus das übertragene Bild abfotografiert werden.
Die Idee für die Bildübertragung per SSTV geht zurück auf den russischen Fernsehpionier Semyon Isidorovich Kataev, der 1934 ein System zur Schmalband-Übertragung von Fernsehbildern entwickelt hatte. Die Technik wurde ab 1957 von Copthorne "Cop" Macdonald, einem Studenten an der University of Kentucky, zur Verwendung im Amateurfunk weiterentwickelt und 1968 durch die Federal Communications Commission (FCC) für diesen Zweck freigegeben.
Für SSTV-Übertragungen über Amateurfunk wird ein Frequenzbereich verwendet, auf dem auch Sprache übertragen wird. So können Bilddaten, die für SSTV encodiert sind, auch als hörbares Signal ausgegeben werden.
Und genau diesen Trick verwenden wir jetzt für unseren HDMI-Gardena-Adapter.
Das Pfeifen im Schlauch
Die Signalquelle in unserem Aufbau ist ein HDMI-Ausgang eines Laptops. Als Film läuft "Spiel mir das Lied vom Tod": Es hätte auch jeder andere Film sein können - aber ich brauchte den Filmtitel, um daraus die Überschrift für diesen Artikel zu machen.
Als erstes Bauteil unseres Adapters hängt am HDMI-Kabel ein HDMI-Grabber. In diesem Fall ist es ein No-Name-Produkt, gekauft bei Berrybase(öffnet im neuen Fenster) , weil das einer der wenigen Anbieter war, der für seine Produkte eine Linux-Kompatibilität zusichert.






Dieser Grabber gibt sich in Richtung Signalquelle, also gegenüber dem Laptop, als externer Monitor aus. Das andere Ende des Grabbers steckt am USB-Port eines Netbooks. Vom Betriebssystem des Netbooks, MX-Linux(öffnet im neuen Fenster) , wird der Signalgrabber als Webcam erkannt; weitere Treiber sind damit nicht mehr notwendig.
Gartenschläuche haben wenig Bandbreite
Bisher haben wir also den Videostream von der Quelle in den ersten Teil unseres Adapters gebracht. An der Quelle hatte dieser Stream noch Full-HD-Auflösung bei 30 Bildern pro Sekunde und in Farbe. Da Gartenschläuche nicht zur Videoübertragung ausgelegt sind und weniger Bandbreite haben, müssen wir für die nächsten Schritte die Qualität herunterrechnen.
Es gibt verschiedene Qualitätsstufen für die Bild-Übertragung per SSTV(öffnet im neuen Fenster) . Die höchste Auflösung bietet zwar 512 x 256 Pixel und RGB-Farben, dafür dauert die Übertragung eines einzelnen Bildes auch bis zu drei Minuten. Das mag eine akzeptable Bildwiederholrate sein - wenn man es in Beziehung zur Dauer einer Raumfahrtmission setzt. Aber aus einem Film würde das zu sehr die Spannung herausnehmen - selbst aus einem Western von Sergio Leone(öffnet im neuen Fenster) , der für seine langen Einstellungen berühmt war.
Wollen wir statt der Bildqualität die Bildwiederholrate maximieren, dann geht das auf Kosten von Auflösung und Farbe: Im schnellsten Modus Robot 8 übertragen wir ein Bild in Graustufen und mit einer Auflösung von 160 x 120 Pixeln in 8 Sekunden - oder anders gesagt, mit 0,125 fps.
Zum Encodieren verwenden wir die Library libsstv(öffnet im neuen Fenster) , die von Github heruntergeladen werden und selbst kompiliert werden kann. Eigentlich eine Programmbibliothek zum Encodieren von SSTV, kann es auch Stand-alone laufen und als Befehl von der Konsole aufgerufen werden.
Alternativ hätte es auch die Software PySSTV(öffnet im neuen Fenster) gegeben. Sie erfordert aber eine Bildbearbeitungsbibliothek, die nicht mehr als 32-Bit-Version zur Verfügung gestellt wird. Da das Netbook mit seinem Atom-Prozessor nur 32-Bit-Software ausführen kann, fiel diese Variante also aus.
Ein kleines Skript , das in Dauerschleife läuft, macht Folgendes:
- Das Programm "fswebcam" greift das aktuelle Webcam-Bild bzw. Standbild aus dem Videostream ab, rechnet es auf Graustufen und 160 x 120 Pixel herunter und legt es in einer Datei ab,
- "libsstv" erzeugt aus der Bilddatei eine Audiodatei, in der das Bild encodiert ist,
- "aplay" spielt die so erzeugte Audiodatei ab.
Der in einem Pfeifsignal encodierte Spielfilm kann nun in den Gartenschlauch eingespeist werden.
Around the world, around the wo-orld
Für diese Aufgabe kommt eine Talkbox(öffnet im neuen Fenster) zum Einsatz; eigentlich ein Effektgerät, das gerne von Gitarristen oder Keyboardern verwendet wird. Es leitet den Klang des Instruments durch einen Schlauch in den Mund des Musikers, der dann durch Mundbewegungen das Klangspektrum verändern kann.
Im Prinzip ist die Verwendung einer Talkbox wie Sprechen oder Singen, nur dass der Schall nicht durch Atmung und die Bewegung der Stimmbänder erzeugt, sondern durch den Schlauch eingeleitet(öffnet im neuen Fenster) wird. Das Ergebnis ist, je nach Spielweise, ein roboterhafter Gesang. Populär gemacht wurde die Talkbox in den 70ern durch den Gitarristen Peter Frampton, zum Beispiel in Show me the Way(öffnet im neuen Fenster) . Andere bekannte Beispiele sind Around the World von Daft Punk(öffnet im neuen Fenster) oder California Love von 2Pac(öffnet im neuen Fenster) .
Die Talkbox wird an eine Audioquelle (in unserem Fall den Audio-Ausgang des Netbooks) angeschlossen wie ein gewöhnlicher Aktiv-Lautsprecher. Meist ist der Verstärker integriert; die weiteren Teile sind ein Horntreiber und der schon erwähnte Schlauch. Ein Horntreiber ist ein Lautsprecher, der nicht frei in die Umgebung spricht, sondern dessen Vorderseite bis auf eine kleine Öffnung luftdicht gekapselt ist. Zusammen mit einer relativ großen Membran kann ein Horntreiber an der Öffnung dadurch einen hohen Wechseldruck aufbauen(öffnet im neuen Fenster) .
Der Horntreiber pumpt das Signal in den Schlauch
Beim Einsatz in einem Hornlautsprecher sitzt vor dieser Öffnung dann ein Schalltrichter, der das Signal verstärkt. Diese Bauform ist effizienter, als wenn der Lautsprecher direkt in die Umgebung sprechen würde. Man kennt solche Hörner beispielsweise von PA-Anlagen auf Festivals oder in Diskotheken, oder auch von den Lautsprechern für Bahnsteig-Durchsagen.
In einer Talkbox wird anstelle eines Schalltrichters ein Schlauch aufgesteckt, und der Horntreiber pumpt das Signal schließlich in den Schlauch. Das andere Ende dieses Schlauchs nimmt der Musiker in den Mund; den Schall in der Mundhöhle kann er durch Bewegungen von Zunge, Lippen und Kiefer modulieren. Der Klang der Gitarre oder des Keyboards mit aufmodulierter Sprache kommt dann aus dem Mund des Musikers und kann mit einem Gesangsmikrofon abgenommen werden.
Und statt einer E-Gitarre können wir natürlich auch andere Signale in den Schlauch pumpen - wie zum Beispiel einen Film.
Charles Bronson als Comic-Held
Am anderen Ende des Schlauchs ist schließlich eine Schlauchkupplung montiert, um den HDMI-Gardena-Adapter zu vervollständigen, und daran steckt eine handelsübliche Wasserspritze. An dieser tritt schließlich das akustische Signal aus, deutlich hörbar als heftiges Zwitschern.
Dieses Signal muss nun von einem Mikrofon abgenommen und dekodiert werden. Dafür gibt es eine einfache Lösung: Die App Robot 36 (für Android bei F-Droid(öffnet im neuen Fenster) und Google Play Store(öffnet im neuen Fenster) erhältlich) tut genau das auf einem Smartphone oder Tablet. Dabei verwendet sie das integrierte Mikrofon als Signalquelle, dekodiert das eingehende Signal in Echtzeit und zeigt das daraus entstehende Bild an. Entsprechend dem eingehenden Signal wird dann alle acht Sekunden ein weiteres Bild sichtbar.
Nun gut, vielleicht haben wir ein bisschen viel versprochen. Statt eines Films gibt es nur Standbilder - und diese nur in niedriger Qualität. Ton ist ebenfalls nicht dabei - der ließe sich aber leicht mit einem zweiten Schlauch und einer zweiten Talkbox ergänzen.
Eine Diashow mit 0,125 fps
Der größte Schwachpunkt des Aufbaus ist die niedrige Bildwiederholrate. Eine Diashow mit einem Bild alle acht Sekunden - oder bei höherer Qualität noch weniger - nimmt auch aus dem besten Western die Spannung heraus. Eine Lösungsmöglichkeit wäre, den Film in einzelne Bilder zu zerlegen, die für die jeweilige Szene charakteristisch sind. Mit automatisch erzeugten Untertiteln ergäbe sich dann eine Art Comic - immer noch kein Film, aber die Handlung wäre zumindest nachvollziehbar.
Eine Alternative wäre, den Film auf dem Rechner im Adapter aufzuzeichnen, in Einzelbilder zu zerlegen, diese einzeln durch den Schlauch zu übertragen und auf einem Zielsystem wieder zusammenzusetzen. Das wäre zwar nicht in Echtzeit, dafür wäre das Ergebnis flüssig, und auch eine bessere Bildqualität wäre möglich.
Rechnen wir das noch an einem Beispiel durch: Ein Film mit einer zweistündigen Dauer besteht bei einer Bildrate von 25 Bildern/s aus 180.000 Einzelbildern. Im SSTV-Modus Martin M1 kann ein Farbbild mit 320 x 256 Pixeln in 114 Sekunden übertragen werden. Damit dauert die Übertragung des ganzen Films etwa 20,5 Millionen Sekunden oder 237,5 Tage, plus zwei Stunden für die Übertragung der Tonspur - oder vier, wenn wir Stereo haben wollen.
Mit diesen Einschränkungen ist es unwahrscheinlich, dass sich die Filmübertragung durch Gartenschläuche auf breiter Ebene durchsetzen wird. Immerhin: Der Beweis ist erbracht, ein Adapter von HDMI auf Gardena ist technisch machbar, konstruktiv recht einfach und leicht nachzubauen.



